Die geplante EU-Regulierung von Kryptowerten wie Bitcoin, Libra und Co. – Hintergrund, Inhalt und Einordnung der MiCA-Verordnung

In der vergangenen Woche hat die EU-Kommission einen Vorschlag für die Regulierung von Kryptowerten, die sogenannte „Markets in Crypto-Assets Regulation“ (kurz: MiCA) veröffentlicht. Der Vorschlag ist Teil eines umfassenden „Digital Finance Package“, das auch weitere Dokumente wie eine „Digital Finance Strategy“, eine „Retail Payment Strategy“ sowie Gesetzesvorschläge für ein „DLT-Pilotregime“ und für mehr „digital resilience“ im Finanzsektor enthält.

Wenn sie beschlossen wird und in Kraft getreten ist, wird die MiCA unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Mitgliedstaaten und jegliche Emissionen und Dienstleistungen rund um Kryptowerte regulieren. Sie hat das Potenzial, auch über die EU hinaus weltweit Standards beim Umgang mit digitalen, blockchainbasierten Vermögenswerten zu setzen. Deswegen möchte ich hier kurz den Hintergrund für die MiCA skizzieren, die wichtigsten Neuerungen der Regulierung vorstellen, und einen Ausblick in die Zukunft wagen.

In nur zwei Jahren von Null zur MiCA

Für manche ist der Krypto-Markt in Europa nicht mehr als eine oft belächelte Nische. Wie konnte es da zu einer rechtlich bindenden und EU-weit unmittelbar anwendbaren Verordnung kommen? Aus meiner Sicht spielen insbesondere drei Entwicklungen der letzten ein bis zwei Jahre eine Rolle, die sich jeweils gegenseitig verstärkten.

  1. Die EU-Kommission beauftragt Ende 2017 bzw. Anfang 2018 im Rahmen des EU FinTech Action Plans die Europäischen Aufsichtsbehörden (EBA, EIOPA, ESMA) damit, die Anwendbarkeit des EU-Finanzrechts auf diese neuartigen Kryptowerte wie Bitcoin zu prüfen. Gesagt, getan. Anfang 2019 veröffentlicht die European Banking Authority (EBA) ihren Bericht. Demnach fallen Kryptowerte zu großen Teilen nicht unter EU-Recht,  weisen jedoch nicht zu vernachlässigende Verbraucherschutz- oder Geldwäscherisiken auf. Der Auftrag ist klar: Die EU muss tätig werden.
  2. Das wird sie auch, zumindest teilweise. Im Rahmen der 5. Anti-Geldwäsche-Richtlinie verpflichtet die EU-Kommission ihre Mitgliedstaaten dazu, bis spätestens Anfang 2020 Maßnahmen zu ergreifen. Das resultiert jedoch in einem regelrechten Flickenteppich an nationalen Initiativen. Länder wie Deutschland, Frankreich, Litauen und Malta beschließen teilweise sehr stark abweichende Regeln, andere Staaten unternehmen gar nichts. Der noch junge Krypto-Sektor wird zersplittert, ein klarer EU-Standortnachteil.
  3. Das von Facebook initiierte Projekt einer globalen Digitalwährung Libra ist im Juni 2019 ein regelrechter Weckruf für Regulatoren weltweit und in der EU. Der Krytpo-Sektor ist aus den Kinderschuhen entwachsen, globale Konzerne befassen sich mit Kryptowerten wie z.B. Stablecoins. Die Erkenntnis in der EU ist eindeutig: Es braucht einheitliche und umfassende rechtliche Rahmenbedingungen.

Ein fehlender Rechtsrahmen, eine zunehmende Zersplitterung der Regelungen in der EU, sowie ein an Bedeutung gewinnender Krypto-Sektor mit dem als Gefahr für den Finanzsektor und für die staatliche Souveränität angesehenen Leuchtturmprojekt Libra zwingen die EU zum Handeln.

Was ist der Unterschied zwischen Fiat- und Kryptogeld wie Bitcoin?

Welche Regeln künftig für Kryptowerte in Europa gelten sollen

Kryptowert-Kategorien: Die MiCA erfasst und definiert alle Arten von Kryptowerten, die bisher nicht unter EU-Finanzrecht (insbesondere die MiFID 2) fallen. Das heißt aber auch, „Security Token“, die schon bisher als Aktien, Anleihen, oder Fonds reguliert werden, fallen nicht unter die MiCA. Für alle anderen Formen von Kryptowerten werden diverse Regulierungskategorien erstellt:

  1. Crypto-Assets allgemein (Bitcoin, Ether, Litecoin etc.)
  2. Utility Token (z.B. Filecoin Token, Basic Attention Token)
  3. ART – Asset-Referenced Token (z.B. DAI) und
  4. EMT – E-Money-Token (z.B. USDC). Unter ART und EMT fallen die im Sprachgebrauch bekannten Stablecoins, je nachdem ob Sie mit einer einzigen FIAT-Währung (Euro, Dollar etc.) hinterlegt sind (EMT), oder an mehrere FIAT-Währungen, Commodities wie Gold, oder andere Kryptowerte gekoppelt sind (ART). Für diese beiden Kategorien gibt es außerdem zusätzliche Anforderungen, wenn der Token als „signifikant“ angesehen wird, also eine hohe Reichweite und Nutzung erwartet wird. Dieser Zusatz wurde offensichtlich mit dem Libra-Projekt im Hinterkopf gemacht.

