Finlium: Das steckt hinter dem Start-up

Finlium

Nur rund 17 Prozent der Deutschen legen ihr Geld in Wertpapieren an. Die Gründer des Fintechs Finlium wollen das ändern. Ihr Fonds soll acht Prozent Rendite im Jahr erwirtschaften und deutlich weniger schwanken. Wie das klappen soll.  

Ein Fintech, das nicht einmal eine App hat: Das kann nur schief gehen. Oder? Vier Berliner Wirtschaftsingenieure beweisen aktuell das Gegenteil. Die Finlium-Gründer räumten bei der PaymentandBanking-Wahl zum „Fintech des Jahres 2023“ ab. Im April diesen Jahres konnten sie sich in der zweiten Finanzierungsrunde rund 550.000 Euro sichern. Und nur rund ein Jahr nach dem Start ihres Kernprodukts, dem „Optionsstrategie-Fonds” (ISIN: DE000A3DQ202), ist dieser bereits rund 18 Millionen schwer. Da darf man sich mal kurz fragen: Bloß eine Schwärmerei oder doch was fürs Leben? Und: Entsteht hier gerade ein Fintech-Star?

Die Frage ist umso relevanter, wenn man sich anschaut, wer das Geld in den Fonds gesteckt hat. Denn investiert haben diese 18 Millionen Euro nicht große Investoren, sondern motivierte Erstanleger, die zuvor noch nicht einmal ein Depot besaßen. Genau das ist die Zielgruppe des Fonds: Börsenmuffel. „Wir haben nie verstanden, wieso so wenige Menschen investieren”, erzählt Carsten Mann (41), einer der vier Finlium-Gründer. Neobroker und Aktienboom in der Pandemie änderten daran auch nicht viel: Noch immer sind über 80 Prozent der Deutschen nicht an der Börse investiert, zumeist aus Angst, Sorge, Unsicherheit. Lieber verzichten sie auf Rendite, statt sich dem Risiko auszusetzen, Geld zu verlieren. 

Maximal 15 Prozent soll der Fonds nach unten ausschlagen

Finlium glaubt, einen Weg gefunden zu haben, sie doch noch aufs Parkett zu bringen. Das Start-up lockt dafür neben stabilen Wertzuwächsen damit, dass ihr Depot krisensicher sein soll. Jährlich acht Prozent sollen dabei herausspringen, also eine ähnliche Rendite wie beim wohl bekanntesten ETF, dem MSCI World im Schnitt. Doch mit geringerem Risiko. 

Maximal 15 Prozent, mehr soll der Finlium-Fonds nicht ins Minus rutschen, versprechen die Gründer auf ihrer Webseite.  Und Gründer Mann hofft: „Eigentlich wollen das doch die meisten: Eine aktienmarktähnliche Durchschnittsrendite ohne Achterbahnfahrt.” Doch warum sollten ausgerechnet vier Typen im Jahr 2024 die Zauberformel dafür gefunden haben? 

„Von Menschenhand wäre das nicht zu leisten”

Die Antwort ist: Technik. Seit 2018 tüfteln die vier an ihrem Algorithmus, analysierten 15 Jahre Finanzgeschichte, codeten erst nebenberuflich, ab 2021 dann Vollzeit. „In der Pandemie sahen wir live, was in einer nie dagewesenen Krise passiert. Unser Modell hielt stand und wir entschieden uns, unsere gut bezahlten unbefristeten Jobs zu kündigen”, erzählt Mann. „Alle haben uns davon abgeraten.” Trotzdem schafften sie es, über Bekannte rund eine Million Euro in den Fonds zu bekommen. „Das ist das Problem, wenn man einen Fonds auflegt: Es ist kein Produkt, das man testet und direkt sieht, ob es einem taugt. Es dauert Jahre, und ohne Vertrauen geht das nicht.”

Die Anleger können den Fonds nun wie einen ETF kaufen. Mithilfe des Algorithmus wollen die Gründer dann dafür sorgen, dass selbst bei fallenden Kursen weniger Geld verloren geht – und bestenfalls sogar eine Rendite erzielt wird. Dafür setzt das Start-up stark auf Aktien. Andererseits investiert Finlium Sicherheit in Anleihen mit festen Zinsen. Sie sollen das Risiko für das Fintech und die Anleger absichern.

„Übertriebene Seriosität führt zu Distanz und Berührungsängsten”

Das ganze mutet wie ein Mischfonds an und naja, das ist erst einmal nichts wahnsinnig Innovatives. Ebenso wenig die Frage, wie man so viel Rendite mit so wenig Risiko wie möglich bekommt, auch nicht. Die Technologie hinter Finlium allerdings ist neu: „Unsere Stabilität entsteht dadurch, dass der Algorithmus 24/7 arbeitet und eingreift, sobald sich etwas verändert”, erklärt Mann. „Manuell von einem Mensch wäre das gar nicht zu leisten, besonders nicht von kleinen Privatanlegern.” Und daher ist es auch nicht weit hergeholt, den Fonds als Fintech zu labeln, auch ohne App. 

Um neue Anleger zu finden, nutzen die vier auch soziale Netzwerke wie Instagram, über die sie Anleger erreichen, Finanzwissen teilen und sich nahbarer zeigen, als es in der Finanzwelt üblich ist. „Übertriebene Seriosität führt zu Distanz und Berührungsängsten”, findet Mann. “Und dazu, dass sich die wenigsten Menschen dem Thema annähern. Das wollen wir anders machen.” Ihr Instagram-Feed ist bunt, lebendig, emotional. Wie das Leben eben so ist. Für das will Finlium ein treuer Partner sein, eine Bilderbuch-Ehe führen: In guten wie in schlechten Zeiten. Im zurückliegenden ersten Jahr ging dieser Plan auch auf. Der Fonds erwirtschaftete durchschnittlich 8,5 Prozent. Die großen Kurssprünge nach oben machte er im Vergleich zum MSCI World nicht mit – allerdings auch nicht die Schwankungen nach unten. Die zwischenzeitlichen Verluste stiegen nie über ein Prozent. Ob Finlium auch außerhalb der Testphase fallende Kurse ohne größeren Schaden überstehen kann? Das wird sich wohl erst zeigen, wenn auf die guten die schlechten Zeiten folgen. 

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Autor

  • Isabel Fisch ist Journalistin im Journalistenbüro dreimaldrei und schreibt seit April 2024 regelmäßig für Payment & Banking.

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