Klarna war nach den Boomjahren in eine schwere Krise gestürzt. Jetzt ist das Start-up wieder da, mit neuen Zahlen und einer neuartigen Börsenstory: Reich dank Künstlicher Intelligenz. Wie der Turnaround gelang.
Es gab diesen Moment in der Firmengeschichte von Klarna, in der alles einzustürzen drohte. In der die Erzählung vom einzigartigen Fintech mit den Riesengewinnen verblasste und sich die Frage stellte: Wie will Klarna das denn wieder gerade rücken? Dieser Moment liegt ziemlich genau zwei Jahre zurück. Damals, im September 2022, stellte Klarna gerade seine Halbjahreszahlen vor und die waren miserabel. Statt tollen Wachstumszahlen und hohen Gewinnen fanden Aktionäre einen fetten Millionenverlust. Das Start-up sah sich gezwungen, hunderte Mitarbeiter zu entlassen und dann war da noch diese Finanzierungsrunde aus dem Juli 2022: ein Debakel. Denn erstmals in seiner Geschichte war das Start-up danach nicht mehr, sondern weniger wert. Sehr viel weniger. Zwar sammelte Klarna 800 Millionen Euro ein, doch fiel der Wert von Klarna von mehr als 40 Milliarden US-Dollar auf nicht einmal mehr sieben Milliarden US-Dollar. Die restlichen 33 Milliarden US-Dollar? Mit nur einem Fingerschnips vernichtet.
Klarna 2022: Von der Hoffnung zum Sorgenkind
Die Gründe dafür waren vielschichtig: Zum ersten hatte Klarna stark auf Expansion gesetzt und dafür viel mehr Mitarbeiter:innen eingestellt als nötig. Zum zweiten hatte das schwedische Fintech aufgrund des billigen Geldes am Markt unnötigerweise auf starke Expansion gesetzt und so viel Geld verbrannt. Und zum dritten kamen externe Faktoren hinzu. Gestörte Lieferketten, Corona-Krise, Zinswende und Inflation: All diese Themen machten Investoren unsicher. Dass Klarna ausgerechnet zu dieser Zeit neues Geld brauchte: ein bisschen Pech, ein bisschen falsch kalkuliert. Doch so kam es, dass Klarna 2022 plötzlich vom schwedischen Hoffnungsträger zum Sorgenkind wurde. Zum Start-up, das abstürzte.
Die Neuerfindung von Klarna
Es war mutmaßlich in dieser Zeit, als Chef und Gründer Sebastian Siemiatkowski den Plan gefasst haben muss, alles auf den Kopf zu stellen. Und das mit Erfolg. Denn zwei Jahre und etliche Ankündigungen später ist Klarna zurück in der Gewinnzone. Der Halbjahresbericht von 2024 offenbarte ein Umsatzwachstum von 27 Prozent und erstmals seit Jahren wieder einen – immerhin adjustierten – Gewinn in Höhe von fast 62 Millionen Euro. In der Tendenz könnten sich die Zahlen bis zum Jahresende sogar noch verbessern und Klarna damit eine optimale Basis für den anvisierten Börsengang bieten. Zwar ist bisher kein genauer Plan öffentlich geworden, doch gehen Beobachter von einem Listing noch im Jahr 2025 aus. Eine Bewertung von 15 bis 20 Milliarden US-Dollar scheint realistisch. Und all das, weil Siemiatkowski im Herbst 2022 den Plan fasste, alles auf eine Karte zu setzen: Künstliche Intelligenz.
Klarna setzt auf KI – und spart Arbeit
Sie soll, so heißt es im Halbjahresbericht an diversen Stellen, der ganz große Durchbruch für das Start-up sein. Denn dank KI könne man viele Personalkosten sparen, pro Kopf effizienter werden und dann dank höherer Gehälter wiederum bessere Mitarbeiter anlocken, die dann wieder höhere Gewinne einfahren würden. Es ist das Gegenteil eines Teufelskreises, den sich Klarna da gerade ausmalt und der viele Mitarbeiter in den kommenden Monaten den Job kosten dürfte. Denn das Start-up hat seine Belegschaft von einst 5.000 auf nunmehr 3.800 Mitarbeiter:innen reduziert. Mittelfristig sollen noch einmal fast die Hälfte der verbliebenen Stellen wegfallen, erzählt Chef Siemiatkowski gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Übrig bleiben würden bis zum Börsengang gerade einmal 2.000 Mitarbeiter:innen, den Rest will Klarna bis dahin mithilfe Künstlicher Intelligenz ersetzt haben.
Dass das ein durchaus realistischer Plan ist, lässt sich anhand der bisherigen Erfolge von Klarna illustrieren. So hat das schwedische Unicorn bereits Anfang des Jahres für Aufsehen gesorgt, als es sagte, dass es die Äquivalenz der Arbeit von 700 Servicemitarbeiter:innen durch einen KI-Chatbot ersetzt habe. Expert:innen betrachteten die Aussage damals durchaus kritisch: Kann so ein Chatbot wirklich die Anliegen der Menschen lösen, wenn es um teils komplizierte Sachverhalte wie Ratenkredite geht? Sechs Monate später ist klar: Sie kann, zumindest auf dem Papier. Denn wie Klarna in seinem Halbjahresbericht mitteilt, hat sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anfragen von durchschnittlich elf auf nun zwei Minuten reduziert, dazu sei die Kundenzufriedenheit mit den Antworten gestiegen. Auch der durchschnittliche Umsatz pro Kopf sei dank KI gestiegen, heißt es von Klarna.
Der Börsengang: Klarna könnte bald 20 Milliarden US-Dollar wert sein
Angefixt von diesen Erfolgsmeldungen dürfte das Start-up um Gründer Siemiatkowski den KI-Weg in den kommenden Monaten weitergehen und könnte das Fintech damit zu altem Ruhm führen. Immerhin war die Geschichte von Klarna lange eine sehr erfolgreiche: 2005 gegründet, schnell Investoren aus den USA gefunden, immer stark gewachsen. Im deutschen Markt machte Klarna sich schnell breit, übernahm SOFORT und sicherte sich so einen festen Platz im Online-Checkout der deutschen Händlerinnen und Händler. Doch auch andere Leistungen kamen hinzu. So bietet Klarna heute neben der reinen Zahlungsabwicklung auch die berühmt-berüchtigten BNPL-Kredite an, dazu ein Bankkonto, Kreditkarten und das, was Klarna selbst als „Super-App” gelabelt hat.
Lange Zeit gelang dem Start-up dank seines technologischen Fortschritts sogar der scheinbar unmögliche Spagat: starkes Wachstum und trotzdem Profitabilität. Dann kam der Absturz, der Rückschlag, die Downrunde und schließlich der Turnaround, der die Gründer und frühen Mitarbeiter bald unendlich reich machen dürfte. Immerhin verbessern die klugen Algorithmen nicht nur die Zahlen in den Bilanzen von Klarna. Sie geben inmitten des KI-Hypes um ChatGPT, Aleph Alpha und andere KI-Firmen auch eine hervorragende Börsenstory ab: Schaut her, wir sind das KI-Fintech, das profitabel ist. Genau diese Geschichte könnte es sein, die Aktionäre in der ganzen Welt begeistern und damit bei Klarna die Kassen klingeln lassen könnte. 2025 könnte es soweit sein.