Interview mit Oliver Flaskämper, Gründer bitcoin.de
Hand aufs Herz: Wie viele schlaflose Nächte hatten Sie in den letzten Monaten?
Ich fand die letzten Monate gar nicht so beunruhigend. Es gab eine Abwärtsbewegung, stimmt, aber die Kursschwankungen werden uns noch eine Weile begleiten. Das ist der normale Wahnsinn. Entscheidend für mich ist, dass das Grundrauschen größer wird. Wir werden weiterhin eine starke Volatilität haben, aber langfristig werden wir es mit einem steigenden Kurs zu tun haben. Logarithmisch erkennt man, dass jedem Platzen einer Blase ein neuer Höchststand folgt. Viele Leute werden bald froh sein, in der aktuellen Phase nicht verkauft zu haben. Langfristig gesehen ist die Perspektive gut.
Woher nehmen Sie diesen Optimismus?
Wir reden hier von einem System und einer dahinter liegenden Technologie, die seit über 10 Jahren ohne größere Probleme funktioniert.
Wer an den Fortbestand und das Funktionieren dieser Technologie glaubt, den kann die aktuelle Entwicklung recht kalt lassen. Natürlich sind Kryptowährungen nichts für schwache Nerven oder für Fans von Sparbüchern. Für die private Altersvorsorge ist die Investition in Bitcoin nichts! Natürlich muss man wissen: Im Zweifelsfall kann das ganze Geld auch einfach weg sein.
Ab wann kommen Sie persönlich ins Schwitzen?
Für mich wäre bedenklich, wenn sich der Bitcoin der 1000 Dollar nähert oder darunter. Dann müsste tatsächlich etwas im Argen sein. Ein Szenario wäre es, wenn die OECD beispielsweise einer Staatengemeinschaft verbieten würde, Kryptowährungen zu verbieten. Das wären fundamentale Änderungen im Markt, die einen starken Vertrauensverlust in diese Währung bewirken würden. Doch ich denke, letztendlich lassen sich Kryptowährungen nicht wirksam verbieten. Technisch gesehen ist es kaum möglich, eine Regulierung durchzusetzen. Man kann es nicht verbieten, dass Menschen sich gegenseitig Kryptowährungen zuschicken. Ein Gesetz zum Verbot hätte wahrscheinlich genauso viel Wirksamkeit, als ob man die Schwerkraft verbieten wolle.
Aber Forderungen nach einer Regulierung gibt es immer wieder …
Das dezentrale Bitcoin-Netzwerk ist nicht regulierbar. Was reguliert werden kann, sind die Player, die Wechselstuben und die Zahlungsdienstleister. Diese Meinung teilt auch die Bafin ebenso wie die Notenbankchefin der Fed.
Wo verorten Sie zehn Jahre nach Einführung die Technologie Krypto-währungen?
Im Moment steigen die Hartgesottenen wieder in den Handel ein. Außerdem stehen wir vor der nächsten Welle. Gleichzeitig steht der Einstieg von institutionellen Investoren bevor. Für große Fonds war es bislang schwierig, über Direktinvestments in den Markt zu gehen.
Sie brauchen entsprechende Produkte wie Zertifikate, Optionsscheine und ETFs, und solche werden jetzt kommen. Selbst, wenn nur homöopathische Mengen den Fonds zur Verfügung stehenden Kapitals in den Kryptomarkt fließen, werden wir noch ganz andere Kurse sehen. Da ist noch viel Musik.
Wird der Bitcoin Ihrer Meinung nach Nummer eins unter den Kryptowährungen bleiben?
Wie überall wird es immer einen Marktführer geben. Bei staatlichen Währungen ist es der US-Dollar, bei Edelmetallen ist es Gold. Den wird es natürlich auch bei den Kryptowährungen geben. Ob es der Bitcoin bleibt? Dafür gibt es keine Garantie.
Was muss ein Marktführer in diesem Bereich mitbringen?
Die Haupteigenschaft von Kryptowährungen ist, dass die Menge beschränkt ist! Bei Bitcoin sind es maximal 21 Millionen Einheiten. Heißt: als Inhaber von Bitcoins besitze einen Teil einer ganz begrenzten Menge. Ein absolutes Killerfeature gegenüber staatlichen Währungen! Bei ihnen entscheidet ja letztendlich die Zentralbank, wie viele Euros über entsprechende Instrumente im Umlauf sind. Kurz gesagt: Kryptowährungen sind digitales Gold! Das Vertrauen in diese Seltenheit gibt Menschen das Vertrauen, diesen Dingen überhaupt einen Wert zuzuschreiben. Bitcoins waren zunächst völlig wertlos und haben ja erst einen Wert bekommen, als sich zwei Menschen einig darüber waren, dass sie doch einen gewissen Wert haben.
The Pizza Bitcoin Day:
Der 22. Mai 2010 markiert jenes Datum, an dem vermutlich die erste physische Ware per Bitcoin bezahlt wurde – für zwei Pizzen. 2010 überwies der Entwickler Laszlo Hanyecz rund 10.000 Bitcoins an einen anderen Nutzer des Bitcointalk-Forums, der damit wiederum zwei Pizzen für den Entwickler bestellt hat. Der damalige Wechselkurs war niedrig. Die Bitcoins waren damals rund 30 Euro wert.
