Werden die Karten im Mobile Payment Sektor nochmal gemischt?
Noch einige Zeit vor dem (ganz) großen Hype haben sich im Juni 2014 auf Einladung von Maik zahlreiche Experten u.a. aus den Bereichen Banking, Payment, Telekommunikation, Regulatorik, Softwareentwicklung und UI / UX in Berlin zu einem Mobile Payment Workshop mit dem wegweisenden und zeitlosen Titel „Reinventing Mobile Payment“ getroffen. Damals wie heute hat uns die Frage beschäftigt welche Zutaten notwendig sind, um Mobile Payment endlich schmackhaft zu machen? Ein Gastbeitrag von Klaus Igel Ein kurzer Blick zurück – wie sah der Mobile Payment Markt „damals“ in 2014 aus? Vornehmlich Fintechs, Telkos und der Handel haben seinerzeit an den unterschiedlichsten Lösungen gearbeitet, ohne dass zu dem Zeitpunkt bereits eine Lösung die entsprechende Marktrelevanz hatte. Vielmehr haben sich mittlerweile alle der damaligen POS-Payment Lösungsanbieter, z.B. Yapital, Vodafone, Telekom, E Plus, Cashcloud uvm., aus dem Bereich wieder zurückgezogen (oder auch niemals das Licht der Welt erblickt). Exakt vier Jahre später präsentieren sich in der Android Welt mit GooglePay und der DK/girocard zwei neue Player, die erneut versuchen wollen, Mobile Payment am POS zu etablieren. Kann das gelingen oder wird das ein weiteres Strohfeuer? Als Apple-User mit den Hauptkontoverbindungen bei der Sparkasse, DKB und bunq erfülle ich, Stand heute, exakt keine der erforderlichen Nutzungsvoraussetzungen – schaut irgendwie nach einem bekannten Problem aus, das seinerzeit hinsichtlich der Einschränkungen nur noch von den NFC SIM Lösungen der Telkos auf die Spitze getrieben wurde. Allerdings, wenn man aber einmal mit dem Test-Fieber infiziert wurde gibt es kein Zurück – der Kauf eines einfachen NFC-fähigen Nokia Smartphone mit Android One und die Kontoeröffnung bei der Volksbank Mittelhessen standen auf der ToDo Liste. Ob hingegen dem typischen Kunden die Nutzung der digitalen girocard oder GooglePay rund 250 Euro Einstandskosten wert ist, darf stark bezweifelt werden. Für die Nutzung von Google Pay konnte ich das vorhandene N26 Konto reanimieren. Eigentlich ein guter Kontrast: hier Google Pay mit einer (hippen) Mobile First Bank, dort eine Lösung der Banken in Kombination mit einer traditionellen Retailbank. Noch vor dem Setup der Lösungen gleich mal zwei positive Erkenntnisse:- Android funktioniert auch und ein gutes Telefon kostet ebenfalls kein Vermögen
- Die Kontoeröffnung aus der Ferne bei einer Retailbank geht mittlerweile auch schon ganz gut. Dauert zwar keine 10 Minuten, aber auch keine Ewigkeit. Und richtig gut – da sitzen noch Menschen im Support, die erreichbar sind und was von Banking und Service verstehen.
- Die girocard dominiert in Deutschland den Kartenmarkt und kann ab Juli 2018 über die Lösungen der Sparkassen und Volksbanken extrem viele Kunden adressieren.
- Google geht das Problem zweifelhafter UX konsequent an. Wie man es auch von Apple Pay her kennt, ist die Usability aufgrund der tiefen Plattform Integration ausgezeichnet.
- Beide Lösungen können auf eine breite Akzeptanz im stationären Handel setzen.
- App Start
- Karte hinzufügen -> Nutzungsbedingungen akzeptieren
- Automatische Zahlung in Höhe von 1€ an Google zur Kartenverifikation
- SMS anfordern (es wird die bei N26 hinterlegte Rufnummer verwendet) und den für 2 Stunden gültigen Bestätigungscode eingeben
- Ab sofort kann Google Pay für Zahlungen verwendet werden
- Start der App „Digitale Karten“
- Verweis auf die benötigte Anmeldung in der VR Banking App -> App Switch
- Auswahl der zugeordneten girocard (keine manuelle Eingabe Notwendig) -> Nutzungsbedingungen akzeptieren
- Eingabe der TAN
- Hinweis auf erfolgreiche „Bestellung der digitalen girocard“ und den avisierten PIN Brief, die Karte befindet sich so lange noch im Status „Warte auf Freischaltung“. 2 Tage später war die Karte dann auch einsatzbereit.
- Bei der digitalen girocard handelt es sich um eine eigenständige Karten mit eigener PIN. Diese lässt sich (aktuell noch) nicht ändern, so dass man sich für Zahlungen über 25 Euro eine weitere PIN merken muss. Bei GooglePay wird die vorhandene KK digitalisiert, so dass man die gleiche PIN wie bei der Karte behält.
