In der vergangenen Woche erreichte uns einmal mehr eine interessante Anfrage aus unserer Community. Diesmal geht es um medizinische Risikovoranfragen beim Abschluss einer Versicherung.
In der Frage ging es konkret um den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Der Makler legte ein Einwilligungsformular vor, mit dem er die Zustimmung zur Weitergabe von Informationen für eine „Risikovoranfrage“ an ein „Medical Competence Center“ einholen wollte. Unsere Leser:in wollte nun gern genauer wissen, was das eigentlich ist.
Die widersprüchliche Interessenlage zwischen Versicherung und Makler
Makler und Versicherung brauchen einander, nur ihre Interessen decken sich nicht immer vollständig. Geht es nach dem Makler oder Versicherungsvertreter, erhalten alle Interessenten am Ende der Beratung eine Police. Logisch, denn nur dann gibt es auch eine Provision.
Daran ist die Versicherung zwar auch interessiert, aber eben nicht um jeden Preis. Keine Gesellschaft ist besonders erpicht auf Kund:innen, bei denen bereits bei Vertragsabschluss ein hohes Risiko dafür besteht, dass der Leistungsfall eintritt. Das ist aus Sicht der Betroffenen natürlich unfair, aber wirtschaftlich verständlich. Besondere Risiken können bei allen Versicherungen rund um die Gesundheit bestehen: Kranken-, Leben- und Berufsunfähigkeitsversicherungen. Hier behalten sich die Versicherer vor, einen Antrag zurückzuweisen.
Der Ideal-Fall, den es meist nicht gibt
Der „ideale“ Antragsteller in diesen Sparten ist jung, Nichtraucher, treibt Sport, ist gesund und hat keinerlei Vorerkrankungen. Aber wer war schon niemals krank? Eben!
Wer einen Antrag auf eine der genannten Versicherungen stellt, kennt die Fragen zur Klärung medizinischer Risiken. Dabei werden Angaben zu Routineerkrankungen wie der Grippe meist ausgenommen. Zu diesem Thema gibt es ausreichend Statistiken über mögliche schwerwiegende Folgen, die in den Tarifen eingepreist sind.
Das sieht allerdings schon anders aus, wenn eine (mehr oder weniger) schwere Erkrankung durchlebt wurde: der Sportunfall, der permanente Kniebeschwerden auslöst oder auch ein überstandener Bandscheibenvorfall. In diesen Fällen schauen sich die Versicherungen den Fall dann schon genauer an, um über die möglichen eigenen Risiken zu entscheiden.
Gute Konditionen gibt es für schrankfertiges Geschäft
Und damit noch einmal kurz zu den unterschiedlichen Interessen der Gesellschaften und den Maklern. Große Vertriebsorganisationen wie Maklerpools locken ihre Partner mit besonders attraktiven Konditionen, also hohen Provisionen. Die haben sie mit den einzelnen Produktgebern ausgehandelt. Das Plus an Provision gibt es auf Basis von zwei wichtigen Parametern. Da ist das Geschäftsvolumen: Wer garantiert viele Anträge einreicht, die policiert werden können, verdient eben mehr.
Makler, die ständig Anträge einreichen, die intern Mehrarbeit verursachen oder auch zur Ablehnung des Antrags führen, können mit den besonders guten Konditionen nicht rechnen. Deswegen bemühen sich alle, „schrankfertiges“ Geschäft abzuliefern. Das Underwriting und die Policierung gehen dann schnell und unkompliziert.
Um das zu erreichen, unterhalten größere Vertriebe Teams von Expert:innen, die gesundheitliche Risiken einschätzen und bewerten. Sie prüfen die Angaben des Versicherten und entscheiden dann, bei welcher Gesellschaft es überhaupt infrage kommen könnte, den Antrag anzufragen.
Solche Spezialist:innen sitzen auch innerhalb einer Versicherung. Sie nehmen solche Anfragen entgegen und entscheiden dann, ob die Versicherung eine Police erstellen möchte. Oder fragen eben weiter nach.
Wohin mit dem Versicherten? Die Risikovoranfrage.
Beschäftigte mit vorwiegend sitzender Tätigkeit, die bereits einmal an der Bandscheibe operiert wurden, haben unter Umständen ein höheres Risiko, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Und Anhänger:innen des Paragliding leider ein höheres Risiko, sich ernsthaft zu verletzen.
Um die Chancen dafür auszuloten, ob eine Versicherung bereit ist, die Person trotzdem zu versichern (auch unter Hinzurechnen von Risikoaufschlägen), gibt es die Risikovoranfrage. Hier erwarten die Gesellschaften detaillierte Angaben, um den Status des Versicherten von Schreibtisch aus einzuschätzen. Und zwar auf Basis von medizinischen Berichten, Diagnosen oder Gutachten. Es genügt also nicht, die Durchschläge von Krankschreibungen mit dem ICD-Code an die Versicherung weiterzuleiten.
Eine solche Voranfrage muss für jede Gesellschaft durchgeführt werden, die infrage kommt. Das sorgt für reichlich Arbeit, die etwa Maklerpools für ihre Vertriebspartner erledigen.
In der Praxis entscheidet oft auch das Bauchgefühl eines Risikoprüfers in der Versicherung zwischen einer Annahme des Antrags und dem Ausschluss.
Was bei der Voranfrage schiefgehen kann
Die Voranfrage ist ein etablierter Geschäftsvorfall. Und problemlos, wenn er denn richtig durchgeführt wird. Dazu gehört die anonymisierte Einreichung der Unterlagen. Name, Anschrift und Geburtsdatum werden weggelassen. Vereinfacht lautet die Anfrage an einen Versicherer: Unter welchen Bedingungen bist du bereit, diese unbekannte Person mit diesen Vorerkrankungen oder Einschränkungen zu versichern.
Problematisch wird es immer dann, wenn eine Anfrage eben nicht anonymisiert ist, oder sich Kund:innen mit entsprechenden Risiken selbst auf die Suche nach einer Versicherung machen und einen Antrag stellen. Denn lehnt ein Anbieter den Vertragsschluss ab, wird er das in der HIS-Wagnisdatei der Versicherer vermerken. Darin sammeln die Unternehmen Informationen über ihre Kund:innen. Hier landen Schadensfälle.
Damit schützen sich die Gesellschaften vor Kund:innen, bei denen sich Schäden etwa auffällig häufen. Die Ablehnung einer Versicherung wegen gesundheitlicher Fragen und das entsprechende Merkmal in der Kartei sorgen dann mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine andere Versicherung den Schutz kategorisch ausschließt.
Damit solche Probleme gar nicht erst auftreten, gibt es die Service-Teams, die sich um solche Fragen kümmern. Die Zustimmung zur Weitergabe solcher Informationen ist also nicht verkehrt.