Eine exklusive Analyse zeigt: Fintechs boomen in NRW. Was das Bundesland richtig macht – und warum das für die Zukunft eine krasse Verschiebung innerhalb des Ökosystems bedeuten könnte.
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Wer an Fintechs denkt, denkt an die hippe Szene in Berlin mit Fintech-Stars der ersten Stunde: N26, Trade Republic, Raisin. . Oder an München, die Heimat von Branchengrößen wie Scalable Capital und Ivy. Kaum einer denkt an Köln, Aachen, Münster oder gar an Lemgo. Dabei boomten Fintechs in NRW. Im vergangenen Jahr sind in Nordrhein-Westfalen (NRW) allein 20 neue Fintechs an den Start gegangen – von insgesamt 97 Gründungen in ganz Deutschland. Das zeigt eine geografische Auswertung des Start-up-Verbands und der Datenplattform „Startupdetector”, die Payment & Banking vorliegt. Derzufolge liegt Nordrhein-Westfalen mittlerweile deutschlandweit auf Platz zwei und nur knapp hinter der Berliner Start-up-Bubble mit 22 Gründungen im Finanzbereich. Abgehängt hingegen hat das Bundesland der Industriemetropolen sowohl Bayern als auch den alten Finanzstandort Frankfurt. Besonders bei den KI-Gründungen kann Nordrhein-Westfalen punkten: Köln und Düsseldorf sind zwei der Top fünf Standorte in ganz Deutschland dafür. Entwickelt sich hier ein neuer Fintech-Hotspot?
Michael Monstadt von der NRW Bank ist davon überzeugt. Er berät Start-ups vor Ort, hilft bei Finanzierungen und sagt: „Wir haben hier ein sehr gut funktionierendes Ökosystem für Gründer.” Und auch Jannis Gilde vom Start-up-Verband sieht durchaus eine starke Entwicklung für NRW. Zwar weisst er zurecht darauf hin, dass Bayern pro Kopf immer noch deutlich stärker als NRW sei und neben der Neugründungsaktivität natürlich auch Parameter wie Investments in München sehr stark seien. „Trotzdem ist die Entwicklung in NRW positiv.” Was also machen sie richtig in NRW?
Fintechs in NRW: Das sind die Gründe für den Boom
Die Region Köln-Düsseldorf-Aachen, das Ruhrgebiet ähnlich einer riesigen Stadt, das Münsterland: „Wir sehen überall im Land solche Gründungs-Cluster”, sagt Monstadt. Basis für diese sind die Universitäten mit ihren verschiedenen technischen Schwerpunkten, die sich hier mit den vielen Städten anhäufen. Sie bringen nicht nur junge Menschen mit Gründungsambitionen hervor, sondern auch qualifizierte Mitarbeitende für Fintechs in NRW. Da ist die Universität in Bonn samt Max-Planck-Instituts für Mathematik, die Ruhr-Universität Bochum, die stark in der KI-Forschung ist, die international renommierte Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) als Sammelbecken für Ingenieure, die Uni Paderborn mit ihrem IT-Fokus und die praxisorientierte Bergische Universität Wuppertal, die eng mit der Industrie zusammenarbeitet.
Diese ist ein zweiter großer Bonuspunkt für Gründer:innen vor Ort: Es gibt eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen in der Gegend, die gleichzeitig potenzielle Kunden sind, sagt Monstadt: „Die unzähligen Unternehmen in der Gegend sind für Gründer:innen eine attraktives Umfeld, da sie ihre Geschäftsideen mit ihnen testen und an sie verkaufen können.” In Nordrhein-Westfalen gibt es über 700.000 Unternehmen, die potenzielle Kunden sind und das Bundesland zum wirtschaftsstärksten in der Republik machen. Und das ist nicht zu unterschätzen, immerhin generieren Fintechs zwei Drittel ihres Umsatzes durch Busines-to-Business-Geschäfte (B2B). Das ist zwar nicht so sexy wie die Neobank von Morgen zu sein, aber meist rentabler und solider.
Fintechs in NRW: Die lange Arbeit zahlt sich aus
Dabei helfen verschiedene Förderprogramme und Start-up-Center, die das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium unterstützt. „Neben unserer NRW Bank für die Finanzierung gibt es flächendeckend Digitalhubs, Co-Working-Spaces und Netzwerke, die bei niedrigschwellig und kostenlos beraten und Gründer:innen miteinander und mit der Industrie vernetzen”, erklärt Monstadt. 2021 entstand das Förderprogramm Start-up Center.NRW, durch das das Land bis 2027 insgesamt 40 Millionen Euro in die Gründerszene steckt. Seit Ende 2023 unterstützt das Wirtschaftsministerium außerdem die Initiative Fin.Connect.NRW. Schon jetzt gibt es Anlaufstellen für Studierende an den Universitäten, die gründen wollen. Ziel ist es, ein Kompetenzzentrum aufzubauen, um Nordrhein-Westfalen als Fintech-Standort zu etablieren. Es gibt ein Stipendium des Landes, das in der Anfangsphase ein Jahr lang den Lebensunterhalt der Gründer:innen sichert, es gibt kostenlose Pitchtrainings und Unterstützung beim Schreiben von Businessplänen. Das alles trägt nun Früchte, wie auch ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt. Noch im Jahr 2023 gab es in Nordrhein-Westfalen nur sechs Fintech-Gründungen. Jetzt boomen Fintechs in NRW.
Zukunft des Fintech-Ökosystems: Gründer:innen locken Gründer:innen
Infrastruktur, Mittelstand, Universitäten, Förderporgramme: Das Ökosystem zum Gründen ist auch so schon hervorragend. Doch Fintechs profitieren von einem weiteren Umstand: Für ihr Geschäftsmodell ist es egal, wo sie sitzen. Ihr Business findet online statt, und da braucht es kein Büro mit teuren Mieten in Berlin, Frankfurt oder München – besonders dann nicht, wenn die Bedingungen vor Ort ähnlich gut sind und der Kampf um qualifizierte Mitarbeitende leichter zu gewinnen ist. Dass sich das herumspricht zeigt das wohl bekannteste Beispiel: das Silicon Valley. „Wo Gründer sitzen, kommen weitere hinzu”, sagt Monstadt. Bislang es Berlin und München, wo erste Gründungen weitere anzogen wie ein Magnet. Nordrhein-Westfalen schafft nun etwas, was kein anderes Bundesland geschafft hat: Nicht einen großen, sondern mehrere kleine Hotspots zu etablieren, die allesamt langsam, aber sicher wachsen. Das könnte langfristig dazu führen, dass die erweiterte Metropolregion Rhein-Ruhr zum Hotspot für Fintechs wird, während Frankfurt und München womöglich an Bedeutung verlieren. Bis Fintechs in NRW allerdings auf das gleiche Niveau wie Berlin