Dürfen wir vorstellen: Kim Felix Fomm von Raisin

Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Kim Felix Fomm unsere Fragen.

Dürfen wir vorstellen…

Während unseres Arbeitsalltags begegnen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir in einer ganz eigenen Kategorie kurz porträtieren und vorstellen und haben dazu einen immer gleichen Fragenkatalog entworfen.

Diesmal beantwortet Kim Felix Fomm unsere Fragen. Kim ist Chief Investment Officer (CIO) beim Berliner Fintech Raisin und leitet den Bereich Investment- und Vorsorgeprodukte.

Wer bist Du, was machst Du? 

Hi, ich bin Kim. 

Die kürzeste Antwort: Menschen dabei helfen, Vermögen aufzubauen – mit einfachen und fairen Produkten.

Die Langversion: Ich bin bei Raisin als Chief Investment Officer und VP Investment & Pension Products für die Investment- und Vorsorgesparte verantwortlich. In Deutschland sind wir eher bekannt unter der Marke WeltSparen. Wir sind aber in ganz Europa (und bald den USA) aktiv.

Unser ältestes Geschäftsfeld ist die Vermittlung von Einlagen zwischen Banken mit Finanzierungsbedarf und Anlegern, die keine Lust auf Niedrig- oder Negativzinsen haben. Seit knapp drei Jahren sind wir auch im Investmentbereich aktiv. 2019 haben wir einen Anbieter für staatlich geförderte Vorsorgeprodukte auf ETF-Basis übernommen, den wir letzten November erfolgreich integriert haben. 

Gesichter Kim Felix Fomm

2019 haben wir einen Anbieter für staatlich geförderte Vorsorgeprodukte auf ETF-Basis übernommen, den wir letzten November erfolgreich integriert haben.

Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?

Lockdown-bedingt leider recht gleichförmig im Moment. Nach dem Aufstehen trinke ich grünen Tee und checke meine E-Mails. Wenn ich nichts sofort machen muss, meditiere ich danach. Klang für mich immer esoterisch, aber ein guter Freund hat mir die App von Sam Harris empfohlen, der das selbst für die größten Skeptiker überzeugend macht. 

Ich lese abends gerne kreuz und quer; ein paar Buchempfehlungen habe ich hier mal gegeben. Nachdem ich mich lange (bis vor fünf Jahren erfolgreich) gegen Serien gewehrt habe, komme ich am Streaming nicht mehr vorbei. Gerade schaue ich The Mandalorian, unerwartet gut. Um fit zu bleiben, mache ich gezwungenermaßen daheim Krafttraining und jogge. In normalen Zeiten probiere ich sehr gern Restaurants und Bars in Berlin und Frankfurt aus. In Berlin würde ich jedem einen Besuch in der Weinbar Freundschaft empfehlen. 

Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?

Ich habe direkt nach dem Abi eine Banklehre bei der BHF-Bank (heute Oddo-BHF) gemacht. Das war damals das Bank-Äquivalent zur Siemens-Stammhauslehre. Im Anschluss habe ich berufsintegriert mit Stipendium an der Frankfurt School of Finance & Management studiert. Das war eine super Ausbildung über das gesamte Bankgeschäft hinweg. 

Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?

Erst mal habe ich Wealthfront und Betterment wahrgenommen, die ein super Konzept hatten und in den USA schon um 2010 aktiv wurden. FinTech habe ich wahrscheinlich 2012 oder 2013 das erste mal gehört. Die ersten Firmen wurden damals noch ziemlich belächelt. Seitdem hat sich die Branche extrem stark entwickelt. 

Wie definierst Du FinTech? 

Als Investment-Mensch schaue ich als allererstes nach Papers. Da kommt diese Definition der Sache am nächsten: Fintech is a new financial industry that applies technology to improve financial activities.

Gesichter Kim Felix Fomm

Ich würde das allerdings auch etablierte Unternehmen dazu zählen, die – wenn sie den Schritt in die Digitalisierung sehr gut managen – ja ebenfalls mit Technologie Finanzprodukte verbessern. Goldman Sachs, einer unserer Investoren, beschreibt sich sogar selbst als Technologieunternehmen. Mittlerweile arbeiten dort über 10.000 Entwickler.

Auch die meisten erfolgreichen Hedgefonds sind heute reine Hightech-Firmen, die vor allem smarte Naturwissenschaftler beschäftigen. 

Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs? 

Den Widerspruch aus der Frage gibt es nur, wenn wir auf die enge FinTech-Definition als junge Unternehmen zurückgehen.

Etablierte Firmen haben eine sehr gut organisierte Interessenvertretung bei staatlichen Stellen wie Politik und Regulierern. Damit einhergehend haben sie ein gutes Gespür für Compliance-Themen in der Produktentwicklung. Zudem kennen sie ihre Kunden oft besser, weil sie mehr in Marktforschung investieren und die Beziehung über Jahre gewachsen ist.

