„Viele Rich-Kid-Gründer wissen nicht, wie man richtig arbeitet“

Bitpanda-Gründer Eric Demuth

Bitpanda-Gründer Eric Demuth spricht im exklusiven PAB-Interview über die absurden Finanzierungsrunden neuer Gründer, warum einige Fintechs kämpfen müssen und wie Bitpanda 2023 wieder in die Gewinnzone gekommen ist.

Eric Demuth hat es gemeinsam mit seinen Mitgründern geschafft, ein milliardenschweres und gleichzeitig profitables Fintech aus dem Boden zu stampfen. Bis heute hält die Gründermannschaft mehr als 50 Prozent der Anteile, was ungewöhnlich ist. Nach vielen Erfolgsjahren und Rekordfinanzierungen musste das Scale-up äquivalent zum Gesamtmarkt im Jahr 2022 einige Rückschläge einstecken. Der Umsatz brach von fast 500 Millionen Euro auf gerade einmal 90 Millionen Euro, plötzlich stand da ein Verlust von 116 Millionen Euro. Seither ist viel passiert. Die Fintech-Welt hat sich erholt, die für Bitpanda so wichtigen Kryptowährungen laufen wieder besser. Und auch das Investorengeld sitzt wieder lockerer. Alles wieder gut? Zeit für ein Interview. 

Herr Demuth, 2022 war für Bitpanda ein Jahr zum Vergessen. Haben Sie 2023 auch schon aus dem Gedächtnis gelöscht?

Eric Demuth: Wir hatten 2022 das Verlustjahr, das stimmt. Aber wir haben extrem schnell reagiert. Wir haben ganz radikal die Kosten gesenkt, wozu auch ein Stellenabbau gehört hat. Der tat natürlich weh, auch weil wir einige gute Leute verloren haben. Wir haben in den Jahren davor den gleichen Fehler gemacht wie die meisten Techfirmen in der Hype Zeit weltweit. Wir haben „overhired” und versucht, Menschen und Geld auf Probleme zu werfen, um sie zu lösen. Da haben wir gemerkt, dass das nicht geht und haben das zurückgedreht. Wir arbeiten seitdem viel effizienter mit viel weniger Menschen und erreichen deshalb unsere Ziele. 2023, das weiß noch niemand, werden wir einen zweistelligen Millionengewinn ausweisen. Ich glaube, das kann fast kein Fintech in Europa vorweisen in einem eigentlichen Krisenjahr. Wir haben mit viel Disziplin das Ruder herumgerissen und operieren jetzt auf einer sehr effizienten Kostenbasis, ohne Kompromisse in unserer Roadmap machen zu müssen. Alle reden vom Skalieren, wir tun es aktuell. Denn unsere Kostenbasis bleibt niedrig, obwohl unsere Umsätze seit Monaten steigen. Ich denke, dass wir das den anderen Firmen voraushaben. 

Für die Belegschaft war 2022 sicherlich nicht leicht. 

Die ersten Monate waren hart. Aber nach etwa vier bis fünf Monaten hat sich die Stimmung gedreht und alle waren wieder sehr zuversichtlich und zukunftsorientiert. Die Zeit hat uns auch als Führungsteam nochmal mehr zusammengeschweißt, langfristig war dieser Prozess sehr wichtig und gesund für unsere Firma. 

„Da kommen schon die ersten Start-up-Söldner aus den Ecken gekrochen, die marktschreierisch mit irgendeiner „Idee” viel Geld einsammeln wollen”

Mittlerweile ist die Stimmung wieder besser, Investoren rücken wieder Geld raus. Kommt jetzt wieder ein Fintech-Boom? 

