Im Rahmen ihrer Retail Investment Strategy schickte sich die Europäische Kommission abermals an, die zumindest noch in Deutschland weitverbreitete Praxis der provisionsbasierten Finanzberatung zu verbieten. Doch die Kommission wich Ende April dieses Jahres von ihrem ursprünglichen Ansinnen ab. Wie ist die Entwicklung einzuordnen und ist das Provisionsverbot damit vom Tisch?

Im Rahmen der provisionsbasierten Finanzberatung leisten die Hersteller von Anlageprodukten, wie z.B. Fonds oder Zertifikaten, an Banken und Wertpapierinstitute (im Folgenden: WpDU) sowie an Finanzanlagenvermittler für Produkte, die diese an ihre Kunden vermitteln, eine Provision. Die Provision steht zumeist in Abhängigkeit des vermittelten Anlagevolumens. Üblich sind sowohl Vertriebsprovisionen, die von den Herstellern für die Veräußerung eines Produktes geleistet werden, als auch sog. Folge- oder Bestandsprovisionen, die periodisch so lange bezahlt werden, wie die Kunden das jeweilige Produkt in ihrem Portfolio halten.  

Entscheidung nur verschoben

In dieser Praxis erkennt die Kommission einen Interessenkonflikt auf Seiten der WpDU, der auf dem Rücken der Anleger ausgetragen wird. Zur (vermeintlichen) Erhöhung der Integrität der Finanzmärkte und Stärkung des Anlegerschutzes erwog die Kommission, die provisionsbasierte Finanzberatung vollständig zu verbieten und damit der honorarbasierten Anlageberatung Vorschub zu leisten.

Eher überraschend ließ die Kommission Ende April dieses Jahres von ihrem ursprünglichen Ansinnen ab. Hintergrund hierfür war wohl insbesondere die massive Kritik von Interessensverbänden an den Plänen der Kommission und weniger ein Sinneswechsel der Kommission. Insofern verkündete die Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness auch, dass das Thema nur verschoben und dementsprechend nur vorläufig vom Tisch sei. Kryptisch kündigte sie an, dass der nun zu erwartende Vorschlag im Rahmen der Retail Investment Strategy keineswegs ein Freifahrtschein für die Finanzberaterschaft werde.

Die Ankündigungen von Frau McGuinness und die unmittelbar bevorstehende Veröffentlichung des Vorschlags der Kommission zur Kleinanlegerstrategie sind ein guter Anlass, den heutigen Stand der Regulierung von Provisionen und deren Historie etwas näher zu beleuchten und einen Blick auf mögliche Änderungen der Regulierung zu werfen.

Historie

MiFID I

Erstmals nahm sich der Europäische Gesetzgeber der provisionsbasierten Erbringung von Finanzdienstleistungen im Rahmen der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I) an, die mittels des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) mit Wirkung zum 01.11.2007 in deutsches Recht umgesetzt wurde. In diesem Zuge hielt der Begriff „Zuwendungen“ für an WpDU gezahlte Provisionen Einzug in das deutsche Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).

Die Zulässigkeit der Annahme von solchen Zuwendungen stand unter dem Vorbehalt, dass diese sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach dem Kunden gegenüber offengelegt und seitens des Empfängers zur Verbesserung der Qualität der erbrachten Finanzdienstleistung verwendet werden.

MiFID II

Mit der Neufassung der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), die zu Beginn des Jahres 2018 in deutsches Recht umgesetzt wurde, verschärfte der Europäische Gesetzgeber die Zuwendungsregeln.

Für die neu eingeführte Honoraranlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung wurde die Annahme von Provisionen gänzlich verboten. Die im Rahmen dieser Dienstleistungen erhaltenen Provisionen müssen von den WpDU vollständig an die Kunden ausgekehrt werden.

Soweit noch zulässig, wurden die Voraussetzungen für die Annahme von Zuwendungen weiter verschärft.

