Exklusiv: Alle Details und Zahlen zur Solaris-Rettung

Strategie zur Kostensenkung und Umsatzsteigerung

Recherchen von Payment & Banking zeigen, wie heftig die Bewertung abrauscht, welche Investor:innen bei einem Exit des Fintechs wie viel verdienen würden – und warum ausgerechnet die Mitarbeiter:innen leer ausgehen dürften.

Die Rettung der Solaris war so ziemlich das Dramatischste, was die deutsche Fintech-Szene in den vergangenen Jahren erlebt hat. Über Wochen hinweg kämpfte das Fintech mit Sitz in Berlin mit allen Mitteln um seine Zukunft, strich beispielsweise ein Drittel aller Stellen. Doch nach mehrfacher Bafin-Klatsche und Abschreibungsdramen im Ausland sah es zwischenzeitlich so aus, als wären all die Mühen von CEO Carsten Höltkemeyer umsonst gewesen. Nicht weniger als die Existenz des Start-ups stand Anfang Dezember 2024 auf dem Spiel. Sogar über eine Abwicklung dachten die Investor:innen nach.

Schlussendlich entschieden sie sich dagegen und kurz vor Weihnachten kam die große Erlösung: Solaris war dank einer millionenschweren Finanzspritze des japanischen Bestandsinvestors SBI vorerst gerettet. Für die verbleibenden Mitarbeiter:innen bedeutete der Deal, erstmals seit Monaten aufatmen zu können. Für Solaris begann an diesem Tag ein neues Kapitel. Denn für die vielen Millionen Euro sicherte sich SBI einen Großteil der Anteile.

Solaris: Dokument zeigt, wie Restrukturierung aussehen soll

Die Solaris-Rettung will sich SBI im Falle eines Börsengangs vergolden lassen. Das zeigt ein aktuelles Schreiben des Management Boards von Solaris. Dieses wurde am späten Freitagnachmittag an Bestandsinvestor:innen wie Mitarbeiter:innen verschickt, die beispielsweise virtuelle Anteile (VSOPS) von ihrem aktuellen oder ehemaligen Arbeitgeber halten. Solche VSOPS waren bei Solaris, wie bei anderen Start-ups, ein beliebtes Instrument, um Mitarbeiter:innen im Falle des Erfolgs beteiligen zu können. Auch galten sie als Anreiz, um Talente zu locken. In dem Schreiben, das Payment & Banking vorliegt, skizziert das Solaris-Board erstmals konkret, wie die Restrukturierung nach der Solaris-Rettung ablaufen soll, welche Anteilseigner im Falle eines Exits tatsächlich abkassieren würden – und was der Deal für die Mitarbeiter:innen mit echten wie virtuellen Anteilen bedeutet. 

Konkret geht es in der Restrukturierung um eine Finanzierungsrunde mit einem Gesamtvolumen von 140 Millionen Euro. SBI, die Börse Stuttgart und weitere Investor:innen bringen demnach etwa 81 Millionen Euro für eine Kapitalerhöhung ein. Zusätzlich zeichnen mehrere Banken einen AT1-Bond. Die SBI wird damit größter Anteilseigner und soll künftig mehr als 75 Prozent der Anteile halten. Damit bestätigt sich ein Bericht des Manager Magazins aus dem Januar.

Solaris-Rettung: Altinvestor:innen bekommen nur 0,10 Cent je Aktie

Die großen Verlierer sind in jedem Fall die Altinvestoren. Sie bekommen laut dem Schreiben nur 0,10 Euro je Aktie, womit sie den Wert ihres Investments faktisch abschreiben müssten. Auch für Mitarbeiter:innen, die virtuelle Anteile gekauft haben, bedeutet die Solaris-Rettung, dass sie mutmaßlich leer ausgehen bei diesem Exit. Der Grund dafür ist, das der sogenannte „Ausübungspreis” deutlich über 0,10 Euro liegen dürfte. Das bedeutet, sie erhalten bei einem Börsengang nur die Differenz zwischem dem individuellen Ausübungspreis je Aktie und dem tatsächlichen Erlös. Ist der Erlös kleiner, gehen die Alt-Investor:innen leer aus. Das dürfte in dieser Runde der Fall sein. Es gibt für sie später aber noch die Möglichkeit, an einem Börsengang mitverdienen. 

