Der Einfluß der Digitalisierung auf die Finanzbranche
Karina Vida Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf Ihren Alltag speziell für Sie? Wie würden Sie das beschreiben? André Bajorat (Lachen) Also sie ist einfach ein elementarer Bestandteil unseres – meines – Lebens hier in meiner Familie und in unserem Alltag. Angefangen davon, dass wir von einer Sonos, diesen Musiklautsprechern, geweckt werden. Das geht dann weiter, dass wir hier im Haus Tado und natürlich auch die eine oder andere Amazon Alexa haben. Für mich ist Digitalisierung komplett in unserem Alltag und auch mit den Kindern komplett angekommen. Ein fester, integraler Bestandteil eben. Karina Vida Also auch gar nicht mehr wegzudenken? André Bajorat Das würde ich jetzt so nicht sagen, so ticke ich nicht. Ich bin nicht so jemand der sagt, es geht gar nicht mehr ohne. Aber es ist natürlich etwas, was im Alltag und wenn wir über Alltag sprechen und nicht darüber, was ich mir alles vorstellen könnte, wenn ich anders leben möchte, dann ist es natürlich etwas, was ein fester Bestandteil geworden ist und auch etwas, was ich nicht schlecht finde. Und ich meine, wir sind da so bilateral eingestellt – gleichzeitig habe ich auch jeden Morgen eine Printzeitung Zuhause liegen, weil ich mich nicht daran gewöhnen kann, auf dem iPad oder dem Kindle Bücher oder Zeitungen zu lesen. Das ist für mich etwas, das ich gerne in der Hand habe und auch lese als Papier. Ich weiß natürlich auch, dass wenn ich das lese und es gedruckt ist, es schon gar nicht mehr aktuell ist – gar keine Frage und natürlich lese ich auch News auf allen digitalen Geräten, aber ich finde am Morgen das Ritual des „Zeitungaufschlagens“ gut. Karina Vida Und wie würden Sie sagen, hat die Digitalisierung – auf das Ganze gedacht – den Markt, die Kunden und die Wertschöpfung verändert, wie hat das dort reingespielt? André Bajorat Ich glaube, es hat hauptsächlich Dienste und Services verfügbar gemacht. Also Digitalisierung beziehungsweise Innovation, sind ja in der Regel etwas, was eine gewisse Zeit lang nur einer exklusiven Gruppe zur Verfügung gestellt wird und dann für uns alle zugänglich – quasi demokratisiert wird. So kann man eigentlich jede Innovation betrachten. Wenn man sich anschaut, wie viele Menschen zu Beginn Auto fahren konnten, dann waren das wenige Privilegierte. Wie viele Leute am Anfang Eisenbahn fahren konnten, wie viele Leute am Anfang fliegen konnten: überall das Gleiche. Und wie viele Leute am Anfang beispielsweise irgendwann exklusive Musik hören konnten. Und Digitalisierung hat dazu geführt, dass wir Dienste, Services, Leistungen global in Teilen nutzen können, die bis dahin halt nur wenigen Leuten zugänglich waren und das ist glaube ich etwas, was man, wenn wir es auf den Finanzdienstleistungssektor übertragen und ebenfalls als Folge der Digitalisierung sehen kann. Heute kann man Dinge, die eigentlich auch im Finanzdienstleistungsumfeld möglicherweise nur exklusiven Kundengruppen vorbehalten waren, plötzlich der breiten Masse zur Verfügung stellen und gleichzeitig werden damit auch die Erwartungen der breiten Masse an die Services ganz andere. Aber grundsätzlich sind nun plötzlich auch Asset-Klassen im Finanzdienstleistungsumfeld verfügbar, die halt bis zu einem gewissen Zeitpunkt nur exklusiven Leuten zur Verfügung gestanden haben. Und das ist nun technisch einfach plötzlich möglich.Der Benchmark ist nach oben getrieben worden und das verändert gerade die Finanzdienstleister.Ich hab gestern zufälligerweise