FinTech Podcast #311
Im Bundestag versucht ein Untersuchungsausschuss den wohl größten Betrugsfall der Nachkriegsgeschichte aufzuklären. Es geht um Verluste in Milliardenhöhe, massive Schäden für Anleger und den beispiellosen Absturz eines Börsenstars. Die Zwischenbilanz mehrerer Fraktionen, der zuletzt noch am Mittwoch zusammenkam, fällt vernichtend aus: Der Skandal um Wirecard gehe nicht allein auf hohe kriminelle Energie Einzelner zurück, sondern auch auf gravierende Fehler von Aufsichtsbehörden und Bundesregierung.
Alle sechs Fraktionen sind der Meinung, dass der Ausschuss wichtige Zusammenhänge aufgedeckt habe. „In der Summe sieht man eines widerlegt: Dass das eine Naturkatastrophe war, dass hier kein Mensch Fehler gemacht hat“, sagte etwa der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Sein Kollege von den Grünen, Danyal Bayaz, geht von drei Faktoren aus, die für den mutmaßlichen Betrug entscheidend gewesen seien: „eine Bande mit hoher krimineller Fantasie und Energie“, ein „Kollektivversagen“ bei Behörden und Aufsichtsorganen sowie ein ganzes Heer an Lobbyisten, „die Klinken putzen waren, um das Bild dieses Technologiestars an den Mann, an die Frau, an die Politik zu bringen“.
Das Unternehmen Wirecard war ein Dienstleister für bargeldlose Zahlungen an der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen. Das Fintech spielte in der obersten Börsenliga und täuschte Wirtschaftsprüfer offenkundig jahrelang. Im Sommer räumte Wirecard ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro ein – Geld aus Auslandsgeschäften, das zwar in den Bilanzen auftauchte, in Wahrheit aber wohl nie existierte. Das Unternehmen meldete Insolvenz an, Tausende Anleger verloren Geld. Vorstandschef Markus Braun wurde festgenommen, Manager Jan Marsalek ist auf der Flucht.
Allerdings hatte es schon Monate bevor der Skandal bekannt wurde, Hinweise und Berichte über Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gegeben. Der Untersuchungsausschuss will nun herausfinden, warum der Fall über Jahre nicht aufflog und ob Wirecard als aufstrebendes Fintech von den Behörden mit Samthandschuhen angefasst wurde.
Zusammen mit Florian Toncar sprechen Jochen und André über seine bisherige Aufgabe im Untersuchungsausschuss, wie er zusammenkam, was die wichtigsten Erkenntnisse sind, wie die bisherige Arbeit mit Zeug*innen und Sachverständig*innen ist, wie Regulierung in Zukunft stattfinden muss und was das alles für den Finanz/Fintech-Standort Deutschland bedeutet? Ein wirklich interessantes und aufschlussreiches Gespräch über die Hintergründe des größten Finanzskandals Deutschlands.
Dr. Florian Toncar (* 18. Oktober 1979 in Hamburg) ist ein deutscher Politiker (FDP) und Rechtsanwalt. Er war von 2005 bis 2013 und ist wieder seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages.Toncar trat 1998 in die FDP ein. Von 1998 bis 2014 gehörte der dem FDP-Kreisvorstand Böblingen und von 2003 bis 2011 und wieder seit 2015 dem FDP-Bezirksvorstand Region Stuttgart an. Von 2003 bis 2006 war er Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Baden-Württemberg. Von 2008 bis 2014 war er Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Böblingen und von 2009 bis 2014 Kreisrat im Landkreis Böblingen und von 2009 bis 2011 stellvertretender Bezirksvorsitzender des FDP-Bezirksverbandes Region Stuttgart. 2011 wurde er zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der FDP Baden-Württemberg gewählt. Dieses Amt hatte er bis 2. November 2013 inne. Toncar war 2010 bis 2012 Mitglied der Grundsatzprogramm-Kommission der FDP. Außerdem war Mitglied der Programmkommission für die Bundestagswahl 2013 und für die Europawahl 2019. Seit 2017 ist er Vorsitzender des Landesfachausschusses für Innen- und Rechtspolitik der FDP Baden-Württemberg. Auf dem 71. ordentlichen Bundesparteitag, am 19. September 2020, wurde Toncar als Beisitzer in den Bundesvorstand der Freien Demokraten nachgewählt.)
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