Dann zahl halt bar! Die Wahrheit über die Kosten des Bezahlens

Vergleich der Kosten von Bar- und Kartenzahlung im Handel

Kartenzahlung hat bei vielen den Ruf, das teurere Zahlungsmittel zu sein. Dabei werden die eigentlichen Kosten von Barzahlungen unterschätzt. Warum das irreführend ist.  

Zur deutschen Aufregungskultur geht auch das “Cash is King Schild am Späti um die Ecke. Oder eines, das Kartenzahlung erst ab 10 Euro erlaubt. Passend dazu die Diskussionen in sozialen Netzwerken, in denen die „gute“ Barzahlung gegen die „schlechte“ Kartenzahlung verteidigt wird. Bargeld ist gelebte Freiheit und die da oben wollen uns die letzte Mark, sorry Euro wegnehmen. Also in echt. 

Damit ein Schuh daraus wird, bedienen sich insbesondere Händler eines Mythos. Dem Mythos,  dass Bargeld kostenlos sei, während Kartenzahlungen dem Händler die Marge rauben. Aber stimmt das wirklich? Nein.

Das Märchen vom kostenlosen Bargeld

Um die Kosten von Bar- und Kartenzahlungen fair zu vergleichen, kann man sich einiger Zahlen bedienen. Die Deutsche Bundesbank hat 2024 eine umfassende Studie zu den Kosten von Bargeld und Kartenzahlungen aus Verbrauchersicht veröffentlicht. Diese ergänzt die älteren Daten aus Händlersicht von 2019 und zeigt ein differenziertes Bild.

ZahlungsmethodeKosten pro Transaktion (Handel 2019)Kosten in % des Umsatzes (Verbraucher 2024)
Bargeld0,24 €1,74 %
Girocard0,33 €1,49 %
Kreditkarte> 0,33 €2,38 %

Die Zahlen zeigen: Die landläufige Meinung, Bargeld sei kostenlos, ist nicht haltbar. Für Verbraucher ist die Girocard, bezogen auf den Umsatz, sogar die günstigere Variante. Das liegt daran, dass sie häufiger für größere Einkäufe genutzt wird, während Bargeld eher für kleine Beträge zum Einsatz kommt.

Trotzdem kursieren immer wieder irreführende Rechnungen. Ein 50-Euro-Schein könne beliebig oft den Besitzer wechseln, ohne an Wert zu verlieren, während bei Kartenzahlungen so hohe Gebühren anfallen, dass am Ende aus 50 Euro nur noch 5 Euro werden. Diese Darstellung ist nicht nur irreführend, sondern auch mathematisch falsch. Sie vergleicht Äpfel mit Birnen: Den Nominalwert eines Geldscheins mit den Transaktionskosten verschiedener Zahlungsvorgänge.

Die Realität sieht anders aus: Auch Bargeld verursacht erhebliche Kosten. Wie die Bundesbank-Studie zeigt, kostet jede Bargeldtransaktion den Handel durchschnittlich 24 Cent. Diese Kosten umfassen Personalaufwand, Transport, Sicherheitsmaßnahmen und Verluste durch Diebstahl oder Falschgeld. Auf das Jahr hochgerechnet, summieren sich diese Kosten für den deutschen Einzelhandel auf beachtliche 3,77 Milliarden Euro.

Was Händler wirklich zahlen: Ein Blick auf die Praxis

Für Händler, die sich für Kartenzahlungen entscheiden, gibt es heute eine Vielzahl von Anbietern mit unterschiedlichen Preismodellen:

AnbieterGirocard/DebitkarteKreditkarteBesonderheiten
SumUp (umsatzbasiert)1,39 %1,39 %0€ Grundgebühr [4]
myPOS (<10.000€/Monat)0,90 %1,30 %0€ Grundgebühr [5]
Sparkasse s-pos0,79 %1,9 %1€ Einrichtung, 0€ Grundgebühr [6]

Diese Preise zeigen, dass die oft zitierten Gebühren von über 2,5 Prozent nicht der Realität entsprechen. Gerade bei der in Deutschland dominierenden Girocard liegen die Kosten deutlich niedriger.