das Buch Silicon Germany von Christoph Keese als Hörbuch gehört und das fand ich auch so augenscheinlich, weil er darstellt, dass Leute – also die breite Masse – plötzlich in der digitalen Welt angekommen sind, weil sie von den großen globalen Ökosystemen sehr, sehr gute Apps, sehr, sehr gute Services angeboten bekommen, nun erwarten, dass sie auch von jedem kleinen Player, der sich plötzlich in dem gleichen Teich tummelt und eine App oder ein digitales Produkt rausbringt, eine ähnlich gute Leistung und einen ähnlich guten Service abliefert. Der Benchmark ist nach oben getrieben worden und das verändert gerade die Finanzdienstleister. Wenn ich mir beispielsweise die App – und jetzt will ich hier kein Bashing gegen die Sparkassen-Finanzgruppe betreiben, weil ich auch lang genug Teil der S-Finanzgruppe war – aber wenn ich mir die App angucke, dann ist das fast zum Weinen. Die sehen aus wie vor zehn Jahren, auch wenn man immer ganz stolz darauf ist, wie viele tolle Dinge da drin sind. Aber wenn man das vergleicht mit den Apps und den Services der richtig guten Player, ist es halt bitter, zu sehen, wie schlecht wir Deutschen in Teilen diese digitalen Dienste umsetzen, da eben der Benchmark steil nach oben gegangen ist. Und das ist eben spannend, im Finanzdienstleistungssektor zu sehen, ob Banken das schaffen, diesen digitalen Benchmark, der in der digitalen Welt plötzlich entstanden ist und den wir als User mittlerweile erwarten, weil wir halt so was wie Google, so was wie Facebook oder Spotify so einfach und easy und convinient nutzen können, dass wir weiter akzeptieren, dass Banken in weiten Teilen immer noch so schlecht aussehen, anfühlen und nutzbar sind. Und das wird echt eine spannende Frage. Karina Vida Also würden Sie sagen, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung global hinterher hinkt? André Bajorat Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, dass wir durchaus in der Lage sind, digital zu denken, und dass wir in unserer Ingenieurskunst digitale Dinge bringen. Wo wir hinterher hinken ist, dass wir in Branchen, wo wir bisher die Digitalisierung eher als Thema im Keller gesehen haben – also auch so etwas, wo Sie jetzt grade sitzen – das ist ja etwas, was lange Zeit als Servicecenter gesehen wurde für viele Sparkassen. Und nun ist es so, dass was aus dem „Keller“ kommt, eigentlich das ist, was das größte Asset einer Bank ist: Software zu bauen, Softwareentwickler zu haben. Und jetzt wird es spannend: User-Experience-Leute, Data-Analysten, die aus den ganzen Daten etwas machen, zu haben. Und das haben viele Leute vermutlich noch nicht verstanden, die sich bisher darauf ausruhen konnten, dass sie im Grunde genommen Filialen hatten, Kunden hatten und auf die Trägheit der Masse setzen konnten. Und da hinken wir hinter her, im Mindset.
Das kann es doch nicht sein vom Anspruch her! Ihr seid die größte Finanzgruppe Europas und orientiert euch an einem winzig kleinen StartUp in Berlin!Wir hinken nicht hinterher, dass wir das nicht könnten, oder nicht sogar in Teilen Marktführer bei digitalen Produkten sind, aber dort, wo der große Wandel grade ansteht, da hinken wir im Anspruch, richtig gut zu sein und richtig gute Produkte zu liefern, hinterher. Wir machen dann halt nach, auch wenn ich mir grade angucke, was ihr (Sparkassen-Finanzgruppe) mit YOMO macht, als ich damals den ersten Namen vom Konzept zu dem Thema gehört habe, war das ja Number26. Das kann es doch nicht sein vom Anspruch her! Ihr seid die größte Finanzgruppe Europas und orientiert euch an einem winzig kleinen StartUp in Berlin! Karina Vida Aber warum? Weil es dementsprechend auch Erfolg damit hat. In die Richtung „was können wir von den Kleinen lernen und auf uns adaptieren?