Wow, sie haben es tatsächlich geschafft: Die Sparkassen-Finanzgruppe kündigte den Start der Girocard in Apple Pay an. Die Unterstützung der Girocard wurde ja schon lange erwartet, aber es war nicht klar, wann es nun genau kommt. Jetzt wissen wir es: in diesem Sommer! Je nachdem wer in der Industrie gefragt wurde, lag die Verzögerung entweder an Apple oder am eigenen Rechenzentrum. Am Ende ist es aber völlig egal: Die Girocard kommt in Apple Pay. Es ist wohl eine Genugtuung für die Sparkassen nun die erste Bankengruppe zu sein mit der Girocard in Apple Pay und damit der Abdeckung der ganzen Bandbreite des deutschen Kartengeschäfts. So zeigte Apple zwar Muskeln und bewies, dass Apple Pay wider öffentlicher Aussagen der Sparkassen auch ohne diese ein großer Erfolg in Deutschland sein kann.

Aber die Sparkassen lassen nun vor allem die Genossenschaftsbanken alt aussehen. Diese scheinen vom Move kalt erwischt worden sein und raten Kunden sogar zum Wechsel auf Android. Auf so etwas muss man erst einmal kommen! Die VRs machten bei Apple Pay ohnehin keine gute Figur. Sie sprangen nicht nur deutlich später auf den Apple Pay Zug auf und verpassten ihr Versprechen des 2019er Starts massiv. Sie haben nun gegenüber den Sparkassen einen gravierenden Nachteil ihrer Debitstrategie für Apple Pay. Keine Glanzleistung!

Die Payment-Fachwelt reibt sich bekanntlich stark am Produkt Girocard, weil viele Innovationen im Vergleich zu anderen Ländern zum Teil erst um Jahre verzögert oder gar nicht kommen aufgrund des deutschen, begrenzten Sonderwegs. Die eigentlich selbstverständliche Onlinefähigkeit ist bis heute nicht bei der Girocard gegeben, trotz mehrerer geplatzten Ankündigungen in den letzten zwei Jahrzehnten.

Girocard in Apple Pay

Das Kartenprodukt Girocard wirkt deswegen irgendwie seltsam entrückt aus der modernen Paymentwelt. Es scheint wie ein lieb gewonnenes aber doch sehr angestaubtes Relikt längst vergangener, besserer Tage im Banking. Es ist eines der wenigen Produkte deutscher Banken und Sparkassen, das bis heute marktfern von den eigentlichen Anwendern primär durch Gremien und Verbandstechnokraten der Kreditwirtschaft verantwortet und weiter entwickelt wird. Diese Angestaubtheit von abwechselnd federführenden Lobbyverbänden wirkt stark auf das Produkt durch.

Die Girocard wird so auf der einen Seite immer etwas belächelt und spürt auf der anderen Seite längst den Wettbewerb zeitgemäßerer Produkte wie Mastercard Debit und VISA Debit. Für den Endkunden in Deutschland ist sie trotz aller Unkenrufe aber immer noch die wichtigste Karte mit der stärksten Nutzung und dem größten Akzeptanznetz. Dabei ist den Kunden völlig egal, dass das Produkt schon lange Girocard heißt, denn bis heute ist diese als “Scheckkarte” oder “ec-Karte” in den Köpfen verankert. Die Liebe gilt nicht der Girocard an sich, sondern der bloßen Funktion der Debitkarte. Die Sparkassen haben daher vorbildlich und konsequent von den Kunden gedacht und deren primäre und wichtigste Zahlkarte in Apple Pay gebracht. Die Kunden werden es vermutlich mit einer sehr starken Nutzung danken.

Spannend wird zu sehen wie Apple mit den Sparkassen und der Girocard das Online- und In-App-Akzeptanzproblem gelöst hat. Heute ist Apple Pay selbstredend auch bei einer Vielzahl namhafter Onlinehändlern und Plattformen nutzbar. Die seit Jahren verschlafene Onlinefähigkeit der Girocard steht dem jedoch komplett entgegen. Gerade Apple mit ihrem Fokus auf nahtlose und kanal- und geräteübergreifende Kundenerfahrung werden wohl keinen faulen Kompromiss und Verwirrung im Akzeptantbranding von Apple Pay zulassen.

Es ist daher kaum vorstellbar, dass die Girocard im Sommer ausschließlich bei stationären Apple Pay Akzeptanzstellen funktioniert. Ebenso ist nicht vorstellbar, dass die Sparkassen es geräuschlos schafften allen nicht-stationären Apple Pay Händler mit Girocardverträgen auszustatten. Wir dürfen gespannt sein, wie die Sparkassen dieses Dilemma gelöst haben.


Was ist die Meinung der Payment & Banking Autoren zur Ankündigung der Sparkassen?

