Ein Jahresanfang ist stets der geeignete Moment zurückzuschauen auf die letzten 12 Monate mit ihren großen und kleinen Ereignissen. Neben all den politischen Themen, die uns 2021 umgetrieben haben, tat sich auch in der Rechtsprechung im Hinblick auf Themen aus dem Bereich, Finanzen, Payment und Banking Etliches.
Der Gesetzgeber war nicht untätig und hat Verordnungen erlassen, bestehende Regelwerke ergänzt und Urteile gefällt. Einige Punkte beleuchte ich in diesem Artikel unter juristischen Gesichtspunkten und ich wage zugleich einen (Aus-) Blick auf das Kommende.
Sustainable Finance ist in der Welt der Finanzen angekommen
Der Nachhaltigkeitsboom ist mittlerweile mit voller Wucht in der Welt der Finanzen und ihrer Regulierung angekommen. Auf allen Ebenen wird an der Transformation der Finanzmärkte hin zur „Sustainability“ gewerkelt.
Seit März findet das Gros der Offenlegungsverordnung Anwendung. Finanzmarktteilnehmer, wie die Verordnung Versicherer, Vermögensverwalter, Fondsmanager und viele mehr begrifflich zusammenfasst, sind nun verpflichtet anzugeben, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen wollen und welche Auswirkungen dieser Risiken sie auf die Rendite ihrer Finanzprodukte erwarten. Für größere Transparenz will der europäische Gesetzgeber auch bei Finanzprodukten, die mit ökologischen und sozialen Merkmalen beworben werden oder gar eine nachhaltige Investition anstreben (sog. Artikel-8 bzw. -9-Fonds), sorgen.
BaFin legt Entwurf für nachhaltige Investmentvermögen vor
Pünktlich zum neuen Jahr treten dann weitere Aspekte der Offenlegungs- und ein erster Teil der Taxonomieverordnung in Kraft. Spannend dürfte dabei insbesondere der gerade zwischen Deutschland und Frankreich gerade hochkochende Streit über die Einwertung der Atomenergie als nachhaltig werden. Hier prallen Welten aufeinander!
Die Europäische Kommission stellte zudem eine Ergänzung des MiFID II – Regelwerkes vor. Im Rahmen der Anlageberatung sollen nunmehr auch Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden erfragt und berücksichtigt werden. Dieser soll – wenn gewollt – einen Mindestanteil an nachhaltigen Anlagen für sein Portfolio festlegen können.
Auf nationaler Ebene legte die BaFin einen Entwurf für eine Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen vor. Soll ein Fonds namentlich oder im Vertrieb als nachhaltig bezeichnet werden, muss er den von der BaFin aufgestellten Anlagekriterien genügen. Die Aufsicht will mit diesem Schritt das weitverbreitete Greenwashing bekämpfen.
Steuerliche Behandlung von Kryptowährungen
Auf der gesetzgeberischen Seite war 2021 in Bezug auf Kryptowerte eher ruhig. Zwar trat im Juni das eWpG in Kraft, jedoch ist es (zunächst) beschränkt auf Inhaberschuldverschreibungen. Der Meilenstein der europäischen Krypto-Gesetzgebung, die Markets in Crypto Assets Regulation, kurz: MiCAR, wurde bereits 2020 vorgestellt und wird voraussichtlich Mitte 2022 in Kraft treten, um dann mit einer Übergangsfrist von weiteren 18 Monaten unmittelbar in den Mitgliedsstaaten Anwendung zu finden. Mehr war 2021 hingegen auf der steuerlichen Seite geboten.
Im Juni veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Entwurf eines Schreibens zur steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen und Token. Hierbei werden die steuerlichen Implikationen der „klassischen“ Krypto-Aktivitäten, wie dem Mining, Trading, Staking, Lending etc. dargestellt. Überrascht hat sicherlich die Qualifizierung des Minings als gewerbliche Tätigkeit mit der Folge, dass die (einjährige) Spekulationsfrist nicht einschlägig ist und sämtliche Veräußerungsgewinne der Besteuerung unterliegen. Über das Entwurfsstadium ist das Papier zwar bislang noch nicht hinausgekommen; grundlegende Änderungen sind trotzdem nicht mehr zu erwarten.