Heutige Rechtslage

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Annahme von Zuwendungen durch WpDU sind heute nach Maßgabe der MiFID II im WpHG, der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) und den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten der BaFin (MaComp) geregelt. Detailliert ist festgeschrieben, wann eine Zuwendung darauf ausgelegt ist, die Qualität der Dienstleistung für den Kunden zu verbessern und welche und viele (nämlich drei an der Zahl) Verzeichnisse zur Dokumentation der Zuwendungen und deren Verwendung zu führen sind.

Besserstellung von Finanzanlagenvermittler

Besser als WpDU geht es Beratern und Vermittlern (sog. Finanzanlagenvermittler), deren Anlageuniversum – verkürzt ausgedrückt –auf Anteile an Investmentsfonds nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) beschränkt ist. Der deutsche Gesetzgeber machte Gebrauch von der ihm in der MiFID II eingeräumten Ausnahmeregelung und erklärte das WpHG für Finanzanlagenvermittler nicht anwendbar (§ 3 Abs. 1 Nr. 7 WpHG).

Nach der einschlägigen Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) müssen Finanzanlagenvermittler ihre Kunden zwar informieren, ob und in welchem Umfang sie im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen Zuwendungen von Dritten erhalten. Auch dürfen die Zuwendungen der ordnungsgemäßen Vermittlung und Beratung im Interesse des Anlegers nicht entgegenstehen und sich nicht nachteilig auf die Qualität der Vermittlung und Beratung auswirken. Letzteres bedeutet im Ergebnis, dass das vermittelte Finanzprodukt nicht nach der Höhe der Provision für den Vermittler ausgewählt werden darf. Finanzanlagenvermittler sind jedoch – anders als WpDU – nicht verpflichtet, vereinnahmte Provisionen für qualitätsverbessernde Maßnahmen zu verwenden, sondern dürfen diese vereinnahmen und als Ertrag verbuchen.

Wie hätte das von der Kommission angestrebte Provisionsverbot aussehen können?

Naheliegend wäre gewesen, dass ein Provisionsverbot für die Anlageberatung und Anlagevermittlung durch eine entsprechende Erweiterung des bereits heute in Art. 24 Abs. 8 der MiFID II normierten Provisionsverbotes für die Vermögensverwaltung umgesetzt wird. Der deutsche Gesetzgeber hätte eine solche Regelung durch eine entsprechende Ergänzung von § 64 Abs. 7 WpHG umsetzen können.

Und Finanzanlagenvermittler?

Fraglich ist, ob der deutsche Gesetzgeber – soweit ihm eine entsprechende Änderung der MiFID II dies noch gestatten hätte – das Provisionsverbot auch auf die Anlageberatung und Anlagevermittlung, die durch Finanzanlagenvermittler erbracht wird, erstreckt oder aber deren bereits heute bestehende Besserstellung im Verhältnis zu WpDU noch ausgebaut hätte. In letzterem Fall wären wohl auch verfassungsrechtliche Implikationen nicht ausgeschlossen gewesen.

Wie hätte sich ein Provisionsverbot auf die Kundenbeziehung ausgewirkt?

Wegfall der vertraglichen Grundlage für die Annahme von Zuwendungen

Im Verhältnis zu ihren Kunden haben sich viele WpDU vertraglich die Berechtigung einräumen lassen, erhaltene Zuwendungen selbst vereinnahmen zu dürfen. Rechtstechnisch ist hierfür der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch des Kunden abzubedingen.

In einem weit beachteten Urteil vom 10.09.2012 (Az.: 0 U 85/11) erachtete das OLG Frankfurt eine Klausel, mit der sich ein WpDU die Ermächtigung zur Vereinnahmung von Zuwendungen einräumen ließ (Behaltensklausel), als wirksam. Eine wirksame Behaltensklausel muss jedoch den expliziten Vorbehalt enthalten, dass dem WpDU nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes die Annahme der Zuwendungen gestattet ist.