- Die VR App kann auf weiteren Telefonen installiert werden, wodurch weitere mobile Karten inkl. individueller PIN angelegt werden können
- Es gibt unterschiedliche Bezahlmodi in der VR App:
- Der Modus ExpressZahlung ermöglich bei eingeschaltetem Smartphone Display die Bezahlung mit der Standardkarte, ohne dass die App gestartet sein muss
- Andernfalls ist eine Anmeldung in der App und die Auswahl der zu verwendenden Karte notwendig
- Die VR App unterstützt nicht nur die girocard:
- Es können auch digitale Kreditkarten (Mastercard) in der App hinterlegt werden, die im Gegensatz zur girocard auch auf der physischen KK basieren und zudem auch international genutzt werden können. Etwaige Co-Brands auf der girocard wie z.B. V-Pay funktionieren nicht für mobile Zahlungen.
- Bei Zahlungen über 25 Euro ist bei der mobilen girocard die notwendige PIN am Kartenterminal einzugeben. Bei GooglePay erfolgt die Zahlungsfreigabe durch Fingerprint/PIN in der App.
- Bei GooglePay werden unterschiedliche Karten verschiedener Herausgeber in einer Appp zusammengefasst, was bei girocard mobile nicht der Fall ist. Die Sparkassen girocard landet beispielsweise in der App „Mobiles Bezahlen“, die der Volksbank in der App „Digitale Karten“
9 Kommentare
Lieber Herr Igel,
vielen Dank für eine der ersten, öffentlich gemachten Usererfahrungen im wahren Leben des Mobilepayment. Sie belegt, dass die UX der neuen Welt, der UX, die auf etablierte, analoge Prozesse aufbaut, überlegen ist. Junge Menschen werden das direkt erkennen, bzw. sich direkt für die neue Welt entscheiden.
Wir – etwas älteren – Paymentnerds sind sowieso subjektiv. Als ApplePay User möchte ich aber der Aussage, dass NFC per App kaum einen Unterschied zu NFC per Karte macht, widersprechen.
Wenn ich regelmäßig, z.B ein Produkt wie N26 nutze, dann ist mir das Mobiledevice sehr vertraut für Zahlungstransaktionen. Daher werde ich viel lieber auch das Mobile für eine Bezahlung am POS verwenden, als eine Karte. Hinzu kommt die zusätzliche Übersicht, die ich dann auch in der App erhalte, die mir die Transaktionen aufzeigt. Und im Restaurant habe ich (zum Leidwesen meiner Frau) das Mobile viel schneller „on Hand“ als das Portemonnaie.-)
Ein Thema, das für PSP/POS-Netzbetreiber interessant sein wird, ist, dass das Design klassischer POS-Terminals nicht unbedingt für Handies optimiert ist. Hier werden künftig Geräte mit einer glatten Kontaktoberfläche sicherlich eine bessere UX schaffen, als es ein klassisches POS Terminal heute ermöglicht.
Wie schon Kollege Linsenbarth in einem Beitrag kürzlich anmerkte, wird sich künftig zeigen, ob Girocard Mobile mit mit den Entwicklungen von GooglePay und ApplePay mithalten kann. Ich wäre da eher skeptisch.
BG,
Marcus W. Mosen
Lieber Herr Mosen,
danke für ihr anregendes Feedback. Bei Thema UI/UX sind wir einer Meinung – für die junge Generation sind die Würfel gefallen und zwar zugunsten von Apple/Google und neuen Playern. Mein Sohn (13) hat sich beispielsweise komplett intuitiv für Apple Pay und Google Pay registriert. Bei den Banking App gestützten Verfahren werden Prozesse verwendet, die ohne zusätzliches Wissen nicht bewerkstelligt werden können und führten somit zum Abbruch.
Stand heute würde ich sagen, dass die girocard mobile für diese Generation nicht in Frage kommt und beispielsweise bei den Sparkassen zudem nicht mal jugendfrei ist. Ein Punkt, den ich nicht verstehe da physikalische Karten an minderjährige ausgegeben werden und diese auch bei vielen Sparkassen Online Banking nutzen.
Ich sehe insofern für girocard mobile noch Potential beim „Normalkunden“, der jahrelang Online Banking macht, sich aber dennoch nicht um Details kümmern will. Diese Gruppe ist bestimmt nicht klein.
Der angesprochene Geschwindigkeitsvorteil ist m.E. nach noch immer sehr subjektiv – aber klar, wenn man das Smartphone im Restaurant eh zur Hand hat geht’s schneller als mit Karte. Um am Ende des geplanten Dinners aber aufgrund fehlender (kontaktlos) Kartenakzeptanz nicht bei McD oder BK zu landen, müssen wir Stand heute immer noch Bargeld und die gesteckte Karte als Backup mitführen.
