Frauen sind in der Fintech-Branche zum Weltfrauentag immer noch benachteiligt und unterrepräsentiert. Auch viele Initiativen konnten daran nichts ändern. Nun stehen Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion in diesen Branchen massiv unter Beschuss. Fünf Frauen erzählen, wie sie dies erleben, wie sie damit umgehen und was sie jetzt fordern.
Am heutigen Weltfrauentag (IWD) muss man feststellen, dass die Gleichstellung und Repräsentation von Frauen in der Fintech-Branche seit dem letzten Weltfrauentag keine großen Fortschritte gemacht haben. Ganz im Gegenteil: Reaktionäre Kräfte drohen die bisher kleinen Fortschritte wieder rückgängig zu machen. Wie erleben Frauen aus diesen Branchen das gerade? Was fordern sie? Und wie kann die Branche etwas dagegen tun? Wir haben vor der von Payment & Banking veranstalteten Payment Exchange – PEX2025 nachgefragt.
Carola Wahl, CEO, Nexi DACH
„DEI war in diesen Unternehmen mehr Marketing als wirkliche Überzeugung”
„Dieser IWD ist ein besonders wichtiger: Viele namhafte Firmen in den USA und auch Europa haben ihre DEI-Programme in den letzten Wochen eingestellt. Sie scheinen regelrecht erleichtert zu sein, dafür das „anti-woke movement“ zum Anlass nehmen zu können, und haben sich damit selbst enttarnt: DEI war in diesen Unternehmen mehr Marketing als wirkliche Überzeugung.
Ein perfekter Zeitpunkt für Firmen wie Nexi, sich einen kompetitiven Vorteil bei der Rekrutierung von Frauen zu schaffen. Nexi sieht sich auch weiterhin der Förderung von Frauen verpflichtet und setzt sein DEI Programm fort.”
Ellen Kuder, Vice President Ecosystem Growth, Riverty
„Es liegt an uns, Produkte so zu gestalten, dass sie Frauen gezielt ansprechen”
„Je komplexer und technischer eine Branche ist, desto geringer ist der Frauenanteil – und das zieht sich durch fast alle technologiebezogenen Sektoren. Während in der FinTech-Branche Frauen immerhin 30 Prozent der Belegschaft ausmachen und nur 12 Prozent der Gründer stellen, geht es sogar noch extremer: In der Blockchain-Industrie liegt der Frauenanteil bei nur 5 Prozent.
Diese Zahlen zeigen: Technologie- und Finanzsektoren werden nach wie vor von Männern dominiert, und je spezialisierter und komplexer das Thema, desto stärker fällt dieser Trend aus. Dabei sind es gerade diese Branchen, die unsere Zukunft gestalten. Wer hier nicht auf Diversität setzt, riskiert nicht nur Innovationskraft, sondern auch langfristiges Wachstum.
Neben allen anderen Faktoren, wie fehlende Vorbilder, Unternehmenskultur und strukturelle Hürden – an denen wir aktiv arbeiten können –, zeigt sich das Ungleichgewicht auch auf der Nutzer:innenseite: Frauen nutzen FinTech-Produkte seltener als Männer. Wenn Frauen in der Entwicklung und Gestaltung von Finanz- und Payment-Produkten nicht mitgedacht werden, verstärkt sich dieser Kreislauf der Unterrepräsentation. Deshalb liegt es an uns, Payment- und FinTech-Produkte so zu gestalten, dass sie Frauen gezielt ansprechen und ihre Bedürfnisse stärker berücksichtigen.Ich würde Frauen ganz besonders dazu raten, neue Technologien auszuprobieren und zu erkunden – neugierig und ohne Berührungsängste. Man muss nicht sofort alles verstehen, aber der Mut zur Unwissenheit am Anfang ist der Schlüssel zum Wachstum. FinTech braucht mehr Frauen, die nicht nur dabei sind, sondern prägen, wie Finanztechnologien unser Leben verändern.“
Jacqueline Mühlhausen, Senior Sales Executive, Worldpay
„Medien müssen viel mehr über die Branche sprechen”
„Ich habe in der Payment-Branche im Headhunting angefangen – ohne eine Ahnung davon, was ich eigentlich tun muss oder was Fintech überhaupt ist. Jetzt kann ich mir keine andere Branche mehr vorstellen, weil hier jede Firma und jede Person Innovation vorantreibt. Der Erfolg kommt durch Zusammenarbeit verschiedener Generationen und genau das begeistert mich.
Damit mehr Frauen an dieser Zusammenarbeit mitwirken, müssen Bildungseinrichtungen und Medien viel mehr über die Branche sprechen. Das Wort „Banken“ schreckt eher ab, als dass es neugierig macht. Wir wollen doch alle etwas Cooles tun und in einem innovativen Unternehmen arbeiten – aber dafür muss man auch selbst etwas investieren.