Kostenvergleich: Bargeld vs. Karte in der Praxis 


Um die abstrakten Zahlen greifbar zu machen, schauen wir uns in einem fiktiven Beispiel einen typischen (kleinen) Händler an. Damit man realistisch rechnen kann, werden die aktuellen Bundesbank-Daten zahlen zu Grunde gelegt: 49 Prozent aller Transaktionen mit Karte, davon 90 Prozent mit der Girocard. Und ja, je nachdem welche Studie man gerade bemüht, verschiebt es sich in die ein oder andere Richtung. Die Tendenz ist aber klar.

Das Restaurant „Zur Linde“ bedient 200 Gäste pro Woche mit einem durchschnittlichen Warenkorb von 50 Euro. Das entspricht einem Jahresumsatz von 520.000 Euro.

Kartenzahlungen: Von den 200 wöchentlichen Transaktionen werden 98 mit Karte bezahlt, davon 88 mit der Girocard. Bei myPOS (0,90 Prozent) entstehen Kosten von 2.059 Euro pro Jahr oder 172 Euro monatlich.

Bargeld-Transaktionen: Die verbleibenden 102 Transaktionen werden bar abgewickelt. Laut Bundesbank kostet jede Bargeldtransaktion den Handel 24 Cent. Das ergibt bei 5.304 Bargeld-Transaktionen pro Jahr Kosten von 1.273 Euro oder 106 Euro monatlich. Hinzu kommen versteckte Kosten: Bankgebühren für Einzahlungen, Wechselgeld-Vorhaltung, Transportkosten, Versicherung und Verluste durch Diebstahl oder Falschgeld – zusammen weitere 800-1.200 Euro jährlich.

Gesamtkosten Bargeld: 2.073-2.473 Euro pro Jahr (173-206 Euro monatlich) – und damit höher als die Kartenzahlungskosten.

Für Gastronomen wird die Diskussion zusätzlich durch die geplante Mehrwertsteuersenkung befeuert. Ab Januar 2026 soll die Umsatzsteuer für Speisen von 19 auf 7 Prozent sinken. Niedersachsens Finanzminister knüpft solche Steuererleichterungen jedoch an eine Bedingung: Gastronomen sollen mindestens eine digitale Zahlungsoption anbieten müssen. Der Grund: In bargeldintensiven Branchen wie der Gastronomie entgehen dem Staat jährlich etwa 16-20 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung.

Diese Beispiele zeigen: Bargeld ist keineswegs kostenlos. Im Gegenteil – die versteckten Kosten übersteigen oft die transparenten Kartenzahlungsgebühren deutlich.

Die Psychologie des Bezahlens: Warum Deutsche besonders am Bargeld hängen

Die deutsche Bargeld-Präferenz hat tiefe historische Wurzeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Währungsreform von 1948 verloren die Deutschen praktisch über Nacht ihre Ersparnisse. Aus 100 Reichsmark wurden gerade einmal 6,50 D-Mark. Diese traumatische Erfahrung prägte Generationen: Nur was man physisch in der Hand hält, ist wirklich sicher.

Diese historisch gewachsene Skepsis gegenüber abstrakten Geldformen erklärt, warum Deutschland bei der Kartenzahlung im europäischen Vergleich hinterherhinkt. Bargeld vermittelt das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit, das in der deutschen Mentalität tief verwurzelt ist.

Doch die Bargeld-Präferenz hat auch eine Schattenseite. In Branchen wie der Gastronomie und bei Dienstleistern wie Friseuren wird die Anonymität des Bargelds gezielt genutzt, um Steuern zu hinterziehen. Die Zollgewerkschaft sieht Friseur- und Kosmetikbetriebe als „Hotspots für Schwarzarbeit“ [12]. Wenn ein Restaurant oder Friseursalon ausschließlich Bargeld akzeptiert, stecken oft nicht nur Kostenüberlegungen dahinter, sondern auch der Wunsch, Umsätze vor dem Finanzamt zu verbergen.