“ geht das, schätze ich. Ich hab den Eindruck auch, dass in der Sparkassen-Finanzgruppe nach dem Motto „das war schon immer so, das ist schon immer so gewesen und das bleibt auch so.“ Man ist da meiner Meinung nach nicht so offen für Neues. André Bajorat Absolut, absolut. Aber gut, das ist aber das, was ich mit Mindset meine. Ich glaube nicht, dass wir das nicht könnten, sondern dass das eine Frage von „Wollen wir das?“ ist, eine Frage des Anspruchs. Ich glaube auch, dass da das Wort „Hinterher hinken“, was Sie grade angesprochen haben, da dann auch stimmt, sich aber wirklich auf das Wollen bezieht nicht das Können. Im Ergebnis hinken wir hinterher, da haben Sie Recht. Karina Vida Okay, dann hat sich natürlich auch das Bankenwesen in den letzten Jahren drastisch geändert. Ich kann beispielsweise über mein Handy komplett eine Überweisung tätigen oder brauche nicht mehr bei der Bank etwas einschmeißen, weil ich sogar schon im Bestellvorgang bezahlen kann. Wie hat sich so was auf den Finanz-Sektor ausgewirkt? Die Bank ist jetzt ja teilweise komplett raus aus diesem Bezahlvorgang und wie hat sich das Bankenwesen im Rahmen der Digitalisierung denn noch verändert? André Bajorat Ich glaube, dass ist so was, wo wir alle immer das, was kurzfristig passiert, überschätzen und das, was langfristig die Folge ist, unterschätzen. Und alle haben so vor zwei, drei Jahren die FinTech-Revolution ausgerufen und haben gesagt, dass Banken sterben. Das war damals quatsch und wir haben mittlerweile gesehen, dass das Quatsch ist. Gleichzeitig merken wir aber, dass da eine substanzielle Veränderung der vorhandenen Assets notwendig ist, um zukünftig noch erfolgreich Bankprodukte, Banking und Bank zu machen. Ich glaube, was sich komplett verändert, ist, dass man vorher „Bank“ immer ganzheitlich gedacht hat und damit muss ich als Bank immer alles anbieten: von der Filiale, über Online-Banking bis zur kompletten Infrastruktur und dem Host hinten dran. Da gab es natürlich gewisse Ausnahmen, schon so vor zwanzig Jahren sind die Online-Broker entstanden, die sich erst mal nur auf das Thema Online- und Wertpapier-Geschäft konzentriert haben. Die haben sich dann aber im Laufe der Zeit immer breiter gemacht und wurden zu Komplettbanken, nur ohne Filialen. Aber man hat ja heute weder eine Comdirect oder Consors, die nicht nur Broker sind, sondern auch Vollbanken. Und das wird sich aus meiner Perspektive in der Zukunft noch mehr verändern. Das Banking im Vordergrund steht, jedenfalls für uns Kunden und nicht die Bank. Die Bank ist mir als User eigentlich egal. Komplette Commodity. Und ich will halt Bankdienstleistung und Banking haben. Das ist so was wie Kredite, Zahlen, Konto – aber mir ist eigentlich egal, wo das ist und entscheidend wird sein, wer mir diese Bank oder eher dieses Banking am Besten zur Verfügung stellt und am expirience-haftesten zur Verfügung stellt. Ich brauche dafür nicht unbedingt eine Banklizenz, allerdings muss ich das beste Frontend sein. Und das ist das Spannende für die Zukunft daran: Wer wird das digitale finanzielle Zuhause für den Kunden? Das, was die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Fläche irgendwo waren, das digitale Zuhause für den Kunden, den Berater, das ist noch nicht wirklich gefunden und da kämpfen gerade viele drum.