Diese Regeln gelten für die Emittenden

Emittenten dieser Kryptowert-Kategorien in der EU müssen in Zukunft ein Whitepaper veröffentlichen, falls keine Ausnahme greift, und der jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörde wie der BaFin in Deutschland im Voraus zukommen lassen. Die Aufsichtsbehörde kann die Token-Emission verbieten. Für ART und EMT braucht es sogar die explizite Zulassung der Aufsichtsbehörde. Und für „signifikante“ ART & EMT ist die europäische Bankenaufsicht EBA mithilfe eines neu zu formenden Gremiums nationaler Aufseher zuständig. Je nach Kryptowert-Kategorie fallen somit unterschiedliche regulatorische Pflichten und Vorgaben an. Sind die Pflichten erfüllt, kann der Kryptowert EU-weit angeboten werden.

Diese Regeln gelten für Dienstleister

EU berät über die Regulierung von Kryptowerten

Außer für bestehende Kreditinstitute erfordern Finanzdienstleistungen mit diesen Kryptowerten wie etwa Verwahrung, Brokerage, Handel oder Beratung künftig die vorherige Zulassung bei der nationalen Aufsichtsbehörde. Die regulatorischen Vorgaben betreffen unter anderem das Anfangskapital, die IT-Infrastruktur, die Unternehmensstruktur und die Eignung der Geschäftsleitung. Für Länder wie Deutschland, wo für bestimmte Krypto-Dienstleistungen bereits Lizenzen bestehen, soll es „simplified authorisation procedures“ geben, also vereinfachte Zulassungsverfahren. Das könnte sich noch zum Wettbewerbsvorteil für Krypto-Vorreiter-Nationen wie Deutschland entwickeln. Denn auch hier gilt: Einmal zugelassen kann die Dienstleistung über das europäische „Passporting“ im Finanzbereich in der gesamten EU angeboten werden.

Außerdem wird durch die MiCa nun erstmals auch der Marktmanipulation und dem Insiderhandel von Kryptowerten an Handelsbörsen der Riegel vorgeschoben. Das ist fortan ähnlich wie im traditionellen Kapitalmarkt illegal.

Die MiCA als politischer Meilenstein in der Krypto-Adaption – und die EU in der Vorreiterrolle

Durch die MiCA entsteht ein einheitlicher, europäischer Krypto-Binnenmarkt. Dazu schafft sie EU-weit Rechtssicherheit durch klare Einordnungen von Kryptowerten und klare Vorgaben für Krypto-Dienstleister. Das ist ein bedeutender Schritt für diesen jungen Markt und wird ihn zweifellos professionalisieren. Durch den klaren Rechtsrahmen ist zu erwarten, dass sich auch vermehrt institutionelle Investoren und Partner dem Krypto-Sektor öffnen. Aufgrund der Relevanz des EU-Marktes wird die MiCA auch international Standards setzen und Regulierung prägen, ähnlich wie es die DSGVO im Datenschutzbereich erreicht hat. Die EU nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, nicht zuletzt angesichts der uneinheitlichen Krypto-Regulierung in den USA (die in den einzelnen Staaten variiert) und der restriktiven Haltung vieler asiatischer Staaten wie China, Indien oder Indonesien gegenüber Kryptowährungen.

Natürlich hängt der Erfolg der MiCA von vielen offenen Fragen ab. Wie wird mit gänzlich dezentralen Krypto-Projekten umgegangen – also wer wäre, wenn Bitcoin heute neu gestartet würde, für die Emissionsanforderungen wie das Whitepaper verantwortlich? Wie wird mit dezentralen Finanzdienstleistungen (Stichwort DeFi) umgegangen?

Zeitlicher Rahmen ist ungewiss

Wann die MiCA in Kraft tritt, ist angesichts des anstehenden Gesetzesverfahrens in Rat und Parlament der EU sowie der angesetzten Übergangsfrist von 18 Monaten schwer einzuschätzen. Für die „signifikanten“ Stablecoins wie Libra dürfte dies zusätzlich noch deutlich länger dauern, da eine nachgelagerte EU-Behörde die „Signifikanz-Kriterien“ erstellt und das EBA-Aufsichtsgremium neu aufgestellt werden muss. Hier sprechen wir voraussichtlich von zwei bis drei Jahren. Und natürlich wird die MiCA nur dann ein Erfolg, wenn die Auflagen für junge Markteilnehmer nicht zu hoch angesetzt werden. Zwischen globalem Standortvorteil durch klaren Rechtsrahmen und Abwandern von innovativen Unternehmen aufgrund zu hoher Anforderungen liegt oft nur ein schmaler Grat.

Für Deutschland stellt sich die Frage, inwiefern die bestehenden Initiativen wie die Kryptoverwahrlizenz mit der MiCA vereinbart werden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) betonte von Anfang an, dass die deutschen Alleingänge im Krypto-Sektor nur eine Übergangslösung auf dem Weg zur EU-weiten Lösung darstellten. Die Debatte über Kryptowerte ist inzwischen aus der Nische heraus auf der obersten politischen Ebene angekommen ist. Auch deswegen bin ich zuversichtlich, dass die MiCA langfristig ein voller europäischer Erfolg wird und ein wichtiger politischer Meilenstein für die weitere Krypto-Adaption.

EU berät über die Regulierung von Kryptowerten

Am 1. Oktober lädt der Bitkom zu einem Bitkom Webevent zum Thema „europäische Regulierung von Kryptowerten“ ein.
Gäste sind: Staatssekretär Dr. Jörg Kukies und Marcel Haag, Direktor bei DG FISMA in der EU-Kommission.

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