Am 9. Juni 2024 wählen die Deutschen ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament. So manches Parteiprogramm könnte die Payment- und Banking-Welt ordentlich auf den Kopf stellen, Teil 1 unserer Serie zu den Wahlprogrammen. 

Die Entscheidungen der Europäischen Union sind wegweisend für die Finanzwirtschaft. Themen wie der digitale Euro, eine Finanztransaktionssteuer oder ein Provisionsverbot für Finanzdienstleistungen können große Veränderungen für die Branche hervorrufen. Doch was haben die Parteien in Sachen Payment und Banking vor? Eine Übersicht über die Programme von CDU/CSU, AfD, SPD und Bündnis90/ Die Grünen.

Die Union (CDU und CSU)

CDU und CSU treten mit einem gemeinsamen Programm zur Europawahl an. Nach Ansicht der beiden christlich-konservativen Parteien soll sich die Europäischen Zentralbank (EZB) weiterhin ausschließlich auf die Geldpolitik und Bankenaufsicht konzentrieren. Die beiden Parteien möchten aber die Stimmen im EZB-Rat neu verteilen. Größere Volkswirtschaften sollen mehr Stimmgewicht erhalten. Der EZB-Rat ist das oberste Gremium der Zentralbank. Er besteht aus sechs Mitgliedern, dem Direktorium und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Bisher teilen sich die Präsidenten der fünf größten Zentralbanken aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und der Niederlande vier Stimmrechte, während die 15 anderen Zentralbankpräsidenten elf Stimmrechte haben, die jeden Monat rotieren. Der Vorschlag der Union würde also die Position der Deutschen Bundesbank im EZB-Rat stärken.

Die Union begrüßt die Kapitalmarktunion und möchte den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen stärken. Welche genauen Maßnahmen sie ergreifen wollen, schreiben die Schwesterparteien jedoch nicht. Eine europäische Einlagensicherung, die bei der Insolvenz einer Bank in einem Mitgliedstaat die Bankeinlagen der Sparer sichert, lehnen sie jedoch ab. Die Parteien sind ausdrücklich gegen eine Schuldenunion. Auch soll es keine Bankenrettung aus Steuermitteln geben. Bargeld möchte die Union erhalten.

Alternative für Deutschland (AfD) 

Die Alternative für Deutschland war noch nie ein Fan des Euros. Am liebsten würden sie eine neue Deutsche Mark einführen. Ganz im alten Stil soll die neue alte Währung mit Gold besichert sein, das die Deutsche Bundesbank zu diesem Zweck wieder aus dem Ausland nach Deutschland zurückholen soll. Bargeld will die AfD erhalten und seine Nutzung sogar im Grundgesetz verankern – warum auch immer das in ihrem Europawahlprogramm steht. Mit Fortschritt insgesamt tut sich die AfD offenbar schwer. Denn einen von der EZB herausgegebenen digitalen Euro lehnt sie auch ab.

Die Bankenunion mit einem gemeinsamen Einlagensicherungssystem will die Partei ebenfalls nicht. Die Haftung der deutschen Banken soll auf die nationale Ebene beschränkt sein. Gemeinsame Schuldenaufnahme wie bei den Ukraine-Bonds oder beim Next-Generation-EU-Fonds will die AfD nicht fortführen. 

Die Partei ist außerdem gegen eine europäische Finanztransaktionssteuer. Sie fürchtet, dass sie Kleinanleger belasten könnte und die fondsgebundene Altersvorsorge verteuern sowie Großanleger und professionelle Investoren abschrecken könnte. Die im Jahr 2014 verabschiedete EU-Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge, die durch Kreditwürdigkeitsprüfungen eine Überschuldung von Verbrauchern verhindern soll, möchte sie komplett streichen. Nach Ansicht der AfD würde diese Familien, Selbstständige und Ältere benachteiligen. Informationen über Finanzprodukte möchte die Partei transparenter gestalten.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die SPD möchte die Banken- und Kapitalmarktunion vollenden, damit grenzüberschreitende Investitionen einfacher werden und kleine und mittlere Unternehmen leichter an Finanzierung kommen. Die Bankenunion besteht bisher aus einer einheitlichen Aufsicht und einheitlichen Regeln zur Abwicklung von Banken. Die letzte fehlende Säule ist ein gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem. Es gibt bereits seit 2014 einheitliche Regeln, wie nationale Einlagensicherungssysteme aussehen sollen, aber keinen EU-weiten Sicherungsfonds.

Die Arbeiterpartei möchte außerdem alle Wertpapier- und Devisentransaktionen besteuern. Auch wenn Unternehmen Aktien zurückkaufen, soll eine Steuer fällig werden, die dem EU-Haushalt zugute kommt. Provisionen für die Vermittlung von Finanzdienstleistungen möchte die SPD verbieten. Ein mögliches Provisionsverbot im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie war im vergangenen Jahr eines der ganz heiß diskutierten Themen in der Branche sowie der Politik. Außerdem fordert die SPD, eine internationale Transformationsbank zu gründen, die Ländern aus dem Globalen Süden dabei helfen soll, klimabedingte Schäden zu ersetzen.

Bündnis 90/Die Grünen

Auch die Grünen setzen sich dafür ein, die Banken- und Kapitalmarktunion zu vollenden. Sie unterstützen daher die europäische Einlagensicherung. Um Banken krisenfest zu machen, möchten die Grünen höhere Eigenkapitalquoten von mindestens zehn Prozent durchsetzen, regelmäßigere Stresstests durchführen und das Kreditgeschäft für Privatkunden vom Investmentbanking trennen. Sie sind für ein Provisionsverbot. Außerdem fördert die Partei die Einführung eines digitalen Euros ergänzend zum Bargeld und zum Buchgeld der Geschäftsbanken. 

Die EU-Taxonomie wollen die Grünen um weitere Abstufungen ergänzen und soziale Faktoren miteinbeziehen. Außerdem sollen Zulieferer bei der Bewertung berücksichtigt werden. Die aktuelle Einstufung von Atomenergie und Erdgas als nachhaltig lehnen sie ab.

Die Partei beabsichtigt, die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden mit Kompetenzen gegen Greenwashing auszustatten. Außerdem fordern sie ein staatliches Labelsystem für nachhaltige Geldanlagen. Warum Deutschland ein solches System einführen sollte, wenn es auf EU-Ebene die Taxonomie gibt, lassen sie offen.

Banken, Ratingagenturen, Versicherer und Pensionsfonds sollen ihre Klimarisiken im Rahmen bereits bestehender Berichterstattung offenlegen müssen. Außerdem wollen die Grünen Banken dazu verpflichten, die von ihnen finanzierten Emissionen schrittweise zu reduzieren. Welche Abstufungen sich die Grünen dabei vorstellen, haben sie im Programm nicht definiert. 

Newsletter
open close

Der beste Newsletter ever.

Wir versorgen dich täglich mit News, ausgewählten Artikeln und Kommentaren zu aktuellen Themen, die die Finanz-Branche bewegen. Jetzt anmelden!