Und das wird sich aus meiner Perspektive in der Zukunft noch mehr verändern. Das Banking im Vordergrund steht (…)
Die Rolle der Fintechs als Treiber der Banken
Karina Vida Würden Sie dann sagen, dass aus diesen Bedürfnissen oder eher diesen Anforderungen heraus – weil dem Kunden jetzt letztendlich egal ist ob das eine Sparkasse, Commerzbank oder deutsche Bank ist – die FinTechs auch entsprungen sind? André Bajorat Woraus die FinTechs jetzt entsprungen sind oder wie meinen Sie das? Ich glaube, FinTechs sind daraus entsprungen, dass in der Technologie ganz, ganz viele Sprünge drin waren. Man war plötzlich mit relativ wenig Geld – weil es Cloud-Computing, Open Source-Software und so was wie APIs gibt – in der Lage, ohne ein Rechenzentrum zu bauen, wie ihr bei der FI das habt, oder ohne große Oracle-Lizenzen zu kaufen, wie es viele Banken noch tun, auf ein Level zu kommen, das man sich ins Banking-Business begeben konnte. Das wäre vor zehn Jahren nicht gegangen. Und das war sozusagen die Grundlage, also dass im Finanzdienstleistungsbereich die Markteintrittsbarrieren durch Technologien herabgesetzt wurden und ein Eintreten auf den Markt möglich war. Zusätzlich kam die Finanzkrise dazu, in der viele Banker entlassen worden sind und somit auch Bankwissen. Und daraus ist so was wie FinTechs plötzlich entstanden. Ideen sind in London, New York und natürlich auch Deutschland hochgekommen, Technologie war plötzlich vorhanden und Geld wurde für dieses Thema auch locker gemacht – da haben sich lange Zeit viele mit schwer getan in den Bereich Banking zu investieren. Payment war schon länger ein Thema, aber in den Bereich Bank hat das bis dato niemand so richtig gemacht und das war dann so der Grund, weshalb FinTechs so plötzlich hoch gekommen sind. Und dass zusätzlich das Vertrauen in Banken vermeintlich geringer geworden ist und man sich somit mit neuen Dienstleistungen auf dem Markt anbieten konnte. Das war natürlich auch ein Nebeneffekt der Finanzkrise. Oh, und natürlich hat das Thema Handy, Smartphone und Access, den wir erwarten als Kunden. Und die Banken haben darauf in den letzten zehn Jahren – seit dem es das iPhone gibt – in der Massenbewegung der letzten fünf bis acht Jahren eher, haben Banken auch dieses Thema always-on – ich möchte meine Dienste immer dabei haben, sie müssen so richtig ansprechend sein – da haben Banken halt wenige richtig gute Antworten gefunden für den Kunden. Karina Vida Sind dann daraus auch Vorteile entstanden, die sie (FinTechs) gegenüber traditionelle Banken haben, zum Beispiel, dass sie Kundenbedürfnisse besser erfüllen können – einfach da sie sich auf einen Prozess oder ein Produkt fokussiert haben. Oder sehen Sie da noch weitere Vorteile? André Bajorat Ja natürlich, das auf jeden Fall. Klar, wenn man eine Voll-Bank ist – so wie die Sparkassen – muss man sich natürlich irgendwie mit hunderten Prozessen und Produkten beschäftigen und wenn dann hunderte StartUps daher kommen und jedes StartUp stürzt sich nur auf ein Thema, kann jedes dieser StartUps ein konzentriertes Thema deutlich besser machen als hundert. Sie schreiben zurzeit ja auch nur eine einzige Bachelor-Arbeit und nicht mehrere parallel, ganz bewusst, da Sie nur eine richtig gut schreiben wollen. Zehn Stück hingegen parallel gut schreiben, auch wenn Sie sich das im Detail mit drei Leuten teilen würden – das ist nicht so richtig gut möglich. Karina Vida Gibt es da in diesem Umfeld auch aktuelle Vorreiter? Auf eurem Blog (Paymentandbanking.com) sucht ihr immer ein StartUp des Jahres – haben Sie da spontan schon einen Favoriten von 2016? Quasi ein StartUp das sich für Sie persönlich von der breiten Masse abhebt und herauskristallisiert hat? André Bajorat (kurze Pause) Also 2016 war ja schon so ein bisschen das Jahr des Realismus. Man muss natürlich sagen, dass Number26 da auf einem Level schon ziemlich, ziemlich gute Sachen gemacht hat. Aber ich glaube, dass mein StartUp des Jahres 2016 die Solaris Bank ist. Karina Vida Und