Der Datenschutz-Aspekt verstärkt diese Präferenz zusätzlich. Bei Barzahlungen bleiben wir anonym – niemand kann nachvollziehen, was wir wo und wann gekauft haben. Eine Bundesbank-Umfrage zeigt: Jeder Vierte wäre bereit, 50 Cent pro Einkauf zu zahlen, wenn die eigenen Daten direkt danach gelöscht würden [1].

Deutschland gilt oft als „Land der Barzahler“ und hinkt bei der Akzeptanz von Kartenzahlungen hinterher. Die Zahlen der Initiative „Deutschland zahlt digital“ verdeutlichen das Ausmaß: Mit nur 25,8 Prozent liegt Deutschland beim Anteil der Kartenzahlungen an den Haushaltsausgaben deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 48,4 Prozent. Frankreich erreicht bereits 52,2 Prozent [7].

Doch der Trend ist auch in Deutschland unverkennbar: Die Kartenzahlung ist auf dem Vormarsch. Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank ist der Anteil der Barzahlungen im Euroraum von 72 Prozent im Jahr 2019 auf 52 Prozent im Jahr 2024 gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Kartenzahlungen von 25 auf 39 Prozent.

Fazit: Zahlungsfreiheit, Mythen und Realität

Die Debatte um Bargeld und Karte ist oft emotional aufgeladen und von Mythen geprägt. Die Fakten zeigen jedoch, dass die Realität weitaus differenzierter ist. Weder ist Bargeld kostenlos, noch ist die Kartenzahlung per se der teurere Weg.

Die Vorstellung, dass Bargeld ein Hort der Freiheit und die Karte ein Instrument der Überwachung ist, greift zu kurz. Als Verbraucher solltest du die Zahlungsmethode wählen, die am besten zu deinen Bedürfnissen passt – sei es aus Gründen der Kosten, der Bequemlichkeit oder des Datenschutzes. Und als Händler gilt es, eine kluge Abwägung zwischen den Kosten der verschiedenen Zahlungssysteme und den Erwartungen der Kunden zu treffen.

Am Ende geht es um Zahlungsfreiheit. Und die bedeutet, die Wahl zu haben. Die Zukunft des Bezahlens liegt nicht in einem „Entweder-oder“, sondern in einer intelligenten Koexistenz von Bargeld und digitalen Alternativen.

Neue Entwicklungen wie Wero, das europäische Pendant zu PayPal, zeigen bereits heute, wohin die Reise geht. Seit Juli 2024 können Nutzer in Deutschland, Frankreich und Belgien mit Wero Geld in Echtzeit zwischen Bankkonten übertragen – direkt über das Smartphone und ohne amerikanische Plattformen [9]. Mit über 30 Millionen Nutzern entwickelt sich Wero zu einer echten Alternative zu den US-amerikanischen Bezahldiensten.

Autor

  • Maik ist Strategieberater, Autor, Speaker und Podcaster mit über 15 Jahren Erfahrung in der Finanz- und Paymentbranche. Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) verantwortet er die Strategie für digitale Wallets und treibt Themen wie Mobile Payment, Banking-Apps und KI voran. Als Gründer von Payment & Banking, Host des Podcasts „AI in Finance“ und LinkedIn Top Voice Finance erreicht er über 9.000 Follower und prägt pointiert die Diskussion rund um Innovation im Zahlungsverkehr. Sein Buch „Zahlungschaos und Payment Eskapaden“ verbindet persönliche Einblicke mit fachlicher Analyse eines Jahrzehnts digitaler Transformation. Maik steht für klare Kommunikation, strategisches Denken und mutige Wege, immer mit Fokus auf die Kund:innen.

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