Was zunächst ein bisschen nach einer neuen Trink-Joghurt Sorte klingt, ist eigentlich ein Phantasiename: Yokoy ist ein Schweizer Fintech, das Spesenmanagement für mittlere und große Unternehmen mit künstlicher Intelligenz verbindet.

In der Schweiz hat das Unternehmen seit Gründung im Jahr 2019 viel Aufmerksamkeit erfahren, nicht zuletzt durch die Teilnahme der Schweizer Version von „Die Höhle der Löwen“. Nun expandiert Yokoy nach Deutschland und Österreich und will den Spesenmarkt dank der KI neu denken. Für den Markteintritt baut das Team aktuell ein Büro in München auf

Wir sprechen mit Gründerin Melanie Gabriel über das Spesenmanagement, warum die Branche interessant ist und warum der hart umkämpfte Markt in Deutschland auf der Roadmap der Schweizer Firma steht. Doch zunächst gratulieren wir!

Sie sind zum „Innovator of the year“ gekürt worden. Das ist ein Preis, der in der Schweiz jährlich an herausragende Frauen des Landes vergeben wird. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Es ist eine Anerkennung nicht nur für meine Arbeit, sondern für das, was wir gemeinsam als Team erreicht haben: Wir haben ein interessantes Software-Produkt auf den Markt gebracht und dafür in kürzester Zeit sehr viele Kunden gewonnen. Das war nur dank eines hochmotivierten Teams möglich, das auch von vielen starken Frauen geprägt wird. Der Preis ist eine große Ehre, andererseits freue ich mich auf den Tag, an dem es solche Auszeichnung für Frauen nicht mehr braucht, weil Diversität in der Tech-Branche selbstverständlich geworden ist. Bis es so weit ist bin ich froh, dass es diesen Preis gibt und dass mein Beispiel vielleicht andere Frauen inspirieren kann, sich einzubringen, ihr eigenes Ding durchzuziehen.

Was genau macht Yokoy und an welche Zielgruppe richtet es sich?

Yokoy wurde mit der Vision gegründet die Spesenabrechnung zu vereinfachen. Kassenzettel, die mit dem Smartphone abfotografiert werden, werden durch die Software von Yokoy in Sekundenschnelle digitalisiert, analysiert und korrekt verbucht. Dabei kommen Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz. Inzwischen ist die Spesenverarbeitung allerdings nur noch ein Modul neben anderen, die wir im Rahmen einer umfassenden Lösung für das Ausgabenmanagement anbieten. Diese Lösung orientiert sich an den Bedürfnissen von mittleren und großen Unternehmen und umfasst beispielsweise auch Firmenkreditkarten sowie ein Modul für die Verarbeitung von Lieferantenrechnungen, eines für die Aboverwaltung oder die Möglichkeit zur Rückforderung der Mehrwertsteuer.

Ich formuliere es bewusst salopp, aber „langweiliger als Spesenabrechnungen“ geht es ja fast gar nicht. Was reizt Sie persönlich an diesem Thema und wie kann man das Thema „sexy“ machen?

Jeder muss sich mit Spesen herumschlagen, jeder kennt das, niemand liebt es. Ich empfinde es als eine spannende Herausforderung, eine Software zu entwickeln und zu vermarkten, die den Menschen diese sehr alltägliche und wenig geliebte Aufgabe abnimmt. Als einfach zu bedienendes Ausgabenmanagement-Tool befreit die Yokoy-Software die Menschen von Routineaufgaben. So können sie sich auf die wichtigen Sachen konzentrieren und sie sind zufriedener.

„Viele Unternehmen haben den Lockdown genutzt, um die Digitalisierung voranzutreiben.“

Es geht nicht nur darum, etwas zu automatisieren, was bisher von Hand erledigt werden musste, sondern auch darum, Buchungen mit zusätzlichen Informationen anzureichern, die bisher mit vertretbarem Aufwand nicht beschafft werden konnten. Diese zusätzlichen Informationen erlauben neuartige Analysen der Ausgaben.

Andernorts haben Sie erzählt, dass Yokoy von der pandemischen Situation profitiert hat. Wie konnte das gelingen in Zeiten, in denen alle im Home Office arbeiteten und Spesen daher kaum angefallen sind?