Vor allem durch Mentoring lernt man wirklich dazu. Man nimmt konstruktives Feedback besser an und ist offener für Veränderungen. Wir Frauen fragen viel zu selten nach mehr und hoffen stattdessen darauf, dass wir gesehen werden. Deshalb sollten Unternehmen aktiver darauf achten, Potenziale zu erkennen und gezielt Wachstum zu fördern.”
Sophie Akhibi, Senior Partnership Managerin, Raisin Bank
„Der größte Hebel liegt bei uns selbst”
„Das Motto des diesjährigen internationalen Frauentages ist #AccelerateAction. Bei der derzeitigen Geschwindigkeit des Fortschritts wird es nach Angaben des Weltwirtschaftsforums bis zum Jahr 2158, also in etwa fünf Generationen, dauern, bis die vollständige Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist.
Ungleiche Verteilung von Vermögen, Führungspositionen, politischen Ämtern, ist Realität. Die entscheidende Frage für mich ist: Wie können wir die Transformation für die gesamtgesellschaftliche Gleichberechtigung aller Menschen aktiv mitgestalten und beschleunigen?
Mein größtes Learning bisher: Setze deine Energie dort ein, wo du die größten Hebel hast. Meiner Meinung nach liegt einer der größten Hebel bei uns selbst. Diese Erkenntnis mag zunächst ernüchternd erscheinen, doch je mehr man darüber nachdenkt, desto befreiender ist sie. Ich kann meinen Einfluss nutzen, um positiv zu wirken – für mich und mein Umfeld. Das bedeutet, bewusste Entscheidungen zu treffen, Chancen zu ergreifen, Netzwerke zu pflegen und Unterstützung aktiv zu geben und anzunehmen. Ebenso wichtig ist es, Unternehmen und Initiativen zu fördern, die Diversität und Gleichberechtigung vorantreiben.
Mit Blick auf die Finanzbranche wünsche ich mir einen positiv konnotierten Fokus auf Diversität und den Mut, strukturelle Veränderungen voranzutreiben. Die Umverteilung von Vermögen ist bereits im Gange, der Bedarf an Fachkräften steigt. In meinen Augen werden Unternehmen, die Vielfalt ernst nehmen und diese gewinnbringend und nachhaltig integrieren, langfristig erfolgreich sein. Es braucht Produkte, Unternehmenskulturen und Strategien, die die Anforderungen einer heterogenen Gesellschaft bedienen und sich gleichzeitig positiv auf die Wertschöpfungskette (mehr KundInnen, höherer Umsatz, weniger Kosten etc.) auswirken. Integrative Ansätze sind daher nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine strategische Notwendigkeit.”
Frederica Mouritz, Director, Business Development Retail & Commerce Central Europe, Mastercard Central Europe
„Es kommt auch auf die Unterstützung der Männer an, um Frauen nach vorne zu bringen”
„An diesem Tag denke ich an Vorbilder wie die ehemalige Chefin von PepsiCo, Indra Nooyi. Sie hat in einer Zeit, in der Frauen gerade erst den Weg in Führungspositionen gefunden haben, geschafft, ihre eigenen Werte und Moral nicht aufzugeben und es trotzdem bis an die Spitze zu schaffen. Als erste Frau mit Migrationshintergrund führte sie ein Fortune-50-Unternehmen und ebnete damit den Weg für Diversität in Führungspositionen.
Sie setzte sich aktiv für die Förderung von Frauen und Minderheiten in Führungspositionen ein und schuf eine Unternehmenskultur, die Vielfalt und Inklusion betonte. Gleichzeitig hat sie ein modernes Bild einer Partnerschaft und Familie vorgelebt. Ihr Ehemann, Raj, spielte eine entscheidende Rolle in ihrer Karriere, indem er sie unterstützte und berufliche Veränderungen mittrug. Dieses Beispiel zeigt, dass es auch auf die Unterstützung des Umfelds und besonders der Männer ankommt, um Frauen nach vorne zu bringen.”
Einige der Frauen aus unseren Artikeln sind auch Speaker:innen auf der PEX 2025! 🎤
Ellen Kuder, die die Zukunft von Consumer Credits beleuchtet, wird auf der PEX über KI und alternative Datenquellen sprechen.
Carola Wahl wird das Thema Diversity und ESG als Wachstumstreiber in der Finanzbranche vertiefen.
Und Frederica Mouritz führt uns durch die Customer Journey und zeigt, wie wir Kundentreue im modernen Handel aufbauen können.
Verpasst nicht die Gelegenheit, ihre spannenden Sessions zu erleben!