KI for Everyone – Wie generative KI Finanzwissen demokratisieren kann

Im Fintech-Podcast spricht Nicole Nitsche mit Agnieszka Walorska, Gründerin von mika, darüber, wie generative KI helfen kann, Steuern verständlicher zu machen und warum Finanzwissen für alle zugänglich sein sollte.

Steuern gehören zu den großen Zumutungen unserer Zeit. Kaum ein Thema löst bei so vielen Menschen gleichzeitig Beklemmung, Unsicherheit und Überforderung aus. Zwischen Formularen, Fachsprache und Fristen verliert sich jedes Jahr eine enorme Menge an Lebenszeit und Energie. Für viele Selbstständige, Gründerinnen und kleine Unternehmen ist die Steuererklärung kein Verwaltungsvorgang, sondern ein psychologischer Ausnahmezustand.

Inmitten dieser Komplexität entsteht eine Bewegung, die Steuern nicht länger als Herrschaftswissen, sondern als alltägliche Kompetenz begreift. Eine ihrer zentralen Figuren ist Agnieszka Walorska, Gründerin und CEO des Berliner Start-ups mika. Ihre Arbeit dreht sich um eine Frage, die in Deutschland fast revolutionär klingt: Wie kann Technologie Menschen befähigen, anstatt sie zu überfordern?

Ihr Ziel ist, die Steuerwelt zu entzaubern und in verständliche, zugängliche Prozesse zu verwandeln. Sie glaubt, dass Technologie dort beginnt, menschlich zu werden, wo sie erklärt.

Mika nutzt sie generative künstliche Intelligenz, um Buchhaltung und Steuerabläufe zu vereinfachen. Das System erkennt Belege, kontiert automatisch, erstellt Berichte und übersetzt amtliche Schreiben in klare, verständliche Sprache. Was früher mühsame Handarbeit war, wird zu einem Prozess, der begleitet und aufklärt. Dabei richtet sich das Produkt bewusst an Gründerinnen und Gründer, die keine Finanzprofis sind. Es soll befähigen, nicht bevormunden.

Die Idee entstand aus einer sehr persönlichen Erfahrung. Walorska kam vor zwanzig Jahren aus Polen nach Deutschland. Sie erzählt, dass sie sich als junge Migrantin und Unternehmerin oft hilflos fühlte, gefangen in einem System aus Regeln, Formularen und Fachbegriffen. Diese Erfahrung hat ihr Denken geprägt. Ihr Unternehmen ist ihre Antwort auf eine Gesellschaft, in der Wissen und Zugang ungleich verteilt sind.

Ihr Ansatz ist so einfach wie radikal. Steuern sollen kein Privileg bleiben, das sich nur Menschen mit Beraterinnen, Zeit und Ressourcen leisten können. Finanzwissen soll demokratisiert werden. KI ist für sie kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um Hürden abzubauen und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

In einer Zeit, in der kleine Unternehmen einen erheblichen Teil ihres Umsatzes für Buchhaltung und Steuerberatung aufwenden, wird deutlich, wie groß die strukturelle Ungleichheit in diesem Bereich ist. Die Vision, die Walorska verfolgt, stellt diesem Missverhältnis etwas entgegen: eine technologische Übersetzerin zwischen Paragrafen und Praxis, zwischen Amtssprache und Alltagslogik.

Sie spricht von einer Zukunft, in der künstliche Intelligenz Bürokratie nicht nur beschleunigt, sondern verständlich macht. Eine Zukunft, in der Verwaltung nicht länger als Machtapparat, sondern als Service wahrgenommen wird. Vertrauen, sagt sie, sei das eigentliche UX-Problem des Staates. Wenn Menschen verstehen, wie ein System funktioniert, entsteht Akzeptanz.

Walorska gehört zu einer Generation von Gründerinnen, die Technologie und Verantwortung zusammendenken. Sichtbarkeit ist für sie kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um Themen wie Gleichberechtigung, Zugang und Fairness zu verankern. Ihre Haltung ist unaufgeregt, ihr Ziel eindeutig: Komplexität soll kein Machtinstrument bleiben.

Was sie entwirft, ist weit mehr als ein digitales Produkt. Es ist der Versuch, das Verhältnis von Mensch, Staat und Technologie neu zu definieren. Eine Erinnerung daran, dass Fortschritt nicht dort entsteht, wo Systeme schneller werden, sondern dort, wo sie verständlicher werden.

Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, KEX, Digifin).

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