Ein Gastkommentar von Sebastian Warnke, Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Digital Exchange GmbH
Die lockere Geldpolitik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie führt in vielen Ländern zu steigenden Inflationsraten. Um sich dagegen abzusichern haben Investoren in der Vergangenheit vor allem auf harte Assets wie Gold gesetzt. Mittlerweile erregt aber auch das digitale Asset Bitcoin die Aufmerksamkeit der Anleger: Die bekannte Kryptowährung könnte Gold als Inflationsschutz schon bald Konkurrenz machen.
Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie legten Staaten im vergangenen Jahr massive Notprogramme auf und stellten große Mengen an Kapital bereit. Zwar konnten dadurch die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abgedämpft werden, bemerkbar machen sich die Ausweitung der Geldmenge und das Wiederanspringen der Wirtschaft jetzt aber in stark steigenden Verbraucherpreisen. Nahezu alle Volkswirtschaften erfahren ein spürbares Anziehen der Inflationsrate. Für Investoren stellt sich daher natürlich die Frage, wie sie ihr Geld vor einer weiteren Entwertung bewahren können.
Nach wie vor steht Gold bei Anlegern als Inflationsschutz hoch im Kurs. Mittlerweile haben aber auch Krypto-Assets die Aufmerksamkeit der Anleger erregt – allen voran Bitcoin, der bekannteste Vertreter der noch jungen Anlageklasse. Das hat zwei Gründe: zum einen lässt sich mit digitalen Assets wie Bitcoin das Portfolio weiter diversifizieren. Zum anderen erfüllt die Kryptowährung wichtige Kriterien, um als Wertaufbewahrungsmittel zu dienen. Denn Bitcoin ist genau wie Gold ein Asset mit einer begrenzten Angebotsmenge.
Bitcoin-Angebot wird mit der Zeit knapper
Sowohl Bitcoin als auch Gold sind in nur begrenzter Menge verfügbar. Dennoch gibt es zwischen beiden Anlageklassen erhebliche Unterschiede. Etwa bei der Frage, wann die Angebotsmenge erschöpft sein wird. Bei Gold lassen sich nur Mutmaßungen treffen, wann das letzte Gramm des Edelmetalls seinen Weg auf den Markt findet.
Im Code der Bitcoin-Blockchain steht hingegen bereits von Anfang an fest, wie viele Coins jemals existieren werden. So ist die Menge der jemals existierenden Coins auf 21 Millionen Einheiten begrenzt. Momentan sind mit 18,83 Millionen Bitcoin bereits rund 90 Prozent der maximalen Angebotsmenge erzeugt worden. Da es mit der Zeit immer schwieriger wird, die Kryptowährung zu schürfen, dürfte der letzte Coin höchstwahrscheinlich um das Jahr 2140 erzeugt werden.
Hier offenbart sich ein weiterer zentraler Unterschied zu Gold: Bitcoin und Gold verhalten sich in ihrer Fördermenge konträr zueinander. Denn während die Zahl der erzeugten Bitcoins mit der Zeit abnimmt, nimmt die Fördermenge an Gold seit Jahrzehnten kontinuierlich zu. Über 168.000 der bisher rund 170.000 geförderten Tonnen des Edelmetalls wurden seit dem Jahr 1869 aus der Erde geholt. Wurden 1960 weltweit lediglich 1.190 Tonnen Gold gefördert, waren es 1990 bereits 2.180 Tonnen und 2020 schließlich 3.400 Tonnen. Anders die Lage beim Bitcoin: Durch das ungefähr alle vier Jahre stattfindende Halving wird die Geschwindigkeit, mit der neue Bitcoins vom Mining-Netzwerk erzeugt werden, stetig reduziert. Die Verfügbarkeit neuer Bitcoins nimmt mit der Zeit also ab, was seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel im Vergleich zu Gold begünstigt.
Bitcoin derzeit noch volatiler als Gold
Ebenso wie Gold hat Bitcoin ein hohes Maß an Zugänglichkeit für Investoren. Nie war es für Privatanleger einfacher, digitale Assets zu kaufen und aufzubewahren. Doch auch die Zahl institutioneller Investoren mit langfristigem Anlagehorizont nimmt kontinuierlich zu und könnte die Volatilität des digitalen Assets etwas stabilisieren. Das ist wichtig: Will Bitcoin eine Absicherung gegen Inflation bieten, sollte es ein eher geringes Maß an Wertschwankung aufweisen.
Zwar hat sich die Volatilität des Bitcoins im Laufe der vergangenen Jahre reduziert, Gold erwies sich jedoch gerade in Krisenzeiten als das stabilere Asset. So erlitt der Goldpreis während des Corona-Crashs im Frühjahr 2020 vergleichsweise kleine Verluste, bevor er – ganz im Sinne einer Krisenwährung – im August letzten Jahres bei 1727 Euro ein neues Allzeithoch erreichte.
Im selben Zeitraum war der Bitcoin-Kurs deutlich volatiler – im April 2021 markierte er bei über 53.000 Euro ein Rekordhoch und fiel anschließend binnen eines Monats bis auf rund 30.000 Euro. Vergleicht man beide Assets direkt miteinander, ist Bitcoin derzeit rund fünfmal so volatil wie das Edelmetall.
Akzeptanz digitaler Assets nimmt zu
Im Gegensatz zu Bitcoin kann sich Gold auf einen Datensatz aus mehreren Jahrhunderten berufen, der zeigt, wie sich das Edelmetall unter inflationären Bedingungen verhält. Im Falle von Bitcoin ist die Datenlage der vergleichsweise jungen Assetklasse noch dünn. Die Zeichen stehen jedoch gut, dass auch Kryptos zukünftig eine Alternative zur Absicherung gegen Inflation darstellen könnten. Denn die Branche der digitalen Assets wird zunehmend professionell. Die Phase der „early adopter“ ist vorbei, mittlerweile sind zahlreiche private und institutionelle Investoren in den Markt eingestiegen. Es ist zudem zu erwarten, dass die Zahl interessierter Anleger mit zunehmender Regulierung des Sektors und steigender Auswahl kryptobasierter Finanzprodukte weiter zunimmt. Je mehr Akzeptanz Bitcoin erfährt, desto krisenfester dürfte das Asset auch werden. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass sich die Kryptowährung auf längere Sicht wie Gold als Wertspeicher etablieren könnte.