Mit seinem Netzwerk möchte Sam Altman die Welt erobern und damit ein globales Grundeinkommen verteilen. Doch für das Projekt gibt es viel Kritik. Warum ist der Worldcoin so umstritten? 

Der Mann hinter Open AI ist nicht gerade dafür bekannt, klein zu denken. Sam Altmans wohl umstrittenstes Projekt soll daher nicht weniger als die Welt verändern. Zusammen mit dem deutschen Entwickler Alex Blania möchte Altman ein globales Identitäts- und Währungsnetzwerk aufbauen. Nebenbei wollen sie jedem Weltbürger ein Grundeinkommen verschaffen. 

Doch noch bevor das ambitionierte Projekt richtig abheben konnte, hagelte es Rückschläge. Ausgerechnet im Heimatland von Open AI, den USA, ist Worldcoin wegen Bedenken um den Datenschutz nicht handelbar. Ähnlich ist es in Portugal, Spanien, Frankreich, Kenia und vielen weiteren Ländern – zumindest solange offene Fragen nicht geklärt sind. In Deutschland untersucht das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht Worldcoin. Eine Entscheidung wird für Mitte Juli erwartet. 

Trotz aller Bedenken haben sich laut Worldcoin bisher über 5,5 Millionen Menschen weltweit angemeldet – teils unter zweifelhaften Umständen. Was also steckt hinter dem vorgeblichen Supercoin? Payment & Banking hat sich das Projekt genauer angeschaut.

Wie funktioniert Worldcoin?

Worldcoin ist ein Zusammenschluss des 2019 von Altman und Blania gegründeten Tools for Humanity (TFH) mit Sitz in San Francisco und Erlangen sowie der Worldcoin Foundation. Für das Projekt sammelten die beiden Investitionen in Höhe von 240 Millionen Dollar ein. Mit dem Geld entwickelten sie die Kryptowährung Worldcoin (WLD) sowie ein Verfahren zur Aufnahme biometrischer Daten über Iris-Scans. Währung und Scan-Aufnahmen gingen im vergangenen Sommer an den Start. 

Dahinter soll also mehr sein als ein Zahlungsmittel. Angebunden an die Währung ist ein Identitätsnachweis, die World ID, ein biometrischer Pass für Weltbürger. Damit möchte Altman ein Problem lösen, das er mit Open AI selbst mitgeschaffen hat. Durch KI werde es immer schwieriger, Inhalte und Identitäten, die von künstlicher Intelligenz geschaffen wurden, von denen realer Personen zu unterscheiden, heißt es in einem Weißbuch von Worldcoin. Die sogenannte “Proof of Personhood” (PoP) möchte Worldcoin mit seinem Angebot sicherer machen. 

Sicherer als alle anderen Identifikationsmerkmale seien biometrische Daten wie ein Iris-Scan,. Dafür hat man an Orten auf der ganzen Welt Anmeldezentren aufgebaut, in Deutschland etwa in Berlin und Köln. Das funktioniert mit einem sogenannten Orb, einer Bowlingball-großen Kugel mit eingebauter Kamera, die in Erlangen gebaut wird. Sie erstellt hochauflösende Bilder der Iris, die in einen Code verwandelt werden, der für jeden Menschen einzigartig sein soll. Daten wie Geburtstag, Wohnort und Beruf werden in der World ID nicht gespeichert werden. Laut Worldcoin werden die Aufnahmen nach der Erstellung des Codes gelöscht. 

Im Prinzip handelt es sich um ein Tauschgeschäft: Worldcoin gegen die Anmeldung einer World ID mit biometrischer Sicherung. Nutzer erhalten etwa 25 Token der Währung, umgerechnet derzeit etwas über 110 Euro dafür. Das soll gerade am Anfang das Wachstum ankurbeln. Auf die Token können Nutzer in einer Wallet zugreifen, die Teil einer World App ist, auf der auch die World ID hinterlegt wird. Für das Senden und Empfangen der Währung ist jedoch keine vollständige World ID samt Iris-Scan notwendig.

Was sind die Vorteile?

Mit der World ID ist es möglich, die eigene Persönlichkeit nachzuweisen. Beispielsweise sollen so digitale Wahlen möglich werden, bei denen jede Person lediglich ein Votum abgeben kann. Oder, um auf sozialen Medien Identitätsdiebstahl und Bots entgegenzutreten. Bisher kann man sich jedoch nur auf einigen wenigen Apps wie Reddit oder Telegram über die World ID verifizieren lassen. 

Sam Altman brachte in Zusammenhang mit dem Worldcoin auch ein Universal Basic Income (UBI) ins Spiel, also ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das könnte über die World ID verteilt werden. Altman ist seit Jahren an der Idee interessiert. Das Einkommen soll sich aus der Wertschöpfung Künstlicher Intelligenz (KI) speisen, die bald besser und schneller arbeiten werde als Menschen. Finanzieren möchte Worldcoin dies jedoch selbst nicht. “Es erfordert eine eigene Finanzierungsquelle”, heißt es im Weißbuch, etwa durch eine Beteiligung an den von einem KI-Labor erzielten Gewinnen.

