FIDA tanzt Tango – es lebe Open Finance!

Die EU ringt im Namen der Entbürokratisierung mit der FiDA-Regulierung. Kurzfristig freut das die großen Banken, doch langfristig schadet es dem Standort Europa. Warum Open Finance trotzdem unabdingbar und unaufhaltsam ist.

Vor, zurück und nun wieder vor – Anfang der Woche sah zunächst so aus, als ob die EU-Ratspräsidentschaft die geplante Financial Data Access Regulation (FiDA) nicht weiter verfolgen wolle. Doch seit Dienstagnacht ist sie nun doch Teil der Pending Proposals auf dem Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2025. Grund für das Hin und Her war der Wunsch der EU, sich zu entbürokratisieren, da schien die vermeintlich komplexe Finanzregulierung ein guter Hebel. 

Richtig ist sicher, dass FiDA mit seinem straffen Zeitrahmen und der Industrie überlassenen Governance eine Herausforderung gewesen ist. Kritisch ist dabei insbesondere die Vorgabe, dass jeder Akteur aus dem Finanzbereich, der unter die FIDA-Regulierung fällt, innerhalb von 18 Monaten Teil eines Schemes werden muss. Zum jetzigen Stand ist aber weder vorgegeben, welche Schemes es geben sollte, noch wie die Governance oder ein Vergütungsmodell für den Datenaustausch ausgestaltet sein sollten. Ein Risiko dabei ist auch, dass es möglicherweise viele unterschiedliche Schemes geben könnte, und dass Unternehmen Mitglied mehrerer Schemes werden müssen. Die nötige Standardisierung von Daten und Schnittstellen sowie der Aufbau der geforderten Dashboards würde außerdem entsprechende Investitionen erfordern. Auch Datenstandards müssen sich finden, so wie wir das bereits von der Berlin Group kennen.

Zugegebenermaßen, die Rahmenbedingungen könnte man zentraler wahrscheinlich anders und besser lösen, auch mit klareren Vorgaben, die man mit den Industrieverbänden hätte ausarbeiten können. Auch eine europäische Open-Finance-Instanz wäre eine gute Idee. Nun tritt man aber aufgrund der vermeintlichen Entbürokratisierung auf die Bremse.

Freuen sich jetzt die großen Finanzdienstleister?

Speziell für etablierte Finanzinstitute klang die Nachricht zumindest kurzfristig positiv: Sie hätten ihre Daten nicht mit anderen Datennutzern und den sogenannten Financial-Data-Service-Providern teilen müssen. Und sie hätten sich den aufgrund der FiDA erforderlichen Aufwand gespart, ihre Daten und Schnittstellen gemäß den Anforderungen der Schemes zu standardisieren, die Echtzeit-Bereitstellung der Daten zu gewährleisten sowie die entsprechenden Dashboards aufzubauen.

Eine der zentralen strategischen Herausforderungen ist zudem, dass Datennutzer auch in Gestalt von Big-Tech-Firmen, großen Online-Spielern oder Lifestyle-Apps auftreten können. Diese sind dank Embedded Finance und KI gerade sowieso dabei, an der Kundenschnittstelle immer neue Finanzprodukte anzubieten. Sie würden von den Daten der Finanzinstitute immens profitieren. Für die wiederum wäre das aber eine strategische Herausforderung.

Andererseits würde die FiDA Innovationen beschleunigen und die Finanzinstitute incentivieren, den Wert ihrer Daten proaktiv stärker zu nutzen und zu kommerzialisieren. Das Positive an FIDA wäre, dass wir über 27 Landesgrenzen hinweg einheitlich Finanzdaten austauschbar machen können, beispielsweise über APIs. Wir hätten Spielregeln und Standards, auch bei Themen wie der eIDAS2, der neuen Digital-Identitätsregulierung. Ebenso könnte die Industrie die Lernerfahrungen aus der Entwicklung der PSD2 nutzen und ein sinnvolles Fundament für Open Data in der EU legen.

Wir können neue digitale Kundenlösungen schaffen und Prozesse verschlanken. Auch wäre es möglich, Finanzbildung und finanzielle Gesundheit vollumfänglich in den digitalen Raum zu heben. Alle Marktteilnehmer Könnten aufgrund des geplanten Monetarisierungsmodells als Datenhalter kostendeckend arbeiten. Gerade etablierte Finanzdienstleister könnten auch selbst innovative Kundenlösungen aufbauen, die die Finanzsituation der Kunden holistisch und hochgradig personalisiert adressieren und somit einen deutlichen Mehrwert für die Kunden schaffen können.