Was kann man von FinTechs lernen? 

Es ist erstaunlich, welche Prozesse bei Banken noch immer manuelle Arbeitsschritte beinhalten. Diese etablierten Unternehmen lernen da durch Partnerschaften mit FinTechs schon eine ganze Weile. Wir haben über 100 Partnerbanken, mit denen wir teilweise schon neun Jahre zusammenarbeiten. Da entsteht ein Wissenstransfer in beide Richtungen. Nachdem viele FinTechs am Anfang sehr krawallig aufgetreten sind, gehen etablierte Banken und FinTechs immer stärker aufeinander zu. Sie sehen sich nicht länger als Konkurrenten, sondern verstehen sich als Partner, die wechselseitig voneinander profitieren.

FinTechs setzen Maßstäbe im Identifizieren von Problemen der klassischen Geschäftsmodelle. Und sie finden kreative und effiziente Wege, diese Probleme digital zu lösen und dabei ein besseres Kundenerlebnis zu erreichen. Gleichzeitig sind FinTechs extrem Daten- und Zahlen-getrieben und adaptieren ihre Erkenntnisse umgehend, so dass aus meiner Sicht der wechselseitige Win-Win gegeben ist.

Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer? 

Aus meiner Sicht gibt es zwei große Themen. Das erste ist Legacy-IT: antike Kernbanksysteme, die aus Einzellösungen (teilweise noch in Cobol) zusammengestellt wurden. Die Schmerzen bei einigen Großbanken zeigen das deutlich. Am Ende haben junge Fintechs einfach den Vorteil, auf der grünen Wiese anzufangen und ihre Systeme entsprechend dem aktuellen State-of-the-Art aufzubauen – in zehn Jahren ist das dann auch wieder Legacy, das sehen wir sogar bei älteren Fintechs. 

Zweitens stehen die Banken vor einem Dilemma. Im Kreditbereich, dem Brot-und-Butter-Geschäft der Banken gibt es durch die anhaltenden Niedrigzinsen eine erhebliche Kompression der Margen. Das Provisionsgeschäft, dort vor allem der Verkauf von Anlageprodukten an Privatanleger, rettet die Banken vor größeren Problemen. Tatsächlich sind die Margen dort auch viel höher als bei den digitalen Wettbewerbern. Das führt aber dazu, dass die durchaus vorhandenen innovativen Ansätze (viele Banken haben digitale Investmentlösungen entwickelt) intern massiven Gegenwind bekommen. In der aktuellen Situation ist das Risiko der Kannibalisierung des Geschäfts durch ein margenschwächeres Angebot aus Sicht vieler Vorstände nicht tragbar.

Was macht deinen Job täglich interessant?

Ich bin für den Bereich Investment- und Vorsorgeprodukte insgesamt verantwortlich, das heißt ich beschäftige mich mit allen Themen von Marketing, Biz Dev bis zu Product und Investments. Dabei bin ich einerseits Manager und Schnittstelle. Ich teile mein Wissen und lerne selbst in einzelnen Bereichen hinzu. Das ist sehr fordernd, oft mit Neuem verbunden und vor allem abwechslungsreich. Außerdem macht die Teamarbeit mit so vielen hellen Köpfen wie Tech-Spezialisten, Finanzprofis und engagierten Newcomern echt Spaß. 

„Mein Job ist fordernd, oft mit Neuem verbunden und vor allem abwechslungsreich.“

Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest? 

Ich befürchte, dass ich schrecklich Banker-stereotype Interessen habe. Ich liebe alte Autos. Zwischen meiner Zeit bei der BHF-Bank und Liqid habe ich vier Monate in einer Werkstatt für Old- und Youngtimer gearbeitet. Schrauben und vielleicht auch mit Autos handeln würde mir Spaß machen. Eine Alternative wäre Sommelier. Kombinationen aus Essen und der riesigen Auswahl an spannenden Weinen finde ich reizvoll. Ein super anspruchsvoller Job, der auch eine soziale Komponente durch den Kontakt mit Gästen mitbringt.

Worauf bist du stolz?

Auf das Team bei Raisin, dass extrem kollegial und mit Fokus auf den Kunden zusammenarbeitet. Das macht uns als Firma erfolgreich und mir riesig Spaß. Die beste Zusammenfassung unserer Philosophie hat mir Tamaz, unser CEO, einmal in einer Diskussion zu Product Features gegeben: “Easy-peasy, cheap, not sleazy.” Unsere Produkte sind einfach nutzbar und verständlich strukturiert. Wir sind Kostenführer, alles was der Kunde an Gebühren spart, bleibt am Ende als zusätzliche Rendite übrig und über den Zinseszinseffekt sind selbst kleine Unterschiede am Ende große Beträge! Und wir haben keine versteckten Provisionen, Kick-backs oder sonstige Nachteile für den Kunden. Unsere Produkte schneiden super bei Verbraucherschützern und anderen Tests ab, das ist wahrscheinlich der beste Beweis für gute Finanzprodukte.

Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?

Das ist wahrscheinlich Stoff für ein eigenes Interview. Das gilt für FinTechs im Übrigen noch einmal stärker ist mein Gefühl, weil in der Finanzbranche weniger Frauen arbeiten als in anderen Branchen. Ich sehe zwei Probleme.  

Erstens: Es gibt zu wenig Frauen in der Branche, das hält junge Frauen davon ab, in den Bereich einzusteigen. Also ein Henne-Ei-Problem. Ich bin sehr skeptisch gegenüber Quotenregelungen, weil die wieder andere Probleme und andere Diskriminierung nach sich ziehen können. Allerdings hat mich Lea, unsere Personalchefin, davon überzeugt, wie niedrige Quoten gegen dieses Problem helfen können und mehr weibliche Vorbilder sichtbar machen. Und sicherlich beeinflusst ein heterogenes Team die Kultur der Unternehmen positiv und durchbricht im besten Fall die kulturell bestenfalls schwierigen “Boys Clubs”. Und machen wir uns nix vor, die gibt es durchaus in der deutschen Fintech-Szene. 


Zweitens gibt es eine starke geschlechtsspezifische Präferenz bei der Berufswahl. Frauen wählen zum Beispiel überproportional häufig soziale Berufe. Diese Präferenzen sind in sehr egalitären Gesellschaften, wie den skandinavischen Ländern, sogar am ausgeprägtesten. Das heißt aber nicht, dass man daran nichts ändern kann.

Gesichter Kim Felix Fomm

Eine größere Diversität – und hier meine ich echte Vielfalt und nicht nur geschlechtsbezogen – über alle Berufe hinweg wäre ein Gewinn. Lösungen für ein Umdenken sind allerdings vermutlich sehr langwierig.

Eltern sollten versuchen, Kinder nicht in eine Richtung zu schieben, sondern bewusst alle Möglichkeiten aufzeigen. Auch in der Bildungspolitik gibt es Ansätze, wie naturwissenschaftliche und technische Berufe generell interessanter für Frauen gemacht werden können. Die Rollenprägung fängt ganz früh an, so dass die Schule sogar schon etwas spät ist – und teilweise sogar Defizite hat, Jungs zu fördern.

Im Jetzt tragen wir als Arbeitgeber eine große Verantwortung. Wofür wollen wir stehen, wie wollen wir zusammenarbeiten und was ist uns in unserem Team wichtig? Wir engagieren uns, um weibliche Talente zu begeistern, insbesondere in Disziplinen, in denen es besonders schwer ist. Das Vorbildthema gehen wir an – ohne, dass wir dafür bisher eine Quote gebraucht haben. Wir versuchen hier vor allem, Frauen Karrierewege zu ermöglichen und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu helfen. Im Management- und Leadership-Team haben wir beispielsweise überproportional viele frisch gebackene Mütter und Väter.


Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?

Bei Google würde ich gern einmal für einen Tag reinschnuppern, vor allem wegen der vielzitierten Arbeitskultur, die Kreativität und Eigenverantwortung fördert. Das macht neugierig. Und ich wüsste natürlich gerne, woran dort im stillen Kämmerlein gearbeitet wird. 

Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?

Auf ein Bier würde ich mich mit Ray Dalio, dem Gründer von Bridgewater, einem der erfolgreichsten Hedgefonds der Welt, treffen. Ray Dalios Firma ist bekannt für eine auf extremer Offenheit und permanenten Feedback basierenden Kultur. Die Urteile darüber sind extrem unterschiedlich, aber irgendwas scheint da richtig zu laufen.

Zur Person: Kim Felix Fomm

Kim Felix Fomm ist Chief Investment Officer (CIO) bei Raisin und leitet den Bereich Investment- und Vorsorgeprodukte. Bevor er 2019 zu Raisin wechselte, baute Kim den digitalen Vermögensverwalter Liqid mit auf. Dort war er als Geschäftsführer für die Bereiche Investments, Finance und Business Intelligence zuständig. Zuvor war er bei der BHF-Bank in den Bereichen Vermögensverwaltung und Alternative Investments tätig. Nach seiner Banklehre studierte er BWL (Frankfurt School of Finance & Management/HEC Montréal) sowie im Master politische Ökonomie an der Zeppelin Universität und am King’s College London.

Kim lebt in Berlin und Frankfurt und freut sich, wenn die Technoclubs wieder öffnen dürfen. Er liest kreuz und quer, interessiert sich aber insbesondere für mittelalterliche und Wirtschaftsgeschichte. Da er für Hockey kaum noch Zeit findet, bleibt Kim als Ausgleich zur Arbeit durch Fitness in Kondition. Er ist außerdem mediokrer, aber begeisterter Skifahrer und hat ein Faible für gute Weine und Oldtimer.

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