Auch wenn FIDA noch nicht verabschiedet wurde, sollte die Finanzbranche nicht auf sie warten. Es gilt jetzt, datengetrieben zu arbeiten – auch, um die KI zu befähigen.
Eigentlich wollte ich hier zum Start in die Herbstsaison meckern. Das können Berliner und Berlinerinnen ja bekanntlich gut. Darüber, dass digitale Innovation, Daten und KI im Bankensektor immer noch zu langsam und nicht sichtbar sind. Darüber, dass den Start-Ups so viele Hürden in den Weg gelegt werden und regulierte Tech-Unternehmen es bei Finanzierungen oft schwer haben.
Stattdessen sage ich, was ich mir wünsche: mehr echte Arbeit an Produkten, an innovativen Kundenangeboten – von etablierten Playern, nicht nur von Start-ups. Gerade jetztwäre es Zeit für Beratung und Vermögensaufbau, die sprechen und handeln und sich an Lebensplänen statt an Mindestvermögen orientieren. Ein vorsichtiger Einstieg mit Sparprodukten ist ökonomisch nachvollziehbar. Aber nach Jahren der Vorbereitung hätte ich mir mehr Mut gewünscht.
Andere machen Tempo – und daran können wir uns orientieren: International zeigen Player wie Openbank mit KI-Prognosen und Revolut mit einem KI-Berater im Vereinigten Königreich, dass Geschwindigkeit möglich ist. Auch in Deutschland entstehen kluge Kooperationen sowie Initiativen rund um Wallets und digitale Identität. Das sind gute Signale – nur: Aus der Finanzberatung, Wealth- und Private-Banking höre ich weiterhin zu wenig.
Nicht auf FIDA warten
Die Vorsicht ist unbegründet, denn datentechnisch geht heute schon viel. Zum Start braucht KI keine perfekten, vollständigen Informationen: Mit internen Quellen, PSD2-APIs und nutzerautorisierten Fremddaten lassen sich Betas bauen, testen und lernen. Für die Skalierung braucht es dann standardisierte, regulierte Daten und sauberes Consent-Management – aus Gründen von Audit, Haftung und Vertrauen. Kurz: Nicht auf FIDA und damit auf einen umfassenden Datensatz für Kunden warten. Oder umgekehrt auf die regulatorische Pflicht, Daten bereit zu stellen. Sondern machen.
Technisch ist vieles heute möglich. Ich sehe das in meiner Arbeit: Conversational AI und KI-gestützte Kategorisierung liefern bereits sehr gute Ergebnisse; Agenten werden durch den Zugriff auf consent-basierte Open-Banking-Daten im MCP-Layer handlungsfähig. Natürlich müssen KI-Governance, Ethik, Sicherheit und Compliance sitzen, wenn man skaliert – und der Dialog mit dem Regulator bleibt Pflicht, gerade bei maschinengenerierter Beratung und Agenten.
KI-gestützte Finanzberatung schon für kleine Vermögen
Open Finance wird zur starken Grundlage für KI-gestützte Anlage, Beratung und Finanzbildung. Beratung wird skalierbar und persönlicher zugleich, weil Mensch und Maschine zusammenspielen. Für Berater:innen entstehen echte Freiräume: KI-Copiloten bereiten Dossiers vor, übernehmen die Terminvereinbarung, setzen Open Finance-getriebene Impulse zu Veränderungen, strukturieren Daten, schlagen „Next Best Actions“ vor und simulieren Optionen – die Entscheidung und Beziehung bleibt beim Menschen.
Dafür braucht es weniger Menschen pro Kunde und mehr Autonomie auf Kundenseite. Generative, “conversational” KI wird unverzichtbar: Ein:e Berater:in kann mehr Kund:innen betreuen; auch kleinere Vermögen werden wirtschaftlich attraktiv. In der Finanzberatung gilt oft noch: „Wer mehr hat, bekommt mehr.“ Ich sehe eine Zukunft, in der dieser Satz nicht mehr gilt. Wir müssen mehr Menschen Zugang zu guten Angeboten geben – orientiert an Lebensplänen, nicht an Mindestvermögen. So können mehr Kund:innen betreut werden, auch mit kleinerem Einzelvermögen, ohne Qualitätsverlust und mit transparentem Pricing. Wer jetzt die innere Fabrik ordnet und Governance als Lenkung versteht, kann an der Kundenschnittstelle mutig werden – mit Angeboten, die sprechen und handeln, ohne Vertrauen zu verspielen.
Warum der Mensch in der Schleife bleiben muss
Und die Datenlage stützt das Hybrid-Modell: Für maßgeschneiderte Finanzplanung vertrauen Kund:innen weiterhin klar Menschen (z. B. Ruhestandsplanung 56 Prozent vs. 13 Prozent KI); zugleich würden 47 Prozent am liebsten mit einer Beratung arbeiten, die KI kompetent einsetzt 1. Parallel nutzen viele KI bereits im Alltag – für Finanzinformationen greifen jedoch bislang nur drei Prozent % auf Chatbots und drei Prozent auf Robo-Advisor-Apps zurück; Top-Hürden sind Misstrauen und Unkenntnis 2. Hybrid schlägt Solo-KI.
Bis FIDA gilt, müssen wichtige Erfahrungen gesammelt werden
„Ach, ehe FIDA kommt … wir haben doch noch Zeit.“ – Nein. Die nächsten drei Jahre sind keine Wartezeit, sondern die Phase, in der sich die Regeln klären, die Technik sich exponentiell weiterentwickelt die Umsetzung erwachsen wird. Was heute mühsam wirkt, erscheint 2028 normal. Und in den Unternehmen und Banken selbst verschiebt sich der Schwerpunkt: weg von Piloten, hin zu Datenqualität, interner, sinnvoller Nutzung und am Arbeiten an einem Consent Management, das kundenzentrisch ist – die Kundenschnittstelle wird vollständig digital, Angebote, die sprechen und handeln, werden Alltag.
Muss deshalb alles sofort gebaut und lanciert werden? Nein. Aber etwas muss jetzt in Produktion – dort, wo Risiko, Lerneffekt und Nutzen zusammenkommen. Wer dieses Rückgrat baut, landet nicht in der MIT-Statistik der vielen KI-Projekte ohne messbaren P&L-Effekt 3 – und bringt Kundenseite später sicher live.
Und genau dann lohnt der Schritt nach vorn: So sichert man im demographischen Wandel den Kundenzugang. Wer weiter wartet, wird zur Infrastruktur für andere.
Ich fühle mich dabei wie ein Kind im Süßigkeiten-Selbstbedienungsparadies mit einer großen Tüte: glänzende Augen, zu viele gute Optionen. Für mich steht fest: Ich möchte bauen. Jetzt. Gemeinsam mit Regulatorik-Expert:innen, erfahrenen Finanzberater:innen und Vermögensverwaltern, mit Gen Z, Techies, Storytellern, Unternehmer:innen.