Kilian Thalhammer

Es ist schon witzig – Apple Pay dafür zu nutzen die “funktionalen Unzulänglichkeiten” der Girocard zu schließen (wofür man Jahre Zeit hatte) – z.B. die Online Fähigkeit, trotz der für mich noch ungeklärten “Problematik” der Akzeptanz, vielleicht kommt man hier doch noch mal zu einem Schulterschluss mit der Lastschrift. Und nun Apple als Verbündeter gegen die Schemes? Wenn man das ganze weiterspinnt, auch International, kann Apple Pay die “Rettung” der totgesagten Local Schemes sein. Und weiter gedacht ist das ein “Blueprint” für EPI?

Girocard in Apple Pay

Deutschland als Vorreiter? Ich würde es mir wünschen. Aber auch nüchtern und auf mich selbst projiziert betrachtet: ändert es mein Verhalten? Nein. Nutze ich nun mehr die Girocard? Nein. Kann man darauf auf die Masse schließen) Nein. Auch Apple Pay ist nicht “die Welt” – interessanter ist auch die Frage wie reagieren Google, Samsung, Huawei (ja :-)) und auch Alipay/WeChat, mit den internationalen Ambitionen?

Payment wird nicht langweilig

Maik Klotz

Ein guter Move von der Sparkasse. Zweimal etwas Fame von Apple abbekommen, weil sie ein mobiles Bezahlverfahren unterstützen, welches sie über Jahre blockiert haben. Ansonsten ist die Integration der Girocard für die Konsumenten erst einmal bequem und fischt auch die Kunden ab, die bisher keine Kreditkarte hatten. Viele dürften das aber nicht sein, denn wer ein iPhone nutzt und im Apple Ökosystem unterwegs ist, dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Kreditkarte haben. Und wer unbedingt Apple Pay hat nutzen wollen, für den oder die gab es und gibt es Alternativen.

Trotzdem: über 40 Millionen Girocards zu unterstützen ist natürlich nicht das Schlimmste. Die Sparkasse kann sich feiern, es sei ihr gegönnt. Für Konsumenten ist das erst mal schön, solange sie nicht auf die Idee kommen Apple Pay dort einsetzen zu wollen, wo Apple Pay in der Kombination mit der Girocard nicht geht – z.B. im E-Commerce. Und überhaupt: stärkt man mit solchen Aktionen nicht ausgerechnet die Protagonisten, die man ja eigentlich gar nicht stärken sollte? Die Wallet von Apple wird stärker, kann schon Kreditkarte, Autoschlüssel und Girocard der Sparkasse.

Girocard in Apple Pay

Will man bei der Sparkasse eine starke Wallet, die irgendwann auch Idenity kann vor dem Hintergrund, dass man ja eigentlich auf andere Pferde setzt? Auch versucht man mit einer europäischen Bezahllösung (EPI) ja ein eigenes Scheme zu entwickeln und stärkt gleichzeitig ein Multichannel-Verfahren wie Apple Pay? Welche Strategie verfolgt man genau? Wie schnell man für etwas Fame seine eigenen Ziele vergisst. Oh.. Ein Schmetterling.

Marcus Mosen

Die Sparkassen haben aktuell einen Lauf: mit der Girocard im Wallet machen sie Apple Pay auf einen Schlag für Millionen von Girocard-Kunden mit iPhone am POS super attraktiv. Nebenbei machen die Sparkassen ihr schon etwas in die Jahre gekommenes “Kwitt” bei den Privatbanken salonfähig, wahrscheinlich für gutes Geld. Wenn das nicht mal zwei super Deals sind! Chapeau!


Ob das Bezahlen mit dem iPhone dann auch im Internet oder in In-App-Lösungen genauso funktioniert, wie beim Einsatz einer Mastercard Debit oder Visa Debit im Wallet, steht auf einem ganz anderen Blatt! Wenn die Omnichannelfähigkeit auch noch umgesetzt wird, dann haben sich die Hausaufgaben im #DK Projekt schon fast selbst erledigt. Die Brands “Paydirekt” und “Giropay” können eingestampft werden, und die Girocard kann als Unicorn in die neue European Payment Initiative (EPI) eingebracht werden. Die Krux ist nur, dass die Genossen und die Privatbanken nicht mitspielen. Denn es steht die Frage im Raum, warum man in einer globalen Plattform (Apple) eine nationale Karte “EC-Karte” einbindet.

Girocard in Apple Pay

Den digitalen Menschen, die in einem von allgegenwärtiger Digitalität und Mobilität geprägten Umfeld leben, wird das wohl kaum überzeugen. Denn diese Kunden bewegen sich oft in den sozialen Netzen und globalen Plattformen, und ob diese jetzt noch unbedingt einen Girocard-Akzeptanz haben wollen, muss noch bewiesen werden.

Für die PSP, die beabsichtigen dies umzusetzen, ist es eine gute Gelegenheit einen Implementierungszuschuss zu verlangen und die Integration der Girocard-Akzeptanz in einer “blended Rate” für sämtliche Debitkartenakzeptanzen dann den Onlinehändlern zu verkaufen. Ein “quick win” für den jeweiligen PSP sozusagen. Schau’n mer mal (ob die Rechnung aufgeht), würde der Kaiser sagen.

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