Für Aufsehen hat auch das Finanzgericht Baden-Württemberg mit einem im Juni veröffentlichten Urteil gesorgt. Das Gericht qualifizierte Kryptowährungen als Wirtschaftsgüter, so dass Veräußerungsgewinne innerhalb der Spekulationsfrist der Besteuerung unterliegen. Entgegen in der Fachliteratur häufig vertretener gegenteiliger Auffassungen sah das Gericht kein Vollzugsdefizit bei der Besteuerung solcher Gewinne, welches aus Fairness- und Gleichbehandlungsgründen einer Besteuerung entgegengestanden hätte. Jetzt ist der Bundesfinanzhof gefragt; seine Entscheidung darf mit Spannung erwartet werden.
Weiterhin unklarer Umgang mit dem Thema Gutscheine
Auch im Bereich der (zahlungsdiensteaufsichtrechtlich höchst relevanten!) Gutscheine war die Diskussion vornehmlich steuerlich getriggert. Der Erhalt von Gutscheinen vom Arbeitgeber unterliegt als Sachbezug nur der eingeschränkten Besteuerung. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Ausgabe des Gutscheins unter den Ausnahmetatbestand des ZAG fällt. Obwohl es sich hier (eigentlich) um eine rein aufsichtsrechtliche (Vor-)Frage handelt, wenden die Finanzämter flächendeckend völlig andere Definitionen wie die BaFin an, was die praktische Handhabung nicht unbedingt vereinfacht. Leider brachte auch ein BMF-Schreiben nur bedingt Licht ins Dunkel, so dass das Thema weiterhin bei Arbeitgebern, Anbietern von Gutscheinen und ihren Rechts- und Steuerberatern auf der Agenda stehen dürfte.
Paradigmenwechsel beim Thema Geldwäsche
Der europäische Gesetzgeber nahm im vergangenen Jahr im Bereich der Geldwäschebekämpfung einen wahren Paradigmenwechsel vor. Bediente er sich bislang des Instruments der Richtlinie, die erst noch von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen ist, griff er nun mit seinem „AML Package“ weitgehend zur Verordnung, die unmittelbar auch ohne nationalen Umsetzungsakt greift. Ein Schelm, wer angesichts mehrerer Vertragsverletzungsverfahren zur 4. Geldwäscherichtline (aktuell ist die fünfte!) Arges dabei denkt!
Breite Medienöffentlichkeit erfuhr der Vorschlag der EU-Kommission 2021. Bartransaktionen von mehr als 10.000 Euro generell zu verbieten. Dagegen dürfte das Ansinnen der Gründung einer europäischen Zentralbehörde zur Bekämpfung von Geldwäsche (AMLA) eher ein Thema für Kenner (und Liebhaber) der Materie sein.
Ansatz könnte sich als problematisch herausstellen
Mit dem All-Crime-Ansatz, der Qualifizierung jedweder Straftat als Vortat einer Geldwäsche, hat der deutsche Gesetzgeber seiner – wie wir seit dem Wahlkampf wissen – eh schon überlasteten Financial Intelligence Unit (FIU) ein Danaergeschenk bereitet. Konsequent umgesetzt führt die neue Rechtslage zu einer enormen Steigerung der Verdachtsmeldungen und dürfte die FIU so erst richtig lahmlegen. Zumal der Erkenntniswert der allermeisten Meldungen mehr als dürftig ist. Hämisch ließe sich sagen, das komme eben davon, wenn man als Gesetzgeber Fachkreisen kein Gehör schenkt. Für das kommende Jahr wäre hier eine einschränkende Klarstellung von BaFin und FIU oder gar ein abermaliger Eingriff des Gesetzgebers selbst wünschenswert.
Neues AGB-Urteil erweist Bankkunden einen Bärendienst
Aus Sicht mancher – ansonsten eher vornehm zurückhaltender – juristischer Kommentatoren hat den Vogel des Jahres der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit seinem berühmt-berüchtigten AGB-Urteil abgeschossen. Der Senat erachtete die Zustimmungsfiktion bei Änderungen der Bank-AGBs für unwirksam. Folge ist, dass nun jeder Bankkunde jeder Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich zustimmen muss. Die Papierindustrie wird es dem BGH danken! Der vielleicht beste Vorschlag aller – oft selbst kritikwürdigen – Kritiken ist die Aufforderung an den Gesetzeber, hier korrigierend einzugreifen.
Über den Autor:
Dr. Jörg Streißle ist Of Counsel bei der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort München. Er berät schwerpunktmäßig nationale und internationale Banken und Finanzdienstleister zu aufsichts-, zivil- und gesellschaftsrechtlichen Themen.