Ein Lieblings-Volkssport der Deutschen ist ja bekanntermaßen das Nörgeln. Wenn man sich manchmal die öffentliche Meinung anschaut, bekommt man den Eindruck das es ein Wunder ist, dass wir überhaupt noch existieren. Überall sind andere besser als wir Deutschen: in jeder Krise versagen wir, wir werden rechts oder links überholt (im ersten Gang, manchmal sogar im Rückwärtsgang). Ein paar zufällig gewählte Beispiele

  • Föderalismus – “my ass”: Zentral wäre doch viel besser
  • Gesundheitssystem: Seit Jahrzehnten kaputt gespart, so sehr, dass man gerade noch eine Aspirin bekommt
  • Krankenversicherungen: Alles Mist – nichts wird bezahlt
  • Forschung: Seit Jahren haben uns Amis und Chinesen den Rang abgelaufen
  • Verwaltung: Arbeitet noch mit Lochkarten
  • Digitalisierung: Auf dem Level von Uganda mit einer Modemverbreitung von 95 % und Glasfaser nur als Teil des Modeschmucks

Dies alles ist überspitzt formuliert, soll aber den Kern treffen oder um es mit den Worten eines unbekannten Autors zu sagen: „Wir wissen am besten wie es gehen könnte…”. Uns ausgerechnet erreichen aktuelle Bilder aus dem gelobten Land der Digitalisierung, den USA. Und diese Bilder sind bürgerkriegsähnlich.

Bilder aus New York – Quelle: www.bild.de – 6.4.2020 15:00Uhr

Auch die derzeitigen Google Trends machen etwas “Angst” – und dabei ist das Thema “Waffen” noch ausgeklammert, auch wenn die ein oder andere Region den Begriff “Wellness” etwas weiter fasst.

Die USA ist nur als Beispiel zu sehen aber über die Grenzen hinaus kann uns an vielen Stellen “Angst und Bange” werden. Doch wie ist der Kontext? Sind wir doch nicht in der Steinzeit verhaftet?

Lasst uns mal eine Bestandsaufnahme machen und die unterschiedlichen Felder beleuchten:

Politisch: Die Kanzlerin alias „Mutti“ führt mit viel anfänglicher Kritik (“unsichtbar”) aber letztendlich wie man es von ihr kennt, inhaltlich fundiert und klar. Sie ist eben nicht die “angelsächsische Rampensau” – und sogar der Virus hatte Respekt vor Ihr. Am “Ende Ihrer Amtszeit” läuft sie noch mal zu Hochform auf.

Arbeitspolitische Maßnahmen: Hier das Wort der Stunde: Kurzarbeit – genau die Maßnahme die nun das “Mittel der Wahl” scheint. Unternehmen sofort entlasten aber das Know-how sichern. Warum andere Maßnahmen, wenn eine davon einen relevanten Effekt erzielt? Scheint aktuell genau die Bedürfnisse zu treffen.

Gesellschaftspolitische Situation: Jeder ist nun semiprofessioneller Virologe und hat eine medizinische Expertise v.a. in Deutschland, das “nervt”, zeigt aber auch, dass wir uns zumindest mit dem Thema beschäftigen. Die Blockwarte und SchlaumeierInnen werden wir aber wohl nicht mehr los und die gab es vielleicht auch schon vor der Krise (Die Anzeige einer 85-jährigen Pensionärin wegen ”Sitzen auf der Parkbank“ (Verweilen) läuft) und auch wenn wir (siehe Anfang) viel ”Nichtbeachtung und Ignoranz“ sehen, überwiegt doch die Solidarität überraschend breit und vielfältig – gerade auf lokaler Ebene. Viele machen jetzt schon ihre Kneipen und Restaurant Liste für nach der Krise, das ist ein schönes Zeichen, also haltet durch. Wichtig ist, für alle ist die Situation neu und jeder reagiert eben anders, aber sie birgt vielleicht auch viele Chancen – das Merken nun viele.

Wirtschaftliche Unterstützung: Gibt es auf allen Ebenen. Zuschüsse werden in NRW teilweise in Rekordzeit von 2 min in einem dokumentierten Fall bewilligt und Kredite in unterschiedlichsten Varianten genehmigt. Am Ende wurde sogar noch die oft vergessene “Zielgruppe” Start-ups mit 2 Mrd. € bedacht. Wenn wir diese Volumina nun sinnstiftend einsetzen, und da liegt der Ball bei der Wirtschaft, dürften wir einiges abfedern können.