Was sagen Sie 10 Jahre nach Bitcoin: Sprechen wir noch von einem Hype oder von Mainstream?
Kryptowährungen sind gekommen, um zu bleiben. Wir leben in einer digitalen Welt, die immer globaler und immer vernetzter wird und Kryptowährungen haben in einer solchen Welt eine Daseinsberechtigung. Von Hype kann man sicherlich nicht mehr sprechen, auch wenn viele das noch gerne tun. Vergleiche mit dem Tulpen-Hype im 17. Jahrhundert passen schon lange nicht mehr. Kryptowährungen haben sich etabliert und werden in einigen Jahren so real sein wie das Internet selbst. Jeder wird sie in unterschiedlicher Form im digitalen Wallet haben. Wir werden lernen müssen, dass digitale Dinge einen Wert bekommen. Die jüngere Generation wird damit kein Problem mehr haben!
Wie lange schätzen Sie die Übergangszeit ein, bis Kryptowährungen als Zahlungsmittel völlig normal sein werden und vielleicht sogar das Bargeld ersetzen?
Kryptowährungen werden staatliche Währungen nicht verdrängen, denn Staaten werden sich immer das Recht vorbehalten, Geld zu imitieren und Geld in seinem Geltungsbereich vorzuschreiben. Kryptowährungen werden immer eine Parallelwährung bleiben, aber das Bargeld wird es irgendwann nicht mehr geben.
Künftig werden native Währungen gefragt sein, die komplett digital sind. Bis sich das etabliert hat, werden noch zwei bis drei Jahrzehnte vergehen. Die Entwicklung wird sich stark beschleunigen, wenn staatliche Währungen oder Einlagesicherungssysteme unter Druck geraten oder fusionieren.
Viele werden dann merken, dass Kryptowährungen – ähnlich wie Gold – eine Möglichkeit sind, Geld und Vermögen zu sichern.
Raten Sie mir heute, Bitcoins zu kaufen?
Nein, dazu ist es doch zu riskant. Wer heute investiert, ist gut beraten, sich an einen Währungskorb zu halten und nicht alles auf eine Karte zu setzen. Ich kann zudem nur jedem empfehlen, parallel auf mehrere Kryptowährungen zu setzen.
In Deutschland gibt es verschwindend wenige Bitcoin-Automaten. Warum ist das so?
Das ist der Tatsache geschuldet, dass Deutschland über viele Jahre das einzige Land in der europäischen Union war, dass das Thema über die Bafin reguliert hat. Hier gab es seit 2011 eine Menge juristischen Klärungsbedarf. Bisher durften nur Banken Geldautomaten aufstellen. Wir planen jetzt über eine Bank, die wir vor drei Monaten gekauft haben, Automaten aufzustellen und haben die Erlaubnis für den Eigenhandel. Unser Ziel ist es, sehr schnell in allen großen Städten solche Automaten aufzustellen.
Was versprechen Sie sich davon?
Es ist ein guter Weg, um Menschen dieses Thema spielerisch näher zu bringen und es gleichzeitig stärker in die breite Masse zu tragen. Aber natürlich ist es auch ein Weg, um Geld zu verdienen. Es werden höhere Margen erzielt, sie liegen zwischen fünf und zehn Prozent. Bei klassischen Bitcoin-Börsen liegt diese nur bei 0,2 bis ein Prozent. Wie viel Volumen dahinter darüber läuft, wird man noch sehen müssen. Wenn wir sehen, dass sich das lohnt, werden wir schnell ausrollen.
„Durch eigene Automaten bringen wir den Menschen das Thema Bitcoin spielerisch näher und tragen es in die breite Masse.“
Die staatlich regulierte Börse Stuttgart steigt als erster Börsenbetreiber in den Bitcoin-Handel ein. Wie stehen Sie dazu, schließlich ist das eine riskante Wette in die Zukunft.
Vor dem Mut, dieses Experiment einzugehen, muss man den Hut ziehen. Es gibt viel zu gewinnen, aber auch viel zu verlieren. Es wurde viel Know-how eingesetzt, um ein Scheitern zu verhindern. Aber ja! Es gibt Restrisiken und als staatlich regulierte Börse könnte ein Scheitern erheblichen Flurschaden anrichten. Ich habe großen Respekt vor den Kollegen. Es ist echt ein Statement, dass eine staatlich beaufsichtigte Börse in den Bitcoin-Handel einsteigt und damit eine neue Asset-Klasse adelt!
Werden die anderen Börsen nachziehen?
Das ist völlig klar. Wie heißt es so schön: Am Anfang wird man ignoriert, dann belächelt, dann bekämpft und zum Schluss kopiert. Die Frage ist also nicht mehr „ob“, sondern „wann und wie“!
Zum Autor
Oliver Flaskämper gründete mehrere verschiedene eigenständige Unternehmen mit Internet-Geschäftsmodellen, wie z. B. geizkragen.de, content.de, nettolohn.de, semigator.de sowie bitcoin.de, dem einzigen regulierten Handelsplatz für Kryptowährungen in Deutschland mit einem Handelsvolumen von 1,5 Mrd. Euro im Jahr 2017.