Im Falle einer Ausweitung des Provisionsverbotes auf die Anlageberatung und Anlagevermittlung wäre die vertragliche Grundlage für das Behalten von Provisionen auf Basis einer solchen Behaltensklausel entfallen, sodass die Provisionen entsprechend der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze des Auftragsrechts von den WpDU an die Kunden auszukehren gewesen wären.

Anspruch auf Zahlung der Provision gegen Hersteller des Finanzproduktes

Ansprüche des WpDU auf Zahlung der Provisionen gegen die Hersteller der entsprechenden Finanzinstrumente wären von einem Provisionsverbot wohl nur bedingt betroffen gewesen. Oftmals steht der vertragliche Provisionsanspruch des WpDU unter dem Vorbehalt dessen aufsichtsrechtlicher Zulässigkeit. Im Falle der Weiterleitung der Provision an die entsprechenden Kunden, läge – sofern die für die Vermögensverwaltung heute geltende Regelung in § 64 Abs. 7 S. 4 WpHG auch auf die Anlageberatung und Anlagevermittlung übertragen worden wäre – kein Verstoß vor. Der Provisionsanspruch des WpDU gegen den Produkthersteller bliebe von einem Provisionsverbot also im Wesentlichen unberührt.

Und nun?

Auch wenn die Kommission – zumindest vorläufig – auf ein gänzliches Provisionsverbot verzichtet, ist zu erwarten, dass es strengere Regelungen für Provisionen geben wird. Der unmittelbar vor der Veröffentlichung stehende Gesetzentwurf der Kommission für die Kleinanlegerstrategie wird wohl Vorschläge für eine entsprechende Verschärfung der Regulierung enthalten. Der Entwurf der Kommission – sollte er nicht noch kurzfristig geändert werden – wird z.B. wohl folgende Punkte enthalten:

  • Teilweises Provisionsverbot für Execution Only-Dienstleistungen (bloße Ausführung von Wertpapierorders ohne Beratung)
  • Strengere Vorgaben an die Finanzdienstleister für die Prüfung der Eignung und Angemessenheit der von ihnen beratenen/vermittelten Produkte
  • Schaffung von Preis-Leistungs-Benchmarks durch die EU-Aufsichtsbehörden als Maßstab für die Angemessenheit der Kosten und Gebühren der Produkte

Festhalten am Fernziel

Ungeachtet des „Rückziehers“ der Kommission beim Provisionsverbot für die Anlageberatung und Anlagevermittlung sprechen die Äußerungen der Kommissarin McGuinness dafür, dass sie an ihrem Fernziel unbeirrt festhält und weiterhin einen Systemwechsel weg von provisionsbasierten Vertriebsmodellen vollziehen will. Insoweit wird sich die Kommission wohl vorbehalten, die Einführung eines vollständigen Provisionsverbots mittelfristig erneut zu prüfen.

Gelingt es den Marktteilnehmern nicht, aufgrund der erwartbaren Verschiebungen des Regulierungsrahmens eine breite Akzeptanz der Direktvergütung von Finanzdienstleistungen durch die Kunden zu schaffen, könnten Drohszenarien wie eine „Beratungswüste Deutschland“ in manchen Marktsegmenten durchaus Realität werden. Gleichwohl sollte die Kommission jedoch bei diesem Thema mit Augenmaß und unter Berücksichtigung von finanzkulturellen Besonderheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten vorgehen und davon absehen, ihre Vorstellung von verbraucher- und anlegerfreundlichen Rahmenbedingungen mit der bürokratischen (Verbots-)Brechstange durchzusetzen.

Über die Autoren:

Peter Frey ist Gründungspartner der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er berät deutsche und internationale Unternehmen vornehmlich in den Bereichen Zahlungsdienste- & Zahlungsdiensteaufsichtsrecht, Bank- & Bankaufsichtsrecht, Finanzdienstleistungsrecht sowie Geldwäscherecht und Outsourcing.

Dr. Jörg Streißle ist Of Counsel bei der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort München. Er berät schwerpunktmäßig nationale und internationale Banken und Finanzdienstleister zu aufsichts-, zivil- und gesellschaftsrechtlichen Themen. 

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