Der Staat - ein unterschätzter Player
  • Steuer-/Sozialversicherungsstundungen gingen pragmatisch von der Hand.
  • Auch die Förderung für Selbstständige / Freiberufler war easy und nicht vorstellbar, dass diese alle von einer Behörde kam!
  • Die Möglichkeit mal eben Kredite für ein paar Monate zu parken oder selbst Mietzahlungen auszusetzen oder Steuerzahlungen zu stunden: man muss die Lanze brechen. So bürokratisch man in der Vergangenheit war, so unbürokratisch ist man jetzt in der Krise. Auf einmal geht das sogar furchtbar digital via App.
  • Bei der Kreditvergabe hakt es noch etwas: Die Begrifflichkeit Hausbank wurde wieder aus der Mottenkiste geholt und gewinnt derzeit wohl wieder an Stellenwert (so oft wie in den letzten zwei Wochen habe ich das Wort schon lange nicht mehr gehört)

Aber: Hier das Absage-Template (Gab es das zum Download?) :

Sehr geehrter Herr Thalhammer,

Sie haben in den letzten Tagen auf der Website der KfW die XXX Bank als möglichen Finanzierungspartner gewählt. Vielen Dank für Ihr Interesse an unseren XXX Angeboten! Leider können wir Ihnen in diesem Fall jedoch nicht weiterhelfen, da Sie bislang noch nicht Kund*in unserer Bank sind. Was können Sie jetzt tun?

Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen einfach an Ihre Hausbank oder Ihren bisherigen Finanzierungspartner, die Sie sicher gerne entsprechend beraten. Für Rückfragen und Wünsche stehen wir Ihnen gerne unter den unten aufgeführten Rufnummern zur Verfügung. Sie erreichen uns montags bis donnerstags von 8.30 – 17.00 Uhr und freitags von 8.30 – 16.00 Uhr.

Herzliche Grüße aus XXX

Harry Hirsch

Trotz alledem und auch wegen der “leichten Designfehler des Kredites” (10 – 20 % Restrisiko bei der Bank), Chapeau an die KfW, die hängt sich hier richtig rein, ganz aktiv, pushed und stellt schnell Themen hin, für welche ein “staatsähnliches Konstrukt” sonst lange braucht. Die Zeit haben wir nicht, dass zumindest hat der Staat (und die KfW) verstanden. Doch das gilt nicht für jede Bank, denn ich verstehe immer noch nicht, warum keiner der Banken auch nur nachgefragt hat, ob ein Kontowechsel nicht in Betracht zu ziehen ist. Leider sind die Challenger Banken da nicht weit genug – man hat geblockt und der Ratschlag: gehen Sie zur Hausbank. Es wäre ein einfaches gewesen zu sagen, “Kommen Sie zu uns” – hinterlegen sie zur Absicherung 10 % in Cash und los geht’s, eigentlich ziemlich einfache Kundenakquise. Aber die Banken haben doch “Angst” vor ihrem ureigentlichen Geschäft – Kredite, Regulator und KYC haben da leider ihr Übriges getan. Vielleicht auch mal Zeit zu reflektieren.

Doch kommen wir zurück zum “großen Ganzen”, wir sollten – Achtung schwieriges Wort – auch mal stolz darauf sein, welche Infrastruktur und welches System wir haben. Nichts ist perfekt und eine lange Liste von Defiziten ist schnell gemacht (bringt aktuell nur leider nichts).

Wir haben eine mega Basis und die Chancen sind sehr hoch, dass uns die Krise nicht so stark trifft wie andere Länder. Dafür sollten wir dankbar sein aber auch und vor allem die Chance nutzen. Sollten die Zahlen „so bleiben“ und in Deutschland die Anzahl der Todesfälle weiterhin mit am geringsten sein, so ist es für uns (immer im Kontext und im Vergleich betrachtend), noch gut ausgegangen. Und die Polterer auf Seite 2 der Google Suche, von der Außenbahn sind irgendwie verschwunden – toter als jeder Friedhof.

Es geht bei all dem nicht um Wettbewerb oder “Schadenfreude”, sondern darum, das unsere Nachbarn Support brauchen, wo es nur geht. Ob operativ, sozial oder über ein gemeinsames Bewältigen der finanziellen Last und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, ob über Bonds oder welches Instrument auch immer. Vor allem für Europa wird es einerseits ein Kraftakt, aber auch die Chance zu einem neuen Europa – wo bekanntlicher Weise vieles nur zusammen geht und gehen sollte.

Ziel muss es sein die Stärke und auch die Learnings zu nutzen – für alle. Selbst die USA tut das:

Der Staat - ein unterschätzter Player

Fazit

V vs. W vs. XYZ – alle Varianten bzgl. der wirtschaftlichen Zukunft scheinen wahrscheinlich und für alles findet sich ein Experte. Die Hoffnung liegt auf dem “V” – auch emotional. Wir werden sehen, auf jeden Fall sollten (und müssen) wir nach vorne schauen. Be ready for the boom – heißt soviel wie: Bitte jetzt nichts “abbauen” was lange braucht, um es wieder aufzubauen. Der Markt ist im Boom gnadenlos und er ist weiter global, denn die Globalisierung wird nicht weggehen vielleicht schläft sie etwas und kommt mit anderen Spielregeln wieder, aber sie ist da! Eine Devise nach dem Motto: “Lasst mich zurück, ohne mich schafft ihr es” ist ein fatales Zeichen und wird zum negativen Mantra werden, vor allem für die Businesses die sich in der Krise zu stark geschwächt wurden. Das zeigt sich vor allem, wenn wir auf die, durch die Krise stärker werdende Volkswirtschaften wie China schauen.

Schließen möchte ich mit dem Kollegen Böhmermann:

Alternativ – “über Jahre hinaus unschlagbar” – ein unbekannter Monarch:

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