Kreditkarten und Mobile Payment sind auf dem Vormarsch. Die Zahl der Bankautomaten sinkt kontinuierlich. Wie die Lage der Bargeldinfrastruktur gerade aussieht  – und was nötig ist, um sie aufrechtzuerhalten.

Immer mehr Menschen zahlen in Geschäften unbar, sei es mit der Giro- oder Kreditkarte, dem Smartphone oder der Smartwatch. Während der Bargeldanteil an allen Transaktionen im Jahr 2017 noch bei 74,3 Prozent lag, waren es 2022 laut einer Studie der Deutschen Bundesbank noch 60 Prozent. Damit wird Bargeld zwar weniger wichtig, ist aber immer noch das beliebteste Zahlungsmittel der Deutschen. Das klingt erst einmal unspektakulär, bringt aber ein großes Problem mit sich. Denn wenn die Menschen bar bezahlen wollen, brauchen sie auch Münzen und Scheine, die sie wiederum bei einer Bank und einem Geldautomaten einsammeln müssen. 

Die Krux: In Deutschland gibt es immer weniger Geldautomaten, was wiederum die Akzeptanz senkt und dann die Bereitstellung immer teurer macht. Es kommt zu einer kostengetriebenen Abwärtsspirale, sodass noch mehr Geldautomaten verschwinden und die Bargeldnutzung weiterhin abnimmt. Im schlimmsten Fall könnten Menschen so schlechter oder kaum noch an Bargeld kommen. Das legen auch Erkenntnisse der Bundesbank nahe, die in einer Studie drei Szenarien durchgespielt hat, um die Zukunft des Bargelds zu ergründen. Das ernüchternde Ergebnis: In zwei der drei Szenarien ist der Zugang zu Bargeld und die Akzeptanz nicht voll gewährleistet. Doch ist es wirklich so schlimm? Wie ist der Status Quo? Und wie lässt sich der Bargeldzugang vielleicht doch bewahren, obwohl die Nachfrage sinkt? 

Nationales Bargeldforum soll Lösungen finden

Um diese Fragen zu beantworten, hat die Bundesbank im Februar ein nationales Bargeldforum gegründet, das alle Beteiligten im Bargeldkreislauf an einen Tisch bringt. Das Ziel: Handlungsempfehlungen für die Politik und Wirtschaft entwickeln, um die Bargeldinfrastruktur zu erhalten. Bisher fand nur das Gründungstreffen in Berlin statt, Empfehlungen gibt es bisher keine. Zeit, sich den Status Quo einmal anzuschauen. Und der ist besser  als gedacht. 

Noch sei die Versorgung mit Bargeld in Deutschland nämlich gut, sagt Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld bei der Deutschen Bundesbank: „Das Netz der Geldausgabe ist nach wie vor gut ausgeprägt und besser ausgebaut als in anderen Ländern.“ Rund 52.000 Geldautomaten gab es 2022 in Deutschland. Durchschnittlich erreichen Menschen die nächste Möglichkeit, an Cash zu kommen, in einem Umkreis von maximal 1,7 Kilometern. Auch der Bargeldumlauf steigt jedes Jahr um sechs bis acht Prozent. „Trotzdem besteht bereits heute Handlungsbedarf, damit die Menschen auch in Zukunft einen ausreichenden Zugang zu Bargeld haben“, sagt Hardt. Denn das ist die andere Seite der Wahrheit: Es werden immer mehr Bargeldautomaten zurückgebaut. Allein im Jahr 2022 sank die Zahl der Geldautomaten um fast fünf Prozent, wie die Analysefirma Barkow Consulting ermittelte. 

Warum Bargeldautomaten abgebaut werden

Die Gründe dafür sind vielfältig, lassen sich aber auf zwei wesentliche Treiber herunterbrechen. Entweder sind die Geldautomaten nicht mehr wirtschaftlich, weil beispielsweise weniger Menschen immer seltener an Scheine kommen wollen. Oder aber, es besteht ein akutes Sicherheitsrisiko, wie der Lobbyverband Deutsche Kreditwirtschaft schreibt. Einzelne Automaten würden demnach abgebaut, „wenn die Standorte trotz hohem Sicherheitsniveau für kriminelle Sprengungen zu attraktiv sind oder wenn Menschen im Wohnumfeld gefährdet werden könnten.“ 

Tatsächlich haben die Geldautomatensprengungen in den vergangenen Jahren zugenommen. Allein im Jahr 2022 verzeichnete das Bundeskriminalamt einen Anstieg von 26,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr und damit 496 Explosionen in nur einem Jahr. So viele wie nie zuvor.  Anders als zunächst vermutet, sind die Täter keine Jugendlichen oder Kleinkriminelle, sondern oft schwer kriminelle Banden, die europaweit agieren und oftmals wohl in den Niederlanden sitzen. Wegen der Grenznähe sind vor allem Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz betroffen. 