Bleibt Open Finance relevant?

Bedarf am Austausch von standardisierten Daten gibt es weiterhin – sowohl in der Banken- als auch in der Versicherungsbranche. Unternehmen nutzen den Mehrwert ihrer Daten heute immer noch nicht ausreichend, etwa bei der Kundenanalyse und -beratung. Gerade jüngere Kunden haben jedoch inzwischen aufgrund ihrer intensiven Interaktion mit Big Tech und Lifestyle-Apps eine ganz andere Erwartungshaltung hinsichtlich digitaler Kundenerlebnisse und wenden sich daher auch immer mehr neuen Anbietern zu. Ohne umfassende, standardisierte Finanzdaten bleiben aber auch digitale Angebote wie zum Beispiel in der Vermögensberatung  bei allen Anbietern unvollständig und aufgrund der unvermeidbaren Medienbrüche klotzig. Kreditausfallrisiken, Geldwäschefälle und andere Probleme. können nicht durch flächendeckende Datenanalysen reduziert werden und Prozesse nicht durchgehend optimiert werden.

Und nun kommen wir zum Elefanten im Raum. Gefühlt hat in den letzten sechs Monaten jeder Bankvorstand über KI-Agenten gesprochen. Es gibt sogar interne Studien, die sagen, dass speziell jüngere Kunden lieber mit KI-Agenten interagieren als mit einem Menschen im Kundendienst der Bank. Alle investieren in diesen Bereich und sprechen über massive Einsparungspotentiale durch KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Aber KI benötigt saubere, korrekte und widerspruchsfreie Daten, damit sie funktioniert. Diese gibt es aber nur mit Zustimmung der Kunden. Genau diese Datengrundlage wäre mit FiDA geschaffen worden, und zwar in einem akzeptablen Zeitrahmen.

Wie geht es jetzt weiter?

Ob und wie die FiDA final kommt, ist noch offen. Aber hoffentlich wird so ausgestaltet, dass sie allen Spielern entlang der gesamten Wertschöpfungskette die Möglichkeit gibt, sie für innovative Angebote, Use Cases und Geschäftsmodelle zu nutzen. Und dies sollte mit einem möglichst geringen Aufwand und einer hohen Effizienz möglich sein. Es geht für uns als europäisches Financial-Service-Ökosystem darum, FiDA als Chance nutzen zu können.  In den vielen Initiativen, die sich in den vergangenen Jahren gebildet haben, wird genau das besprochen. 

Da sind BiPro und FRIDA in der Versicherungsbranche und das TechQuartier mit branchenübergreifendem Expertenaustausch zu den Chancen von FiDA. Da sind die vielen bankinternen Projekte zu APIs, insbesondere auch im FK-Bereich, und die Allianz der Willigen, die sich um FiDA gebildet hat. Die Bereiche Data & Analytics gewinnen immer stärker an Bedeutung, vor allem vor dem Hintergrund von Embedded Finance und der Konkurrenz durch die großen Technologiekonzerne.

Mittelfristig jedoch wird Open Data auf EU-Ebene nicht vom Tisch sein, wenn Europa Innovation vorantreiben, die Digitalökonomie fördern und sich international nicht isolieren will. Das Vereinigte Königreich zum Beispiel zeigt, was möglich ist, vor allem mit der Smart Data Initiative, die neben Open Finance auch die Bereiche Energy, Property und TelCo umfasst, und die eng an die dortige KI-Strategie geknüpft ist. Die EU muss sich also überlegen, ob es nicht Sinn macht, hier ebenso einen weitreichenderen Ansatz über die Finanzindustrie hinaus zu wählen. Wer die Innovation Gap schließen und digitale Innovationen vorantreiben will, muss proaktiv mit Daten umgehen und sie nutzen. Idealerweise gelingt das mit möglichst wenig Bürokratie und einem chancenorientierten Mindset.

 Onwards!

 

Autoren

  • Silke Finken ist Professorin für Innovation an der International School of Management (ISM). Zuvor arbeitete sie jahrelang für die DZ Bank, unter anderem als Senior Vice President Operations und Head of Innovation.

  • Nicola Breyer ist Open-Finance-Expertin, berät und investiert in Fintechs. Bis 2024 war sie CEO und Managing Director beim Open-Finance-Unternehmen Qwist, davor arbeitete sie in Führungsrollen bei verschiedenen Finanzunternehmen, unter anderem bei OptioPay und PayPal.

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