Es gibt den Spruch “Wenn die Straße leer ist, sollte sie geteert werden”. Viele Unternehmen haben den Lockdown genutzt, um die Digitalisierung voranzutreiben. Und auch wenn zwar vielleicht die Reisetätigkeit und das damit verbunden Spesenaufkommen abgenommen hat, ergaben sich in dieser Zeit für die Informatikverantwortlichen durch das Homeoffice neue Herausforderungen.

Es mussten für die Zusammenarbeit über Distanz neue Software-Tools angeschafft werden. Damit verkomplizierte sich dann die Verwaltung der Software-Lizenzen. Yokoy hat für dieses Problem ein neues Software-Modul entwickelt. Die Software erkennt automatisch welche eingehenden Rechnungen zum Software-Abo gehören und verbucht die Beträge direkt im Buchhaltungssystem.

Mit Pleo und Spendesk, zwei Software-Anbieter für das Finanzmanagement befindet sich Yokoy in guter Gesellschaft. Beide Unternehmen haben unlängst eine Menge Kapital eingesammelt: Wie positioniert sich Ihr Unternehmen gegenüber den beiden erfolgreichen Firmen, womit wollen Sie punkten? 

Die genannten Firmen fokussieren sich auf kleine Unternehmen. Unser Angebot richtet sich jedoch an große, international tätige Unternehmen, die ganz andere Bedürfnisse und sehr hohe und spezielle Anforderungen haben, wenn es um die Sicherheit, die Benutzerverwaltung, die Abbildung komplexer Workflows, Standardisierungen oder die Einbettung von Yokoy in ihre Systemlandschaft geht. Unsere Software ist in der Lage, Buchungsbelege in allen gängigen Sprachen und in allen gängigen Schriftsystemen zu erfassen. Wir unterhalten ein internes KI-Labor mit mehreren Mitarbeitern, die das Training unserer Software mit immer neuen Beispielen voranbringen. Unsere Software kann sich auch an die mitunter sehr komplexen Abläufe von großen, internationalen Unternehmen anpassen. Wir können hier mithalten. Diese Firmen besitzen zudem eine vielfältige Software-Umgebung, in die Yokoy integriert werden soll. Und das können wir. Unsere Software ist für den Informationsaustausch mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware vorbereitet. Unterstützt werden gängige Schnittstellen und die Produkte vieler Anbieter darunter etwa auch SAP.

Sowohl Pleo als auch Spendesk identifizieren den deutschen Markt als größten Wachstumsmarkt. Warum kommt Yokoy nun ebenfalls hierher?

Der deutsche Markt ist geprägt durch mittlere und große Unternehmen, die international tätig sind. Unsere Software ist für diese Firmen bestens geeignet. Der deutsche Markt ist deshalb für uns von zentraler Bedeutung.

Worin sehen Sie den größten Unterschied der beiden Märkte Schweiz und Deutschland?

Die Unterschiede betreffen einmal die Größe der Unternehmen. Es gibt hier viele große und mittlere Unternehmen. Viele dieser Unternehmen sind international ausgerichtet. Sie nehmen es zudem bei der Beschaffung von Software sehr genau. Es gibt viele Fragen zu beantworten. Es geht um Lösungen, nicht um Experimente. Weil wir uns aber an anspruchsvolle Kunden gewöhnt sind, fühlen wir uns in Deutschland sehr wohl.

Was sind die größten Herausforderungen, die ein Schweizer Unternehmen bewältigen muss, um im Nachbarland Fuß zu fassen?

Vieles von dem, was es braucht, um in Deutschland Fuß zu fassen, bringen wir mit: Wir sprechen dieselbe Sprache wie diese Kunden. Dabei geht es nicht nur um das Deutsche, sondern auch um die Art und Weise, wie man an Probleme herangeht. Wir sind Ingenieure. Es gibt in der Schweiz eine ausgeprägte Ingenieurstradition. Diese ist international bekannt im Zusammenhang etwa mit den technischen Universitäten in Zürich (ETH) und in Lausanne (EPFL). An diesen Universitäten wurden unsere Software-Ingenieure ausgebildet. Unsere deutschen Kunden wissen, dass sie von uns viel erwarten dürfen. Unsere Bekanntheit ist zwar in Deutschland aktuell im Aufbau, dies wird sich aber in naher Zukunft ändern, denn wir haben an unserem deutschen Standort in München ein starkes Team.



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