Crypto-backed Lending: Wenn Bitcoin zur Kreditsicherheit wird

Das Traumhaus mit einem Bankdarlehen finanzieren – und dafür Bitcoin als Sicherheit hinterlegen? Das wird schon bald möglich sein. Denn zwei Welten, die im Kreditgeschäft bislang wenig miteinander zu tun hatten, rücken mit Crypto-backed Lending zusammen.

Deutschland ist Europas größter Krypto-Markt: 5,8 Millionen Menschen halten laut BlackRock Kryptowährungen, vor allem Bitcoin. 1,7 Millionen planen den Einstieg. Trotz Schwankungen hat der Bitcoin in den letzten Jahren gut performed und traditionelle Anlageklassen weit hinter sich gelassen. Für viele junge und digitalaffine Besitzer ist deshalb klar: Sie wollen ihre Coins nicht verkaufen, aber sie suchen nach Möglichkeiten, damit ihre Liquidität zu steigern. Sei es für den Kauf einer Immobilie, eines neuen Autos oder für andere Konsumgüter. Für Banken ist das die Gelegenheit, mit kryptobasierten Krediten eine Kundengruppe zu gewinnen, die sie mit klassischen Kreditmodellen kaum erreichen.

MiCAR als Türöffner für kryptobasierte Kredite

Crypto-backed Lending basiert dabei nicht auf Smart Contracts, sondern ist mit einem Lombardkredit vergleichbar: Der Kreditnehmer hinterlegt Bitcoin bei der Bank als Sicherheit (Collateral), im Gegenzug erhält er die Kreditsumme in Euro. Rückendeckung erhält dieses Modell von MiCAR, der EU-Verordnung für Krypto-Assets. Sie schafft erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen. Banken mit kryptobasierten Krediten gelten als Crypto Asset Service Provicer (CASP) und unterliegen strengen Berichtspflichten. Zur praktischen Umsetzung haben die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) über die European Securities an Markets Authority (ESMA) Leitlinien veröffentlicht, die für eine einheitliche Klassifizierung von Crypto-Assets sorgen.

Was auf den ersten Blick wie eine weitere regulatorische Hürde erscheint, ist tatsächlich ein Vorteil im Wettbewerb mit sogenannten dezentralen Finanzplattformen, die auf Blockchain und Smart Contracts setzen. Denn die bei klassischen Finanzinstituten bereits fest etablierten Geldwäsche-, Onboarding- und Compliance-Prozesse schaffen Vertrauen bei potenziellen Kunden. Zudem erlaubt MiCAR den Banken grenzüberschreitende Angebote im gesamten EU-Binnenmarkt, ohne dass pro Land separate Genehmigungen nötig sind.

Wie Crypto-backed Lending ins Kernbanksystem integriert wird

Die eigentliche Herausforderung für Finanzinstitute liegt aber in der Anbindung an das Kernbanksystem. Kreditvergabe, Wallet-Management, Sicherheitenbewertung und Reporting müssen durchgängig in bestehende Systeme integriert werden. Hier kommen sogenannte „Middleware“-Lösungen ins Spiel: Beim Crypto-backed Lending verbinden sie Core Banking mit Bitcoin-Verwahrstellen und -Handelsplätzen, steuern Datenflüsse und stellen sicher, dass regulatorische Vorgaben eingehalten werden.  

Ein Beispiel für eine solche Middleware-Lösung ist der Crypto Lending Pilot (CLP). Er unterstützt Banken unter anderem beim Wallet-Management und überwacht Kursverluste in Echtzeit. Für kryptobasierte Kredite sind Sicherheits-Wallets bei Banken notwendig, in denen die Kunden ihre Bitcoins hinterlegen können. Sinkt der Wert der Coins in einem Subwallet unter eine vereinbarte Schwelle, greift eine Margin-Call-Logik. Der Kunde kann dann nachbesichern, andernfalls wird das Collateral liquidiert. Anders als bei Smart Contracts sind mit dem Crypto Lending Pilot zudem Anpassungen wie Sondertilgungen, Umschuldungen oder Pfandtausch wie im klassischen Kreditgeschäft möglich. Erste Banken wollen noch bis Ende des Jahres Pilotprojekte starten, dann wären Kredite bereits 2026 Realität.

Autor

  • Thomas Münch ist Product Owner bei Sopra Financial Technology und treibt die Integration von Bitcoin als Kreditsicherheit im europäischen Bankenmarkt voran. Mit über 20 Jahren Erfahrung – von der klassischen Kreditanalyse bis zur digitalen Produktentwicklung – gestaltet er innovative Lösungen im Bereich „Bitcoin-backed Lending“ an der Schnittstelle von Bankwesen und Bitcoin.

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