Marcus W. Mosen kommentiert Payment- oder Bankingthemen u.a. bei Finanz-Szene.de und erfreut seine Follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Ab sofort finden Sie bei uns monatlich seine Gastkolumne „instant messages by…“ zum aktuellen Geschehen im Payment, Banking & Co.

Sozialistisches Phantasialand Berlin

Ich bin bekennender Berlin-Fan! Angesprochen 1991 durch die Anzeige der „Welt“ mit dem Bild von Erich Honecker und der Headline „Ihn mußten wir leider entlassen. Wann fangen Sie an?“ habe ich mich nach meinem Studium zur Treuhandanstalt aufgemacht und per Handschlag ein Angebot erhalten. Vier Tage später trat ich meinen Job in Berlin an, sechs Wochen später bekam ich einen Arbeitsvertag. Ich habe dort mit vielen Kollegen und Kolleginnen aus den unterschiedlichsten Ländern hochmotiviert und teilweise bis spät in die Nacht zusammengearbeitet. Denn die Mission der Treuhandanstalt mit einer zügigen Privatisierung oder Sanierung leuchtete jedem unmittelbar ein, der einmal einen real existierenden VEB von innen gesehen hatte.

Wenn ich heute nach Berlin komme, treffe ich oft die Gründer und Teams verschiedener Startups. Es ist ein Melting Pot der Kulturen, die wenigsten sind gebürtige Berliner, viele haben keine deutschen Wurzeln. Die Dynamik und der Spirit dieser Startups erinnert mich immer wieder an meine vier Jahre in Berlin. Damals wie heute ist die Devise: Ärmel hochkrempeln, pragmatisch handeln, bei der Arbeitszeit nicht auf die Uhr schauen, weil man etwas verändern und/oder etwas Neues schaffen möchte.

“Berlin is the place to be for startups.” So die website www.berlin-partner.de, eine Plattform des Berliner Senats und über 280 Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen, die sich zum Ziel die Standortförderung unter dem Motto gesetzt haben: „be Berlin“.

Lese ich dann die Pressemitteilung vom 10. Januar der stellvertretenden Landesvorsitzenden der Berliner SPD, Frau Dr. Ina Czyborra (übrigens die erste Berliner SPD-Pressemitteilung in 2020), dass Fördermittel für Startups künftig an „die Einhaltung der Kriterien guter Arbeit gekoppelt werden“ und konkret, dass nur noch die Startups eine staatliche Förderung erhalten sollen, die einen Betriebsrat haben und nach Tarif bezahlen, kommt mir gleich wieder die damalige Zeitungsanzeige in den Sinn. Welche sozialistischen Phantasien sind hier am Werk?

Instant messages by Marcus W. Mosen: #2 - Sozialistisches Phantasialand Berlin

Die Anzeige in der Zeitung „Die Welt“, April 1991

In den vielen, mir bekannten Startups arbeiten überwiegend junge Menschen, die sich die „unregulierten Arbeitsbedingungen“ gezielt ausgesucht haben: ein Höchstmaß an Flexibilität in Zeit, Ort oder Intensität der zu erbringenden Arbeitsleistung kombiniert und/oder kompensiert durch zahlreiche „außergewöhnliche“ Arbeitgeberleistungen. Denn in welchen Büros darf der geliebte Hund mit zum Arbeitsplatz (spart die HuTa), gibt es wöchentlich ein gemeinsames Frühstück und/oder Mittagessen, kostenlose Getränke und Snacks sowieso, kostenlose Gym-Mitgliedschaften und Sprachunterricht? Startups ticken anders als traditionelle Unternehmen. Und das ist auch gut so!

Die Forderung von Frau Dr. Czyborra passt daher weder in das Bild und die Bedürfnisse der Berliner Startup-Szene, noch führt es zu einer „Verbesserung der Arbeitsbedingungen“ für die angestellten Mitarbeiter. Viele Gründer und auch Mitarbeiter finden diese Gedankenspiele nicht nur ideologisch fehlgeleitet oder lebensfremd, sondern auch als Bevormundung. Denn sie wissen, dass sie jederzeit einen Betriebsrat gründen könnten, wenn sie es denn wollten. Das Betriebsverfassungsgesetz nimmt Startups nicht aus!   

Mit solchen Forderungen tut man dem Startup-Standort Berlin, der im internationalen Ranking aktuell weit vorne liegt, keinen Gefallen. Die Folge wird vielmehr sein, dass größere Startups ihren Standort verlagern und Berlin seine Attraktivität für neue Startups verliert. Damit hätte sozialistisch-analoges Denken (Erich Honecker lässt grüßen!) wieder einmal der Stadt Berlin einen Bärendienst erwiesen. Berlin hat definitiv eine bessere Politik verdient!

Die Folge wird vielmehr sein, dass größere Startups ihren Standort verlagern und Berlin seine Attraktivität für neue Startups verliert.

instant messages #1 – 2020 – ein Schlüsseljahr für den europäischen Zahlungsverkehr?

Zur Person Marcus W. Mosen

Marcus W. Mosen, Babyboomer aus dem Spitzenjahr, kommentiert Payment- oder Bankingthemen u.a. bei Finanz-Szene.de und erfreut seine follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Mosen hatte nach BWL-Studium in Koblenz und Birmingham seine ersten berufliche Stationen bei der Treuhandanstalt in Berlin und bei einem Telekommunikationsunternehmen in Düsseldorf. Seit 1999 hat er an verschiedenen Schaltstellen der deutschen und europäischen Paymentbranche die Entwicklungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aktiv mitgestaltet.


Marcus Mosen (1992), Treuhandanstalt, Berlin, Leipziger Straße 5-7, heute der Sitz des BMF

1 Kommentar

Hallo Markus, Du sprichst mir aus der Seele. So wird dir Gründerkultur kaputt reguliert.
Als geborener und überzeugter Berliner ist mit dir Berliner Politik, die auf den Gebieten Flughafen, Mietpolitik, Ansiedlund von internationalen Konzernen, Bürgerservices, Digitalisierung und Verkehrspolitik total versagt hat, peinlich.
Leider, wie Trump, demokratisch gewählt.
Berliner wacht auf!

3. Februar 2020
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