Für Franziska Schmid sind Ökonomie und Ökologie kein Wiederspruch. Im Gegenteil: Künftig kann es nur noch zusammen gehen! In ihrer monatlichen Kolumne „Let’s think! Green!“ kommentiert sie nachhaltige Entwicklungen im Banking- und Payment-Sektor und fordert mehr Umsetzungswille ein!

Ab Ende 2021 greift die neue EU-Taxonomie, welche das Ziel verfolgt, nachhaltiges Investment für den Privatanleger einfacher möglich und transparenter zu machen. Unsere Bankberater weisen uns nun darauf hin, dass wir nachhaltig investieren können. Klingt das nicht schön? Aber weiß eigentlich jeder, was nachhaltige Investments sind? Allein das Thema Nachhaltigkeit ist überaus facettenreich und hochkomplex.

Kohle, Gas und Öl sind beim Anleger weiterhin beliebt

Bisher spielen nachhaltige Kriterien bei der Wahl der Geldanlage für Privatanleger eine sehr untergeordnete Rolle. Im vergangenen Jahr hat sich zwar die Zahl der interessierten privaten Investoren fast verdoppelt, doch absolut gesehen sind es immer noch verschwindend geringe Investitionen. Gerade einmal 18,3 Milliarden EUR wurden 2019 von Privatanlegern nachhaltig investiert. Nur zum Vergleich – das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland betrug 2019 6.465,4 Milliarden EUR.

Die Kriterien für Privatanleger sind überwiegend auf Liquidität, Rendite und Volatilität gestützt. Das ist verständlich, denn diese Attribute wurden die letzten Jahrzehnte in den Beratungsgesprächen hoch- und runtergebetet. Der Bankberater hat anhand dieser drei Bewertungskriterien das für den Privatanleger passende Produkt ausgewählt. Somit ist es kein Wunder – nur leider klimaschädlich! – dass viele Anleger nach wie vor in Kohle, Öl und Gas investieren.

Nehmt Anlegern die Klima-Verantwortung ab!

Anlaufstelle für nachhaltige Investments fehlt

Würden wir von heute auf morgen all diese Investitionen einfach in soziale und ökologische Projekte umlenken, wäre die Klimakrise nahezu gelöst. Ein neuer Kreislauf beginnt, in welchem umweltschädliche Projekte eliminiert und umweltfreundliche Projekte gefördert werden.

Das ist genau, was wir brauchen! Jetzt kommt das große Aber: Selbst, wenn sich mehr Privatanleger für nachhaltige Geldanlagen interessieren, finden sie keine Anlaufstelle. Nur etwa fünf der 1717 deutschen Banken beschäftigen sich intensiv und glaubwürdig mit sozial-ökologischer Geldanlage. Nur etwa sieben Prozent der deutschen Anleger können einen Finanzberater nennen, welcher auch in nachhaltiger Kapitalanlage beraten kann. Immerhin kritisieren jedoch schon 46 Prozent der deutschen Anleger, dass sie nur auf ausdrückliche Nachfrage bei ihren BankberaterInnen Informationen zu diesem Thema erhalten.

Bedarf an nachhaltiger Beratung ist da

Wie kann es also sein, dass sich so viele Banken diese Chance durch die Finger gehen lassen?

Das können Privatanleger derzeit tun, um nachhaltig zu investieren:

  1. Aufwändige Eigenrecherche betreiben
  2. Kunde bei einer der fünf Nachhaltigkeitsbanken werden
  3. Mit gut Glück einen Robo-Advisor auswählen, der wirklich in nachhaltige Geldanlagen investiert.
Nehmt Anlegern die Klima-Verantwortung ab!

Ab 2021 wird den Banken diese Chance quasi auferlegt. Die EU-Taxonomie schreibt den BankberaterInnen fortan vor, dass sie die Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsgespräch explizit abfragen müssen und dann auch nur hierzu passende Produkte anbieten dürfen.

Die klassischen Attribute der Anlagevermittlung wie oben genannt – Liquidität, Rendite und Volatilität -werden nun mit Nachhaltigkeit regulatorisch ergänzt.

Gute Gelegenheit, leider verpasst!

Eine ausdrückliche Pflicht zur Investition in Nachhaltigkeitsprojekte oder Kapitalerleichterungen für grüne Investments konstituiert die Taxonomie nicht. Das wäre aus Sicht der BaFin ein falscher Weg. Somit ist es ein weiterer Versuch, das Thema Nachhaltigkeit beim Endkunden näher in den Fokus zu rücken und Entscheidungsmöglichkeiten nachhaltig vs. nicht-nachhaltig transparent offenzulegen, verpasst worden.

Es gibt keine Pflicht für nachhaltiges Investment. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum nicht. Diese Taxonomie ist ein weiterer, grandioser Fehlentwurf dem Endkunden die Entscheidung in die Schuhe zu schieben (siehe: Beitrag zum Thema CO2).

Nachhaltigkeit muss das neue „Normal“ werden

Bankgeschäfte sind für die Mehrheit der Bürger so attraktiv wie Zahnarzttermine. Die meisten Kunden gehen zur Bank, um dort Bankgeschäfte zu erledigen – mehr nicht!

Es wäre zu viel verlangt, dass sie auch noch entscheiden müssen, ob sie die Verantwortung für das Nichterreichen des Klimaziels übernehmen möchten, nachdem sich BankberaterInnen mit Mühe und Not durch die sehr umfangreiche Taxonomie gekämpft haben. Können sie tatsächlich eine ausführliche Beratung mit dem Hinweis leisten, welche Auswirkungen Investitionen auf die Zukunft unseres Planeten haben – das ist für KundInnen und BeraterInnen ein bisschen viel verlangt. Meinen Sie nicht?

„Können sie eine ausführliche Beratung mit dem Hinweis leisten, welche Auswirkungen Investitionen auf die Zukunft unseres Planeten haben?“

Achtung, ich werde provokativ: Ich wünsche mir in Deutschland 1717 Finanzinstitute, die das Wort Nachhaltigkeit gar nicht kennen. Warum? Über Nachhaltigkeit sollte gar nicht mehr gesprochen werden müssen. Nachhaltigkeit ist das neue „normal“! Und so will ich auch investieren: Mit gutem Gewissen, ohne die Bürde den nachfolgenden Generationen aufzuerlegen. Und trotzdem renditeträchtig! Mit der richtigen Beratung und einer auf die Zukunft ausgerichteten Vorgabe der EU.

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