Um Sprengungen zu verhindern, bedarf es immer häufiger internationaler Kooperation mit Polizeibehörden. Auch die Kreditwirtschaft hat bereits reagiert und in den vergangenen Jahren über 300 Millionen Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben. Dazu gehören Alarmanlagen, Vernebelungstechnik, Nachtverschluss und Einfärbetechnik, die das Bargeld bei einer Sprengung unbrauchbar macht. Auch reduzieren die Banken die Befüllmengen. Ein einheitliches Schutzkonzept gibt es jedoch nicht. Hier anzusetzen, könnte zumindest den Rückbau aufgrund von Sprengungen bremsen. 

Der Handel als Bargeldbezugsstelle 

Eine weitere Lösungsmöglichkeit wäre es, das Geld an anderer Stelle als Geldautomaten auszugeben. Das geht heute beispielsweise schon vielfach und immer öfter. Denn inzwischen  können Kunden beispielsweise an 30.000 Stellen im Handel Geld an der Kasse abheben, acht Prozent der Bargeldversorgung läuft über die Ladenkasse. „Das Wachstum von Cashback und Cash-in-Shop ist jedoch begrenzt, weil immer genug Geld in der Kasse sein muss“, erklärt Hardt. Wenn immer weniger Menschen bar zahlen, könnten höhere Beträge in der gewünschten Stückelung nicht bedient werden. Außerdem hat der Handel, anders als die meisten Geldautomaten, begrenzte Öffnungszeiten, sodass Bargeldabhebungen nicht jederzeit möglich sind.

Dem stationären Handel kommt auch eine weitere Schlüsselrolle in der Bargeldinfrastruktur zu: Kunden müssen dort weiter mit Bargeld bezahlen können. Schon jetzt gibt es vereinzelte Unternehmen, die keine Bargeldzahlung mehr anbieten, sondern nur noch unbare Zahlungsmöglichkeiten. Verbraucherschützer fordern daher eine gesetzliche Akzeptanzpflicht für Bargeld im Handel, auch wenn diese umstritten ist. Eine Lösung dafür kommt vermutlich mit dem Single-Currency-Package der EU: Dieses würde Ex-Ante-Ausschlüsse von Bargeld verhindern, aber Ausnahmen für kleine Unternehmen erlauben.

Niemals verschwindet Bargeld ganz

Eine positive Entwicklung fürs Bargeld gibt es ebenfalls: Die Bundesbank beteuert, dass sie ihre 31 Filialen behalten wird. „Die Bundesbank wird ihrem gesetzlichen Sorgeauftrag weiterhin nachkommen und qualitativ hochwertiges Bargeld in der gewünschten Menge bereitstellen“, sagt Hardt. „Dazu ist ein effizientes, an den zukünftigen Bedürfnissen ausgerichtetes Filialnetz essentiell.“ Damit ist zumindest der Zugang für Geldautomatenbetreiber zu Cash gesichert. Jedoch unterliegen auch die Bundesbank-Filialen der Nachfrage. Einzelne Filialschließungen sind in den Szenariostudien möglich, wenn sie von den Wertdienstleistern nicht mehr angefahren werden und somit nicht mehr wirtschaftlich sind. 

Fakt ist: Noch ist die Lage der Bargeldinfrastruktur gut. Damit das so bleibt, braucht es kreative Ideen an allen Stellen des Bargeldkreislaufes und eine bessere Sicherheitsinfrastruktur für Geldautomaten. Dass die Deutsche Bundesbank, die Kreditwirtschaft, die Geldautomatenhersteller, die Wertdienstleister, der Handel, die Verbraucherzentrale und der Bevölkerungsschutz sich nun in einem nationalen Bargeldforum zusammenschließen, kann ein erster Schritt sein. Mit Empfehlungen müssen sie sich aber beeilen, wenn man sich die Zahlen so anschaut. 

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