Die Anteile zu halten ist dagegen keine wirkliche Option. Durch die Ausgabe von wahrscheinlich mehr als elf Millionen Aktien zu einem Preis von 7,30 Euro verwässern die alten Aktien nahezu komplett. Laut Management ist das so gewollt. In der Mail heißt es: „Dahinter steckt der Gedanke, dass es wirtschaftlich nicht sehr attraktiv sein soll, die Anteile jetzt in der Finanzierungsrunde nicht zu verkaufen.”

Solaris-IPO: SBI kassiert bei möglichem Börsengang gleich drei Mal ab

Zwar gibt es für die alten Anteile auch noch die Möglichkeit, bei einem potenziellen Börsengang mitverdienen. Doch das dort wirklich ein großer Betrag für Altinvestor:innen oder Mitarbeiter:innen rausspringt, ist sehr unwahrscheinlich. Denn SBI und die anderen Investor:innen haben sich für ihre Rettung einiger Sonderrechte einräumen lassen. So erhalten die Investor:innen der aktuell laufenden Finanzierungsrunde „G“ das Doppelte des in der Runde investierten Kapitals bei einem Exit in den kommenden fünf Jahren. 

Bleibt danach noch etwas übrig, bekommt SBI als einziger Investor der F3-Finanzierungsrunde noch einmal das Doppelte des investierten Kapitals raus. Sollte bei einem Börsengang dann immer noch Geld im Topf liegen, erhalten die Investoren der Runde G noch einmal 80 Prozent dessen – und aktuelle Aktionäre die verbleibenden 20 Prozent. So schreibt es das Management Board in seiner Mail. 

SBI könnte dreistelligen Millionenbetrag kassieren 

Auch was das in Zahlen bedeutet, hat das Management Board in diesem Schreiben skizziert. So gehen die Autor:innen der Mail in einem fiktiven Beispiel davon aus, dass bei einem Börsengang oder einem „mehrheitlichen Aktienverkauf“ in den kommenden fünf Jahren ein Erlös von 900 Millionen Euro möglich sein könnte. Da die Investor:innen der Series-G-Finanzierungsrunde mutmaßlich etwa 81 Millionen Euro investiert haben, würden sie als Erstes 162 Millionen Euro aus dem Topf bekommen. Im nächsten Schritt erhält dann SBI als einziger Investor der F3-Finanzierungsrunde insgesamt 120 Millionen Euro (Verdopplung von 60 Mio.). Die restlichen 618 Millionen Euro sollen dann zu 80 Prozent an die Investor:innen der Finanzierungsrunde G gehen, die ja schon am Anfang abkassiert haben. Damit dürfte der Löwenanteil bei SBI hängen bleiben.

Bleiben noch 20 Prozent des Restbetrags, der dann an die „verkaufenden Aktionäre” gehen soll. Das wären 486 Euro je Aktie, was erst einmal nach mehr klingt als die aktuellen 0,10 Euro, die es gibt. Doch der Haken für Mitarbeiter:innen mit virtuellen Anteilen: Auch in diesem Fall dürfte der für ihre Anteile geltende Ausübungspreis gelten. Lag dieser über 486 Euro, dürften sie laut den VSOP-Bedingungen eigentlich keinen Cent bei einem Börsengang erhalten. Etwas anders könnte es bei ESOPs aussehen, denen diese im Rahmen von Bonuszahlungen  erhalten haben. Dort dürfte die Auszahlung bei den fast 500 Euro liegen. Wenn ein Börsengang denn zum anvisierten Erlös von fast einer Milliarde Euro kommten würde. Das entspräche dann etwa einem Vierzehntel der mutmaßlich letzten Bewertung von 7000 Euro je Aktie. 

Autor

  • Nils Heck (geb. Wischmeyer) ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und seit März 2024 Redaktionsleiter bei Payment and Banking. Er ist zudem Autor der monatlichen Kolumne „Nils nörgelt“, in der er sich kritisch mit aktuellen Trends in der Payment- and Bankingbranche beschäftigt.

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