Altersvorsorgedepot: Finger weg, Banken und Versicherungen! 

Altersvorsorgedepot: Finger weg, Banken und Versicherungen

Deutschland hat endlich die Möglichkeit, seine Fehler in der Altersvorsorge zu korrigieren. Doch Lobbyverbände könnten das verhindern. Das darf nicht passieren. 

Die Payment and Banking-Szene wird unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Heck beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.   

Der Ausblick auf die Rente in Deutschland ist seit vielen Jahren schon ein Trauerspiel. Betriebsrenten werden immer seltener, das Niveau der gesetzlichen Rente befindet sich im Sinkflug und die private Altersvorsorge in Deutschland ist nie wirklich abgehoben. Riester-Rente, Rürup-Rente: Das hat die Menschen mehr Nerven gekostet, als es Rendite eingebracht hat. 

Entsprechend zu begrüßen ist der neue Vorschlag von Christian Lindner (hier der Referentenentwurf) über das sogenannte „Altersvorsorgedepot” zumindest die private Altersvorsorge zeitgemäß aufzustellen. Vorbild der Reform sind Länder wie Frankreich oder natürlich Muster-Schüler Schweden, wo die Menschen schon lange über Fonds und ETFs fürs Alter vorsorgen. In Schweden gibt es mit dem AP7 sogar einen staatlich aufgelegten Standard-Fonds, in den die Menschen einzahlen müssen, wenn sie sich nicht selbst um Alternativen kümmern – und der zuletzt eine Rendite jenseits von zehn Prozent pro Jahr eingespielt hat. 

In Deutschland wird das, wenn das Gesetz denn so durchkommt, nicht ganz so einfach laufen. Statt einem eigenen Fonds will der Staat – wie könnte es in Deutschland anders sein – das Ganze über die Steuer bezuschussen. Für jeden investierten Euro will die Bundesrepublik 20 Cent bis zu einer Grenze von 600 Euro pro Jahr hinzugeben. So könnte sich bei einer Einzahldauer von 30 Jahren und der Ausschöpfung der maximalen Bezuschussung eine Summe von mehr als 270.000 Euro ansammeln. Schön: Die Einzahlungen sind steuerfrei und erst wenn ich mir das Geld im Alter auszahlen lasse, werden sie mit meinem – dann individuell viel niedrigeren – Steuersatz verrechnet. Man kann nur sagen: Das ist eine wirklich gute Idee. 

Es droht eine Verwässerung

Doch es droht Ungemach. Denn die Verbände bringen sich schon in Stellung. Die Versicherer haben ebenso Forderungen im Gepäck, wie die Vermittler und auch die Banken. Alle lesen sich recht ähnlich: Alles eine gute Idee, keine Frage, aber wir brauchen wieder gedeckelte Produkte, die wir dann den Kunden mit netter Provision als „sicherer” verkaufen können. Was für eine blöde Idee. Christian Hecker, Gründer und Kopf von Trade Republic, warnt aufgrund dieser Forderungen bereits öffentlich vor einer Verwässerung des aktuellen Entwurfs. Im Spiegel sagte er zuletzt: „Ich bin schockiert, wie stark gegen das Gesetz gerade lobbyiert wird. Und warum? Weil es die Gewinne der etablierten Banken und Versicherungen schmälert, die vom Riester-System profitiert haben.” Was er meint: Wenn Banken und Versicherer 

Trade Republic würde, ebenso wie Smartbroker, natürlich stark vom aktuellen Lindner-Depot profitieren. Millionen Deutsche, könnten dann zu neuen Kunden werden und könnten bei den Neobrokern die sowieso schon nicht kleinen (Payment & Banking berichtete) Gewinne nach oben treiben. Man könnte also sagen, Christian Hecker ist befangen. Doch seine Argumente sind absolut valide, stichhaltig – und beweisbar. 

Die Riester-Rente zeigt die Fehler, die möglich sind

Denn exemplarisch zeigt schon die Riester-Rente, wie gefährlich es ist, wenn Banken und Versicherer sich als Vermittler in der Rente mitmischen. Vom Grunde her ist die nach Walter Riester benannte Zusatzrente gar nicht so verkehrt: Die Bürgerinnen und Bürger sollten regelmäßig in den Kapitalmarkt investieren und dafür eine nach unten wie auch oben begrenzte Rendite bekommen. Das ist gegenüber einem reinen ETF natürlich nachteilig, weil die ganz großen Renditesprünge nicht mitgemacht werden und langfristig wird eine Riester-Rente deshalb immer schlechter abschneiden als das nun geplante Altersvorsorgedepot. Wirklich kaputt gemacht haben es aber die Beraterinnen und Berater, die Vermittlerinnen und Vermittler, kurzum: Banken und Versicherer. Denn sie schlugen auf das sowieso schon nur mäßig renditestarke Produkt noch massenweise Gebühren auf, die die Kundinnen und Kunden aber nicht davon abhalten, trotzdem 16,4 Millionen Riester-Verträge abzuschließen. 

Weil sie nicht geschult sind. Weil sie einfach Angst um ihre Rente hatten und keine Alternative kannten. Weil sie doch einfach nur nicht in Armut sterben wollten. 

„Die Bundesregierung warf ihre Bürger der Finanzindustrie zum Fraß vor”

Der Spiegel liegt entsprechend richtig, wenn er über die Riester-Rente schreibt: „Die Bundesregierung handelte nicht paternalistisch. Im Gegenteil: Sie warf ihre Bürger der Finanzindustrie zum Fraß vor.” Die findigen Berater und gierigen Vermittler holten sich die Gebühren, wo sie nur konnten. Der Wettbewerb, der eigentlich entstehen sollte, war nur ein Überbietungswettbewerb darin, wer den armen Kundinnen und Kunden noch mehr aus der Tasche ziehen kann mit seiner Beratung und seinem Produkt. 

Das darf beim Altersvorsorgedepot nicht passieren, auch wenn sie die Stellungnahmen der Banken und Versicherer jetzt schon so lesen. Privatbanken, Sparkassen, Volksbanken und Versicherer: Die Bundesregierung sollte ihre Wünsche allesamt abweisen. Es kann nicht sein, dass die Gewinninteressen von teils milliardenschweren und gut verdienenden Institute die vielleicht einzige Chance auf eine vernünftige Altersvorsorge torpedieren, die wir in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten bekommen. Es darf nicht so kommen, dass Banken und Versicherer die Rendite der Menschen mit horrenden Gebühren ruinieren. Denn für das Alter vorsorgen, ist eigentlich ganz einfach: Als junge Frau oder als junger Mann einfach alles in einen breit gestreuten ETF legen, 20 Jahre warten, dann langsam auch in Anleihen umschichten. Bis dahin hat sich das eingezahlte Kapital in der Regel verdoppelt und das selbst nach Gebühren. Dafür braucht es keinen Sparkassen-Berater, der mir ein vermeintlich sicheres Versicherungsprodukt mit Ausgabeaufschlag und Rendite-Deckel aufdrückt. Dafür braucht es einfach nur ein Depot, viel Ruhe. Und das reicht. Also liebe Banken und Versicherungen: Finger weg von diesem Gesetz. Sonst werde ich böse.

Autor

  • Nils Heck (geb. Wischmeyer) ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und seit März 2024 Redaktionsleiter bei Payment and Banking. Er ist zudem Autor der monatlichen Kolumne „Nils nörgelt“, in der er sich kritisch mit aktuellen Trends in der Payment- and Bankingbranche beschäftigt.

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