was macht die Solaris Bank zum StartUp des Jahres 2016? André Bajorat Die Solaris Bank ist im Grunde genommen eine Bank, die sich darauf konzentriert, Dritten ihre Banklizenz zur Verfügung zu stellen über IT. Und wenn man einen Dienst anbieten will, der eine Bank im Hintergrund benötigt, man aber selbst keine Bank sein will, nutzt man die Solaris Bank als Whitelabel-Bank. Karina Vida Ah! Also so was wie die WireCard-Bank im Hintergrund für Number26 fungiert hat. André Bajorat Genau. Das ist ganz genau so was. So eine Solaris Bank ist halt sehr Technologie-getrieben. Die haben erst mal einen Software-Stack gebaut, so dass man halt sehr, sehr schnell einen Access zu dieser Bank hat. Und die sind eben in 2016 neu gegründet worden. Karina Vida Inwiefern würden Sie sagen, dass StartUps oder FinTechs sich auf dem Markt gegenüber den großen, traditionellen Banken durchsetzen werden? Und wie unterscheiden sie sich von eben diesen? André Bajorat Ich glaube ja, dass man als FinTech wahrscheinlich nur in bestimmten Nischen den Banken wirklich richtig wehtun wird. Ansonsten wird es dann häufig auf Zusammenarbeiten münden. (kurze Pause) Da man in der Regel – und das ist unserer Trägheit als Kunde geschuldet – wahrscheinlich dann doch, bei den klassischen Banken bleiben wird als Kunde. Die (klassische Banken) werden dann aber trotzdem sehen, dass sie als Bank etwas tun werden müssen und folglich mit den FinTechs kooperieren, sprich zusammenarbeiten oder deren Dienstleistung einkaufen. Und das ist glaube ich eher der Weg, auf dem wir uns alle so zurzeit rein bewegen. Das sieht man zum Beispiel bei Gini, die ja mittlerweile auch mit Ihnen (Finanz Informatik) zusammenarbeiten oder Optiopay und mit ganz vielen verschiedenen FinTechs, die gerade Lieferanten-Beziehungen mit Banken eingehen. Und das wird glaube ich der normale Weg sein. Und wenn ich ganz kurz auf Banken gucke, wie die sich unterscheiden, dann denke ich, dass die große Herausforderung für die ist, die dezentral organisiert sind – also Sparkassen und Volksbanken – dass die große Herausforderung so was wie Digitalisierung oder Antworten auf diese zu finden, dass es eben leichter für diejenigen ist, die zentral gesteuert sind. Und dezentrale Strukturen haben ja eher was basis-demokratisches. Und Basis-Demokratie ist ja was tolles, aber wenn man schnelle Entscheidungen treffen muss, führt dieses Basis-Demokratische zu Langsamkeit und Gleichzeitig oft auch zu Kompromissen und momentan ist die Zeit keine gute für Kompromisse sondern für harte und klare Entscheidungen.Fintech: Gefahr oder Bedrohung?
Karina Vida Also würden Sie auch eher sagen, dass FinTechs so was wie ein Add-On sind zu dem „normalen Bankgeschäft“ als eine Gefahr oder Bedrohung? André Bajorat Ja, da haben Sie Recht. Ich glaube in Teilen sind sie so was wie ein Add-On, ja genau. Weil man an Funktionen in Banken halt kommt, aber in bestimmten Nischen glaube ich auch, dass Banken dauerhaft Geschäft weggeben werden. Schauen Sie sich doch mal so eine Nische an, das wird immer wieder passieren. PayPal zum Beispiel war ein Nischenplayer. PayPal hat damals etwas übernommen, was die Banken bis dahin komplett beherrscht haben: den Online-Payment-Markt in Deutschland. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem PayPal gekommen ist, hat niemand die Notwendigkeit gesehen, in Deutschland an den bisherigen Bezahlverfahren, wie damals Lastschrift, Rechnung, Kreditkarte und Vorkasse zu ändern. Dann kam PayPal und alle haben sie ausgelacht oder noch schlimmer: Ignoriert. Klar kann das immer mal wieder passieren. Ich will nur sagen, dass diese ganze FinTech-Bewegung wirklich nicht dazu führen wird, dass plötzlich alle Banken wegfallen. Aber bestimmte Bereiche können von irgendeinem übernommen werden. Das merkt man gar nicht direkt am Anfang. Und das ist glaube ich etwas, wo FinTechs halt beidseitig unterwegs sein werden und sich bestimmte Nischen suchen. Das sind teilweise noch unsichtbarere Player im Sinne des