Erst Boom, dann Crash. Was kommt nach der Katerstimmung?

Fintechs kannten dank cleverer Ideen und viel Investorengeld lange nur eine Tendenz – aufwärts. Doch nicht nur der Ukrainekonflikt bremst den Sternenflug. Was kommt nun: das Ende oder der Anfang von etwas Neuem? Drei Stimmen.

Eine klassisch deutsche Antwort auf diese Frage ist leider gar nicht so einfach, ebenso wenig die Frage nach der Zukunft der Fintechs. Diese haben sich bekanntlich aufgemacht, Bank- und Anlagegeschäfte dank des Einsatzes von Technologie einfacher, smarter zu machen. Dafür wurden sie mit medialer Aufmerksamkeit und vor allem Geld von Kapitalgebern versorgt.

Doch jetzt ziehen dicke Gewitterwolken am Himmel auf. Bei Nuri, Kontist oder Paypal ist von Entlassungen die Rede, von Personaleinsparungen und der Rückkehr zur Profitabilität gar. Die Zinswende in den USA, die steigende Inflation sowie der Krieg in der Ukraine lassen die Unsicherheit wachsen, nicht nur bei Fintechs.

Krise als Chance verstehen

Ist die Zukunft der Fintechs damit am Ende, bevor sie begonnen hat? Axel Daffner zum Beispiel ist Fondsmanager und setzt mit seinem ART Transformer Exquisites vor allem auf Unternehmen, die in Sachen Blockchain aktiv sind. „In jeder Krise steckt auch eine Chance und dennoch würde ich nicht von einer Krise sprechen, sondern von einem bereinigenden Gewitter. Während im vergangenen Jahr Risikokapital noch mit dem Füllhorn über die Start-ups ausgeschüttet wurde und junge Unternehmen wie BlockFi oder Celsius noch den Nimbus von unaufhaltsamen Einhörnern genossen haben, hat in den letzten Monaten eine Neubewertung von Risiko stattgefunden. Dass beispielsweise Klarna höher bewertet wurde als die Commerzbank und die Deutsche Bank zusammen, war sicherlich nicht gesund.“

Die Welt der Fintechs kehre jetzt wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und es trenne sich die Spreu vom Weizen, so Daffner weiter. „Wer kein nachhaltiges und für den Kunden Mehrwert stiftendes Geschäftsmodell oder Produkt hat, findet jetzt deutlich schwieriger neue Investoren und wird sich am Markt nicht durchsetzen. Die Digitalisierung in der Finanzbranche hat erst begonnen.“

Fintechs bleiben wichtiger Partner für die Banken

Ein Trend, denn auch die klassische Bankenbranche genau beobachtet. Tobias Tenner ist Leiter des Bereichs Digitalisierung beim Bundesverband deutscher Banken. Er gibt sich optimistisch: „Das Interesse bleibt erhalten. FinTechs sind ein wichtiger Enabler für die digitale Transformation der Banken.“

Was ist nun wichtig, was die Kernherausforderung und damit quasi die Hausaufgaben der Fintechs? „Die Kernherausforderung hat sich nicht verändert“, sagt er. „Ein Geschäftsmodell mit nachhaltigen Erträgen und großem Wachstum ist nach wie vor die Kernherausforderung. Abhängig vom Geschäftsmodell können regulatorische Herausforderungen und Mangel an Fachkräften weitere Herausforderung sein sowie zunehmend die Refinanzierung.“ Eine Einschätzung, welcher Daffner Sicht der Investoren nur zustimmen kann.

Gestrieben von Effizienz

Technologie-Startups seien getrieben, Prozesse immer effizienter zu machen. Bestes Beispiel? Google, das mit Google Ads etwa einen globalen Prozess gefunden hat, um Werbung ohne Landesgrenzen im Internet zu vermarkten. „Dieses Geschäft skaliert hervorragend“, so Daffner. Doch nun sind nicht eben alle Google oder ein anderes globales Technologie-Unternehmen, dessen Wachstum keine Grenzen zu haben scheint. Viele Fintechs sind eben auch limitiert und an Landesgrenzen gebunden.

Die Blockchain-Technologie dreht den Spieß um

Vorteil Blockchain: Sie ist per se global und kann bereits die meisten Transaktionen abbilden. „Es ist an der Zeit, dass jedes Land für sich Wege findet, diese bereits bestehende und funktionierende Technologie zu regulieren“, sagt Philipp Sandner. Er ist Professor an der Frankfurt School of Finance and Management und Leiter des Frankfurt School Blockchain Centers. Er beobachtet mit dieser Entwicklung ein interessantes Phänomen. Die deutsche Regulatorik ist seiner Meinung nach auf einem ausgezeichneten Weg.

Er beobachtet, dass Unternehmen, die im Hinblick auf Blockchain aktiv sind, einiges tut. „Sie sind es dann auch, die auch weiter Geld von VCs bekommen“, ist er sich sicher und sieht eine Zweiteilung kommen: den vergleichsweise unregulierten Retail-Bereich, und zum anderen den streng regulierten Corporate-Bereich. Ein irgendwo-dazwischen werde selten. „Ich sehe mehr Fintechs unter den Fittichen der Großen und im Blockchain-Bereich einige unabhängige Start-ups, die Banken nicht benötigen.“

Reifeprozess bei Fintechs und Finanzierern ist angestoßen

Bankenexperte Tenner bestätigt: „Aufgrund der Herausforderungen in der Refinanzierung werden Fintechs zu attraktiven Übernahmeobjekten für Banken, wenn sie in die Geschäftsstrategie passen. Wir werden auch eine weiter zunehmende Konsolidierung sehen, also hin zu größeren Einheiten.“

Für Daffner ist daher klar: „Als Investoren dürfen wir uns von Geschäftsmodellen ohne Substanz nicht blenden lassen. Wir müssen sorgfältig recherchieren und uns vergegenwärtigen, dass am Anfang einer technologischen Entwicklung Scheitern dazugehört.“ Boom und Crash gehören also dazu. Aber eben auch eine Reifung.

Headerbild: Bildnachweis: liveostockimages

Autor

  • Arne Gottschalck arbeitet als Redakteur und Autor. Seine Schwerpunkte sind die Themenbereiche Wirtschaft, Finanzen und Technik. Er arbeitet seit 2017 als Redakteur bei der Corporate Publishing Agentur JDB.de. Zuvor war er über zehn Jahre als Journalist beim Manager Magazin angestellt.

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