Der Krypto-Markt in Europa steht vor einer Zeitenwende. Auf EU-Ebene steht die MiCA kurz vor der Veröffentlichung, mit der zum ersten Mal ein EU-weiter Rechtsrahmen für Kryptowerte, Stablecoins, Märkte und Kryptowertedienstleister geschaffen wird. In Deutschland wurden diesen Sommer zudem Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgestellt. In den Eckpunkten enthalten sind u. a. Maßnahmen zur Modernisierung des Kapitalmarkts und zur Erleichterung des Kapitalmarktzugangs für Unternehmen. Dadurch soll es Unternehmen ermöglicht werden, Aktien auf Grundlage der Blockchain-Technologie als elektronische Wertpapiere zu emittieren.

Das klingt nach guten Zeiten: Regulierung schafft Rechtssicherheit für Unternehmen und Deutschland gilt international immer noch als Vorreiter in der Anwendung von Blockchain. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass Deutschland gerade droht, sein Potenzial zu verspielen.

Gastbeitrag von Benedikt Faupel, Bereichsleiter Blockchain im Bitkom e.V.

Wie verspielt Deutschland sein Potenzial?

Während im Entwurf der Digitalstrategie der Bundesregierung Blockchain noch als Schlüsseltechnologie gelistet wurde, ist in der verabschiedeten Digitalstrategie nichts mehr davon zu finden. Auch in der aktuellen Startup-Strategie findet sich Blockchain nur noch als Randnotiz, bei einem Projekt, das fortgeführt werden soll. Dabei hat Deutschland doch beste Voraussetzungen geschaffen, um eine echte Vorreiterrolle einzunehmen: Eine starke Wirtschaft mit einem international einmaligen Mittelstand, eine gut ausgebildete Bevölkerung und natürlich die Blockchain-Strategie 2019.

In der 2019 verabschiedeten Blockchain-Strategie wurden insgesamt 44 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern gelistet. Insgesamt zehn Ministerien sind an der Umsetzung dieser Maßnahmen beteiligt. Die Bundesregierung hat mit ihrer Blockchain-Strategie weltweit eine Vorreiterrolle eingenommen und dafür national wie international viel Aufmerksamkeit und vor allem auch Anerkennung erhalten. Wenn man sich anschaut, in welchen Bereichen Fortschritte gemacht werden, sieht man einen klaren Fokus auf den Finanzbereich.

Dass das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG), das bislang ausschließlich auf Inhaberschuldverschreibungen anwendbar ist, für Aktien geöffnet werden soll, ist ein wichtiger Schritt. Auch die im Koalitionsvertrag genannte Machbarkeitsstudie zur Untersuchung, „ob ein Grundbuch auf der Blockchain möglich und vorteilhaft ist“, ist lobenswert. Allerdings muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass ein blockchainbasiertes Grundbuch nicht zu einem Standortvorteil führen wird, mit dem Deutschland eine strategische Rolle in der Digitalökonomie des 21. Jahrhunderts einnehmen wird.

Läuft Deutschland also wieder einmal Gefahr, bei einer Zukunftstechnologie und der Umsetzung und dem Aufbau einer Blockchain-Wirtschaft zurückzufallen? Wie kann der Wirtschaftsstandort gestärkt werden, damit wir von den Vorteilen einer Blockchain-Wirtschaft und den Potenzialen des Web 3.0 profitieren?

Wie kann der Blockchain-Standort Deutschland gestärkt werden?

In den Prinzipien der Blockchain-Strategie wurde erklärt, dass „aufgrund der hohen Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung […] weiteres Handeln der Bundesregierung zukünftig notwendig werden [kann].“ Des Weiteren wird bekräftigt, dass die Blockchain-Strategie eine „lernende Strategie“ ist und in regelmäßigen Abständen überprüft und weiterentwickelt werden soll. Im Hinblick auf diese Prinzipien ist es notwendig, die aktuellen Fortschritte regelmäßig zu überprüfen und daraus abgeleitet auch Anpassungen vorzunehmen. Deutschland sollte sich nicht auf seinem frühen Start ausruhen, sondern sich weiterhin proaktiv für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen für (Blockchain)-Startups und Unternehmen einsetzen.