Die Fonds sind viel selektiver geworden. Wenn die früher 50 Deals gemacht haben, machen sie heute nur noch zehn. Die schauen da ganz genau hin. Aber wir müssen das einmal teilen in Growth-Geld und Seed-Finanzierungen. Denn Growth-Geld werden nur diejenigen bekommen, die ihre Kostenstruktur im Griff haben. Die Venture-Capital-Firmen gehen hin und sagen: Zeig mir, dass du profitabel bist oder es in zwölf Monaten sein wirst. Aber das können ganz viele Fintechs nicht, die vielleicht gerade eine Series-A-Finanzierung haben. Viele haben damit geplant, noch mindestens vier Jahre Geld zu verbrennen. Aber die werden jetzt keines mehr bekommen. Ich glaube, wir werden einige Fintech-Pleiten sehen – auch von Start-ups, die vielleicht noch sehr hoch bewertet sind. 

Sie haben Growth-Geld von Seed-Finanzierungen abgegrenzt. Was beobachten Sie bei den jungen Start-ups? 

Die Szene muss aufpassen, nicht die gleichen Fehler zu machen wie zuvor. Da kommen schon die ersten Start-up-Söldner aus den Ecken gekrochen, die marktschreierisch mit irgendeiner „Idee” viel Geld einsammeln wollen. Es sind Leute dabei, die einen auf den ersten Blick netten Lebenslauf haben und schon bei allerlei Techfirmen gearbeitet haben. Die haben jetzt eine Idee und rufen für diese Idee eine Bewertung von x-Millionen Euro auf. Absurd! Ich habe damit ein riesiges Problem, wenn Leute nur für eine Idee Geld haben wollen. Zeigt doch erstmal, dass das funktioniert, zeigt doch mal „Skin in the game” und arbeitet mal. Aber das können die nicht. 

Wie meinen Sie das? 

Gerade viele Rich-Kid-Gründer wissen nicht, wie man richtig arbeitet. Die wissen nur, wie man das Geld von anderen ausgibt und sich Kunden erkauft. Und wenn es dann nicht funktioniert, macht man was anderes. Das ist für die wie Spielzeug, das man in die Ecke wirft und sich einfach das nächste holt. „Entrepreneur as a Lifestyle“ ist das. Das Gleiche gilt für Leute, die auch zu mir kommen und sagen, dass sie bei Google und bei Facebook waren und deswegen gern einen sechsstelligen Betrag von mir hätten für ihre Idee. Eine Idee und Konzept sind absolut wertlos! Es kommt immer nur auf die Exekution an. Sollen die doch erstmal ein halbes Jahr ohne Gehalt arbeiten und zeigen, dass sie schuften können. Wenn die vorher bei einer großen Techfirma waren, sollte ein gewisses Polster da sein. Die meisten erfolgreichen Gründer, die ich kenne vor der 2020er-Hype-Zeit, haben alle eine lange Zeit hart gearbeitet ohne doppelten Boden und mit viel Fleiß und Tränen sich durchgebissen. Man denke nur an die stereotypischen Bilder der Anfänger der großen Internetfirmen in der Garage daheim. Da müssen wir eher wieder hinkommen. 

„Sobald die Leute dich vollquasseln und auch Nachfragen immer nur sagen, was im Pitchdeck steht, ist das schlecht”

Auch Bitpanda hat einst um Investoren geworben. Sie werden ähnlich dreist ausgesehen haben. 

Vollkommen anders. Wir haben ab 2013 die Firma aufgebaut und richtig viel gearbeitet. Wir haben Code geschrieben, wir haben die Plattform entwickelt, statt irgendwelche PowerPoint-Präsentationen mit unseren Lebensläufen rumzuschicken. 2016 haben wir eine Zwischenfinanzierung geholt. Da hatten wir einen „Proof of Concept”, wir waren profitabel. Und was hatten wir für eine Bewertung? Etwa 7.000.000 Euro. Ich bereue die Finanzierungsrunde nicht, weil es zu der Zeit Sinn gemacht hat. Danach haben wir vier Jahre weiter weitergemacht und geboostrappt, waren jedes Jahr profitabel, mussten jeden Cent umdrehen. Im Vergleich zu dem, was manche Gründer heute haben wollen, ist das absurd. Die Leute wurden mit Geld zugeworfen, ohne dass sie wirklich etwas geleistet haben. Das ist eine schlimme Sache und heute zeigt sich, wie viele nun scheitern. Ich sage immer, die sollen erstmal „hustlen”, bevor es Geld gibt.