Retail-Geschäftes. Wir konzentrieren uns ja momentan immer in unserer Sicht und auch in der öffentlichen Wahrnehmung sehr stark auf das Thema Retail, weil das uns alle – Sie, mich, unsere Freunde – sehr beschäftigt. Wie bezahlen wir, wie ist unsere Karte und all so was. Ich glaube, dass man noch richtig erfolgreiche FinTechs im tieferen Bereich der Bank oder Prozesse sehen wird. Und die werden der Bank Geschäft wegnehmen und ihr richtig wehtun.Die ganze FinTech-Bewegung wird wirklich nicht dazu führen wird, dass plötzlich alle Banken wegfallenEs ist ein bisschen abstrakt, aber ich hoffe, dass das trotzdem einigermaßen verständlich ist. (kurze Pause). Oder Traxpay, ebenfalls aus Frankfurt – das macht ein Freund von mir, der Jochen Siegert. Traxpay ist zum Beispiel gerade mit der NordLB in die Kooperation gegangen. Die versuchen auch für größere und mittelständige Unternehmen die direkte Anbindung an die ERP-Systeme, also Buchhaltungs-Systeme, zu bekommen. So dass man halt schnellere Cash-Flows hinbekommt und die Liquidität eben steuerbarer ist, da man direkt sieht, wo der Lieferant grade ist, wann die nächsten offenen Posten reinkommen und so was. Das sind Dinge, die Banken natürlich auch machen könnten, da sie sehr viel über den Kunden wissen – tun sie aber nicht. Vernetzung eben. Das habe ich vorhin auch schon so ein wenig angedeutet, als ich meinte, dass die Bank sich eben auch accessable machen muss. Banken denken heute viel zu sehr in ihrem Silo. Man hat natürlich immer einen Touch-Point in die Bank hinein. Das ist Onlinebanking, Mobilebanking oder teilweise die Filiale. Aber das man sozusagen das Banking in den Kontext für den Kunden reinbringt, also in das ERP-System, oder in eine App für das Thema Peer-to-Peer-Zahlungen, weil plötzlich dein Bankkonto dahinter liegt. Die Bank selber glaubt immer, sie muss sichtbar sein und ich als Kunde muss immer sehen, dass ich gerade bei der Sparkasse Paderborn-Detmold zum Beispiel sein muss. Oder von mir aus bei meiner Sparkasse Harburg-Buxtehude – ich bin ja selber noch Sparkassenkunde. Dieser Anspruch immer, HKS13 – das Sparkassenrot – zu sehen, der ist ja nicht nur Sparkassenlike – ich erwähn das jetzt nur so stark, weil Sie da (Sparkassen-Finanzgruppe) auch grade sitzen. Das kann man auf eine Volksbank, Deutsche Bank oder auf wen auch immer übertragen. Und das ist falsch. Uns als Kunden, uns ist egal ob das die Sparkassen-App ist – wir wollen eine Leistung haben, das ist für Firmenkunden noch viel stärker so. Da machen Banken das auch schon lange, also das man sein Konto in zb die Datev einbinden kann und so was, aber das geht sehr viel weiter. Die Industrie vernetzt sich und die ganzen Systeme, die wir als Unternehmer nutzen, vernetzen sich. Und da ist die Bank hinten dran. Sie fragten mich ja auch grade, ob FinTechs Banken überholen oder ob da jemand entsteht. Und ich glaube, dass wir da so Hidden Champions haben werden, die wir noch nicht wahrnehmen und genau die werden den Banken fürchterlich Geschäft wegnehmen. Auf einer Seite, die wir beide auch grade gar nicht im Blick haben, eben weil wir auch dafür viel zu wenig tief in diesem Thema drin sind. (kurze Pause) Das ist glaube ich eher die Gefahr und daran müssen Banken eben arbeiten, dass sie ihre Systeme so flexibel gebaut haben, dass sie in der Lage sind, so etwas selber zu machen. Karina Vida Sie hatten eben auch gerade gesagt, dass es vielen Kunden egal ist, womit sie eben ihr Banking abwickeln, Hauptsache es läuft einfach – nach Möglichkeit vielleicht noch in einer schicken App – würden Sie da auch sagen, dass die Tendenz eher dazu geht, dass man als Kunde bereit ist, einfach „irgendwo“ seine Daten einzugeben und dass der Gedanke, seine Daten nicht jedem preiszugeben schwächer geworden ist? Dass man sagt, ich will diesen Service lieber nutzen als dass ich jetzt darüber nachdenke, wer eigentlich was alles über mich weiß? André Bajorat Ich glaube, dass Datenschutz ein Thema ist, was so deutsch und so