Schauen wir uns international um, sehen wir, dass andere Länder auf- und uns teilweise überholen. Mit dem Inkrafttreten der MiCA und der Möglichkeit des sogenannten „passportings“, also etwa der Übertragung von Lizenzen eines Landes in weitere EU-Mitgliedsländer, stellt sich die Frage, warum Unternehmen weiterhin in Deutschland aktiv werden sollten und nicht in andere Länder abwandern. Was sind die Vorteile, die Deutschland für Startups und Unternehmen bietet?

Bundesregierung darf Trend nicht verpassen

Wir müssen verhindern, dass wir neue Abhängigkeiten schaffen und gleichzeitig unserer Industrie die Fortschrittsmöglichkeiten verwehren, die die Blockchain-Technologie mit sich bringt. So ist auch der große Aufwand für das – weitgehend nur in Deutschland genutzte – VideoIdent-Verfahren ein Grund für hohe Kosten. Mit dem Inkrafttreten der MiCA werden sich die großen Player der Krypto-Industrie fragen müssen, ob Deutschland mit seinen strikten KYC-Prozessen der richtige Ort ist oder die Lizenzen zukünftig in anderen Ländern beantragt werden.

Natürlich müssen wir bedenken, dass die Blockchain-Strategie 2019 von der vorherigen Bundesregierung verabschiedet wurde und die jetzige Bundesregierung stärker von tagespolitischen Zwängen geleitet wird.

Aber auch im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung steht: „Es gilt, die mit den neuen Technologien, wie z. B. Blockchain, verbundenen Chancen zu nutzen, Risiken zu identifizieren und einen angemessenen regulatorischen Rahmen schaffen.“ Daher müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Vorteile der Blockchain-Strategie auch in der neuen Bundesregierung gesehen und verstanden werden und wir nicht in einigen Jahren zurückblicken auf einen der Momente, an dem Deutschland den Anschluss an eine der bestimmenden technologischen Entwicklungen der nächsten Jahre verpasst hat.

Deutschland muss jetzt dranbleiben

Deutschland hat eine gute Ausgangsposition im Bereich Blockchain. Die Blockchain-Strategie zeigt, dass Deutschland eine internationale Vorreiterrolle einnehmen kann. Der Koalitionsvertrag sieht zudem vor, dass die Chancen der Blockchain-Technologie genutzt werden sollen. Im Finanzsektor beispielsweise wird die Nutzung der Technologie durch verschiedene Gesetzesvorhaben zu Kryptowerten und Krypto-Wertpapieren gefördert. Aber Blockchain wird auch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Logistik, eingesetzt.

Deutschland beheimatet innovative Startups und aufgeschlossene Unternehmen aus allen Lebensbereichen und ist auch wirtschaftlich einer der weltweiten „Blockchain-Hotspots“. Die Bundesregierung sollte diese Ausgangslage durch eine innovationsfreundliche Regulierung, eine breite öffentliche Förderung und großangelegte (Ausbildungs-)Programme weiter stärken, um den Aufbau einer Blockchain- und Krypto-Industrie zu fördern. Wir sollten das einzigartige Potenzial dieser Schlüsseltechnologie für die Wirtschaft und Gesellschaft der Zukunft nutzen, um nicht nur internationale Talente und Unternehmen anzuziehen, sondern auch um weltweit Standards in regulatorischen, technologischen und politischen Fragen setzen zu können.

Benedikt Faupel verantwortet im Bitkom den Bereich Blockchain. In dieser Rolle agiert er als Sprachrohr der vielfältigen Blockchain-Industrie und als Vermittler zur Politik.

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