Bei all den rasanten Fortschritten mit KI sollte man sich auch mal eine Auszeit gönnen und sich auf das Menschsein konzentrieren. Das muss kein Widerspruch zum Fortschritt sein.
Während ich mich immer tiefer in wirkliche KI Lösungen einfummle, versuche ich zu verstehen, wie KI Agenten auf Daten zugreifen, wie die aussehen müssen, wo und wie sie sich ihre Regeln zu ihrem Agieren abholen, wer für die KI haftet und welche wirklich wertgenerierenden Lösungen wir bauen können, ist ein großer Teil der Welt noch ganz weit weg von dieser Realität.
Zunächst einmal ist es verständlich, das manche Menschen dem Thema nichts abgewinnen können, weil KI im Alltag vieler noch keine Rolle spielt: Während sich Menschen wie ich damit beschäftigen, was heute alles schon technisch möglich und wie das realisierbar ist, beschäftigen sich andere mit den Problemen veralteter Computer und MS Office Installationen. Haben wir schlechtes Internet. Leben wir noch in der Zeit, wo „digital“ heißt, auf dem PC Formulare zu verarbeiten. Auch wenn ein Copilot heute in vielen Unternehmen Meetings transkribiert, zusammenfasst und Aufgaben zuweisen und nachhalten kann, so wird nur eine kleine Anzahl an Menschen Funktionen wie diese bereits nutzen (hat jemand Zahlen? Her damit!). Eines sollte uns also klar sein: Wir leben in einer Bubble.
Und wie bei allen großen Fortschrittsbewegungen gibt es auch Menschen, die berechtigte Ängste haben; Menschen, die sich bereits mit mobilen Dienstleistungen überfordert fühlen oder einen Wissensnachteil haben. Außerdem gibt es noch andere, für die meisten viel verständlichere Probleme – vor allem im Finanzsektor: Der Fachkräftemangel macht sich hier bemerkbar, etwa bei fehlenden Entwicklerinnen und Entwicklern, die Kenntnissen über die mittlerweile 60 Jahre alten Finanzprogrammiersprache COBOL haben. Gleichzeitig streichen Unternehmen massiv Stellen, aber nicht aufgrund von Automatisierung. Sind wir da also mit unserer Realität schon viel zu weit vorgeprescht?
Wir brauchen mehr Menschlichkeit
Die Schlagzahl erhöht sich weiterhin enorm, während der Mensch die Aufgaben erfüllt, für die er weiterhin relevant bleibt. Natürlich: Wir benötigen mehr digitale Bildung, wir müssen Menschen mitnehmen, konstruktive Dialoge führen, Sorgen verstehen, Ängste beschwichtigen und ernst nehmen, aber auch überlegen, wen man mitnehmen kann, wenn man den Fortschritt möchte, und wen eben nicht.
Wenn euch, wie mir, da auch manchmal schwindelig wird. Wenn schon wieder die nächste KI Innovation gelauncht wird, nachdem ihr euch gerade mit bestimmten Tools oder Prompts angefreundet hattet. Wenn ihr vor lauter Optimierung, schneller Content-Erstellung, und Konsum von mehr und immer mehr Information auch manchmal glaubt, euer Gehirn explodiert. Dann ist es vielleicht an der Zeit, mal wieder mehr „Mensch“ zu sein.
Zu hören, zu fühlen, tiefe Gespräche zu führen, ehrlich in sich selbst hineinzuhören, bewusst zu überlegen wer man ist (auch wenn immer mehr Menschen sich in lebensverändernden Situationen von ChatGPT beraten lassen oder Avatare von sich erstellen), auf Wasser oder Berge zu schauen, Menschen anzurufen und sie ehrlich zu fragen wie es ihnen geht, laut Musik zu hören, zu lachen und mal leichtsinnig und albern zu sein. Denn es ist das „Menschsein“, die Fähigkeit, andere Menschen zusammen zu bringen, in guten und schlechten Zeiten, sie zu motivieren, mitzunehmen, sich mit ihnen zu beschäftigen, wirkliches Interesse zu haben, und die immer komplexere Welt für sie in Kontext zu bringen, was uns in einer datengetriebenen KI-Welt relevant hält.
Sommerpause fürs System
Und das ist nicht nur hilfreich, um die Möglichkeiten und Fortschritte für sich selbst zu sortieren, sondern sollte von uns aus der Bubble auch mal mit in den Alltag mitgenommen werden. Und das muss durchaus nicht heißen, von der Entwicklung abgehängt zu werden. Der US-Professor Scott Galloway hat in einem seiner Newsletter auf den Punkt gebracht, was seiner Ansicht nach dauerhaft gefragte menschliche Fähigkeiten im Zeitalter von KI sind: Neugier, Kontextualisierung, Konnektivität. Also: mehr Menschlichkeit!
Gerade auf diese Eigenschaften kann man sich im Urlaub gut zurückbesinnen. Mit unterschiedlichen Menschen, alt und jung, mit diversen Blickwinkeln und vielleicht auch einfach mal mit einem Durchatmen allein, ganz für euch. Vielleicht können wir uns bald durch unseren eigenen KI-Agenten während des Urlaubs vertreten lassen. Ganz so weit sind wir aber noch nicht. Bis dahin hilft es, auch einfach mal auf Pause zu drücken und den Zug der Entwicklung zumindest für eine kurze Zeit an einem vorbeiziehen zu lassen.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen wunderbaren Sommer, liebe Community, mit weniger Zeit an Bildschirmen und mehr Erlebnisse im Sein. Wenn wir uns im Herbst wiedersehen kommen auch wieder die mahnenden Aufrufe and CXOs, Politik, Regulatoren etc. – aber bis dahin: Lasst uns Menschen sein, bei aller Innovations- und Technikbegeisterung.