Beste Grüße aus dem heißen Norden,
Klaus Igel
Hallo Olaf,
in der Tat, DiPocket macht einen guten Eindruck. Vermute aber, dass es am Ende etwas für Payment-Freaks bleibt wenn nicht entscheidende Mehrwerte dazukommen, oder?
VG
Klaus
Hallo Klaus,
vielen Dank für deinen Testbericht. Deinem Kommentar und dem Ihren, Herr Mosen, stimme ich zu. Die Generation Smartphone haben die Banken längst verloren. Diese werden intuitiv Apple / Google Pay oder Wearables nutzen. In meinen Augen gibt es aber durchaus Potential bei den Online-Banking Kunden. Eine weitere Zielgruppe sind die Kunden, die den Banken mehr Vertrauen als Google und Apple. Ich sehe daher Platz für alle drei Verfahren. Jeder bedient eine eigene Klientel und am Ende profitieren wir hoffentlich alle in der Form, dass die Möglichkeit mit Karte / Smartphone / Wearable zu Bezahlen eine Selbstverständlichkeit wird. Nicht wie heute, wo man den Restaurant Besucht planen und immer ein Backup dabei haben muss ;-)
Beste Grüße und schönes Wochenende,
Denise Brauch
Zum Thema DiPocket sei angemerkt, dass man dort – zumindest Stand heute – kein CDCVM unterstützt, sondrry, wie bei Girocard mobil, bei Beträgen über 25 Euro eine PIN am Terminal einzugeben ist.
Die Auffassung des Autoren, dass CDCVM gegenüber der herkömmlichen PIN-Eingabe sogar einen Nachteil sein könne, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Die Fingerabdruckscanner aller Mobiltelefone, die ich in den letzten Jahren benutzt habe, besitzen Erkennungsraten nahe 100%, so dass es ein völlig intuitiver Prozess ist, das Smartphone aus der Tasche zu nehmen und dabei direkt den Finger auf den Scanner zu legen. Somit gibt es eindeutig eine Zeitersparnis gegenüber der PIN-Eingabe am Terminal. Noch klarer wird der Vorteil mit Smartwatches, die quasi permanent authentifiziert bleiben, solange man sie nicht ablegt.
Danke für dein Feedback und ich denke wir haben zu dem Thema eine sehr ähnliche Einschätzung, liebe Denise.
Das Potential der Bankenlösungen liegt mE bei den technikaffinen Kunden zwischen 30-60 Jahren.
Gefährlich wird es wenn weitere Banken mit hoher Reichweite dem Beispiel der Comdirect/Commerzbank folgen und plötzlich Fremdgehen.
Viele Grüße und einen schönen Sonntag!
Klaus
@JanW – bei Apple Device / Smart Watches sind wir uns einig, da ist CDCVM deutlich angenehmer als eine separate PIN Eingabe am Terminal. Grundsätzlich ist das Problem „Fingerprint Erkennung“ aber keines, das ich mir ausgedacht habe. Nicht umsonst ist das Netz voll mit Artikel zur Optimierung des Fingerprint-Sensors, z.B. hier http://www.areamobile.de/tipps/36549-fingerabdrucksensor-des-smartphones-optimieren
@Klaus Igel: ich bestreite ja nicht, dass es Handys gibt, deren Fingerprint Sensor nicht das Gelbe vom Ei ist. Aber meiner Meinung nach ist das ein Problem, das zunehmend in die Vergangenheit rückt. Etwas hochwertigere Geräte der letzten 3 Jahre – ganz billige Geräte unterstützen in der Regel sowieso kein NFC – machen in der Regel wirklich keine Probleme beim Lesen des Fingerabdrucks. An der Kasse, kurz bevor ich mit dem Bezahlen dran bin, hole ich, wenn es um einen größeren Betrag geht, der nicht mehr ohne Authentifizierung zu bezahlen ist, ganz automatisch mein Handy raus und lege den Finger auf den Fingerabdrucksensor. Im Ausnahmefall muss braucht es zwei Anläufe zum Entsperren, die in Summe aber auch nicht länger als 1,5 Sekunden dauern. Selbst wenn im Einzelfall mal ein Entsperrmuster oder -code am Handy nötig sein sollte, ist das doch der weitaus routiniertere Vorgang, als die Eingabe einer Karten-PIN. Ich wage zu behaupten, dass fast jeder schon mal Probleme hatte, sich eine Karten-PIN einzuprägen oder diese gar vergessen hat. Beim Entsperren des Handys dürfte das weitaus seltener passieren.
Guter Testbericht. DiPocket geht übrigens auch sehr gut und ist schnell eingerichtet bei Googlepay und es gibt eine Debutkarte kostenlos dazu. Aufladen per KK auch kostenlos.