europäisch auf der einen und so dermaßen überschätzt auf der anderen Seite ist. Wenn man einen Dienst hat und dieser Dienst einen Mehrwert bringt und dieser Dienst sich für einen nicht ganz crappy und komisch anfühlt, sondern irgendwo ein vertrauensvoller Partner oder Co-Branding-Partner ist, dann spielt das keine Rolle. Banken – nicht nur Banken, viele – glauben immer, uns Kunden beschützen zu müssen. Beschützen zu müssen im Sinne von „Eure Daten – wir passen darauf auf“. Eigentlich geht es darum, dass die Bank sagt „Meine Daten“ also meine Daten als Bank. Und ich glaube einfach, dass wir dahingehend hindenken müssen, dem Kunden – also uns beide – viel mehr zutrauen und ihn souverän entscheiden lassen, wo und wie er seine Daten nutzen will. Und was wir (Finanzdienstleister) immer machen – wir over-protecten unseren Kunden. Das ist teilweise auch der Verbraucherschutz, da denk ich mir „Das kann doch nicht wahr sein, wir sind ja nicht alle dumm!“ An der Stelle muss ich wirklich sagen, dass man viel eher so an das Thema herangehen muss. Und ich glaube auch, dass ist auch etwas, wenn wir so in Richtung Banking, Richtung PSD2 grade mal so einen Spot werfen – da geht es ja auch in diese Richtung. Da geht es in das Thema Offenheit von Systemen, damit Kunden ihre eigenen Daten woanders nutzen können. Und das muss ich natürlich so machen, dass der Kunde sich bewusst ist, was er tut. Und das ist glaube ich der Spagat, den man hinbekommen muss: Das ich dem Kunden klar mache, was er tut und ihn gleichzeitig dabei nicht für dämlich halte, indem ich ihn over-protecte – und dazu neigen wir. Vor allem auch dadurch, dass wir immer direkt am Anfang die Datenschutzkeule rausholen. Karina Vida Das stimmt, auch wenn man so darüber nachdenkt. (kurze Pause) Hr. Schaffranski hatte zum Beispiel hierzu auch erwähnt, dass Deutschland das einzige Land ist, in dem Facebook mit Datenschutz wirbt. André Bajorat Ja! Und na ja, wenn wir mal kurz zurückdenken. Klar sind Sie jetzt viel jünger als ich, aber Sie werden bestimmt mitbekommen haben, als irgendwann WhatsApp von Facebook übernommen worden ist. Das ist auf jeden Fall schon Jahre her. Viele haben damals angefangen mit „Boah, ich nutze kein WhatsApp mehr“ und sind dann kurzzeitig auf Treema, Telegram und sonst was zu nutzen übergegangen. Für eine Woche vielleicht, weil diese Leute dann plötzlich gemerkt haben, dass sie sich in Silos befinden, wo kein anderer drin ist. Und jetzt? Jetzt sind alle wieder zurück bei WhatsApp. Selbst meine Frau, die in ihrem Leben noch nie Facebook benutzt hat, benutzt WhatsApp. Und wenn ich ihr sage, dass das total egal ist, ob sie jetzt WhatsApp oder Facebook benutzt, da ihre Daten sowieso bei den gleichen landen, sagt sie: „Mir doch egal.“ Und das liegt einfach daran, dass diese ganzen Dienste mittlerweile so in unserem Alltag angekommen sind. Vielleicht holt uns das alles irgendwann mal ein und ich kann plötzlich nicht mehr in die USA einreisen, weil ich auf Twitter irgendwann mal den Hashtag #goldenshower benutzt habe – kann ja sein (Lachen). Aber so ticke ich einfach nicht. Ich laufe auch nicht mit dem Aluhut rum, weil ich glaube, dass irgendwelche Strahlen auf mich eintreffen. Sondern ich versuche im Hier und Jetzt zu leben. Und wenn genau solche Leute, die auf so was achten, die IT-Strategie in den Unternehmen machen – und das ist in der Sparkassen-Finanzgruppe lange so gewesen – dann hat man auf gut Deutsch gesagt, verloren. Es müssen ja nicht alle im Hoodie und T-Shirt rumlaufen wie Zuckerberg, darum geht es ja nicht. Aber es geht um Mindsetting und Offenheit.
Interessantes Interview! Ich bin der Meinung dass Fintechs die Ölosysteme der Banken sinnvoll ergänzen werden. Relevante „Gegner“ werden sie nicht werden. Dazu sind ihre Spezialisierungen zu speziell! :-) Aber sie verändern das Denken der etablierten Banken – und das ist entscheidend. Die Kundenorientierung rückt in den Mittelpunkt. Die Banken werden herausgefordert! Das gefällt mir! :-)