Wie sieben Sie als Wagniskapitalgeber aus? 

Meistens über das Bauchgefühl. Sobald die Leute dich vollquasseln und auf Nachfragen immer nur sagen, was im Pitchdeck steht, ist das schlecht. Die Marketing-Broschüre hätte ich mir auch alleine durchlesen können. Investieren in Hype-Leute, die auf jeden Trend aufspringen und das schnelle Geld als Ziel haben, hat eine hohe Chance des Totalverlustes.

Jetzt wo das Geld der Investoren wieder fließt, scheinen auch die Anleger wieder mehr zu investieren. Bitcoin ist zuletzt über 60.000 US-Dollar geklettert, viele Kryptowährungen und Aktienmärkte laufen gut. Machen Sie jetzt wieder Reibach?

Wir hatten bei Bitpanda nie einen Monat, in dem mehr Geld raus- als reingeflossen ist von den Kunden. Das heißt, die Leute haben das Geld gar nicht aus Aktien oder Krypto rausgezogen, sondern nur liegen lassen. Jetzt ist wieder Fantasie in beiden Märkten und das spüren wir natürlich. Besonders bei Krypto ist es so: Steigst du einmal ein und beschäftigst dich mit der Thematik intensiver, sind die meisten fasziniert und bleiben langfristig dabei.

„Wirklich alle Coins im Blick zu haben, ist ein Vollzeitjob”

Klingt ein bisschen nach Abhängigkeit. 

Quatsch, das ist wie bei Aktien. Die Leute fangen häufig mit den Blue-Chip-Aktien an oder bei Krypto, dann Bitcoin und Ethereum. Da streuen sie vielleicht mal zwei oder drei Prozent ins Gesamtportfolio, aber dann finden sie das immer spannender. Dann kaufen sie auch mal den ein oder anderen spekulativeren Coin. Wirklich alle Coins im Blick zu haben, ist ein Vollzeitjob. Das schaffe ich auch nicht mehr, und das muss man auch nicht.

Sie schicken auch Push-Mitteilungen, wenn Coins steigen oder fallen. Drängen Sie die Menschen damit ins Trading? 

Entstanden ist es aus ganz anderem Grund: Die Leute haben uns gesagt, sie wollen mehr Informationen. Sie würden verpassen, wenn ihr Investment fällt oder steigt. Auch Einstiegschancen haben sie immer erst zu spät gesehen. Bei der Konkurrenz gab es das und dann haben wir das auch gemacht, um die Leute rechtzeitig zu informieren. Wer das nicht will, kann das mit zwei Klicks abstellen. Insgesamt kommt das Feature sehr gut an.

Sie dürften künftig viele unerfahrene Anleger dazu bekommen. Immerhin sind Sie jetzt Sponsor des FC Bayern München. Was erhoffen Sie sich von dem Deal? 

Die Erfolge der Kooperation sind nicht so leicht messbar wie im Performance-Marketing und es wäre jetzt auch noch zu früh, erste Schlüsse daraus zu ziehen. Für uns ist es aber sicherlich ein wichtiger Schritt. Wir sind über zehn Jahre gewachsen, haben in Europa die meisten Lizenzen und haben den Grundstein für solche Dinge gelegt. Die Regulierung ist gut und jetzt ist es die richtige Zeit, das Thema Kryptowährungen in die breite Masse zu tragen. Das haben wir so gesehen und der FC Bayern auch. Sonst hätte er den Deal nicht gewollt. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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