Was ist so umstritten an der Kryptowährung? 

Die Pläne sind in ihren Ausmaßen wohl kaum zu übertreffen. Dabei gibt es viel Kritik für das Projekt – und Zweifel am Datenschutz, weswegen einige Länder die Erlaubnis für den Iris-Scan aussetzen. “Datenschutzbehörden sind bei solchen Vorhaben eher vorsichtig”, sagt Philipp Maume, Professor an der TU München. Die Schlagworte Blockchain und biometrische Daten allein sorgten für eine empfindliche Reaktion. Denn die Verarbeitung biometrischer Daten unterliegt nach Artikel 9 der DSGVO strengeren Voraussetzungen. Das müsse aber nicht unbedingt bedeuten, dass gegen den Datenschutz verstoßen wurde. “Mir scheint, dass zumindest kein offensichtlicher Datenschutzverstoß vorliegt”, sagt Maume. Dabei komme es jedoch auf die Details an.

Im Wesentlichen geht es um Unklarheiten, wie Worldcoin besonders mit den empfindlichen Iris-Daten umgeht. Die erste potentielle Schwachstelle befindet sich vor Ort: Denn die Iris-Aufnahmen des Orb werden vor Ort kurzzeitig gespeichert, bevor sie gelöscht werden, nachdem sie in einen Code verwandelt wurden. Der wurde lange in einer Cloud oder Firmenservern gesichert, was zu Problemen führen kann, wenn diese Server sich außerhalb der EU befinden. Seit März wird der Code auf dem Gerät des Nutzers gespeichert. “Der Iris-Code wird nicht aus dem Worldcoin-Backend gelöscht”, heißt es in den Datenschutzhinweisen. “Vielmehr wird der Iris-Code dauerhaft verschlüsselt und dauerhaft gespeichert, um einen dauerhaften Nachweis der Einzigartigkeit zu gewährleisten.” Aus datenschutzrechtlicher Sicht sei das ein wichtiger Schritt gewesen, sagt Philipp Maume. Den Behörden sei grundsätzlich wichtig, dass sensible Daten nicht an einem zentralen Ort gespeichert werden oder nicht auf eine Blockchain gelangen. 

Eine Blockchain wird laut Worldcoin nur für einen begrenzten Teil der Daten verwendet. Dort ist lediglich die Information abrufbar, dass es sich um eine Person handelt, nicht um welche. So soll eine Identität verifizierbar sein, während gleichzeitig die Anonymität gewahrt wird. 

Die Iris-Codes nicht auf der Blockchain zu speichern, begrüßt Cedric Heidt vom Blockchain Center an der Frankfurt School, denn das sei nicht hundertprozentig sicher. “Sensible Daten wie zum Beispiel ein Iris-Scan auch in codierter Form sollten niemals auf einer Blockchain gespeichert werden”, sagt er. “Auch die Verschlüsselung kann möglicherweise irgendwann aufgelöst werden. Informationen, die auf einer Blockchain gespeichert sind, bleiben für immer dort.” Der World ID steht er positiv gegenüber: “Die Idee selbst ist revolutionär und ist ein kritischer Teil der Infrastruktur, den die Welt brauchen wird”, sagt er. 

Ist Worldcoin eine gute Anlage?

Der Token kann auch ohne Iris-Scan gehandelt werden. Als Anlage eignet sich die Kryptowährung aber eher nicht, sagt Cedric Heidt. Das liegt vor allem daran, dass Nutzereintritte für eine höhere Inflationsrate sorgen. Die Währung sei aus seiner Sicht eher als Cash gedacht. Wie viel von dem Konzept bloß Marketing sei, werde sich noch herausstellen.

Fidelio Tata, Professor für Finance an der International School of Management, hat dagegen erhebliche Zweifel hinsichtlich des Geschäftsmodells von Worldcoin. Insbesondere der Umstand, dass sich die Initiatoren des Projektes wohl selbst Token zugeteilt haben, könne als Warnsignal verstanden werden. „Es ist nicht auszuschließen, dass Woldcoin versucht, durch die Erzeugung eines Hypes den Wert ihrer Coins kurzfristig in die Höhe zu treiben, damit die Initiatoren ihre Anteile mit Gewinn verkaufen können.” Das System, das Tata als “pump-and-dump” bezeichnet, könne bei Käufern der Coins zu schmerzlichen Verlusten führen. 

Den größten Ansturm gab es bisher vor allem in Entwicklungsländern. Zwischenzeitlich erreichte die Währung einen Wert von umgerechnet über elf Dollar. Mittlerweile ist der Kurs auf etwa fünf Dollar gefallen. Doch um wirklich erfolgreich zu sein, müsste sich der Worldcoin auch in Industrieländern durchsetzen. Hier stehen jedoch die Regulierungsbehörden zwischen Altmann, Blania und ihrem Traum von einem globalen Währungs- und Identifikationsnetzwerk. Fest steht: Findet die World ID mit Iris-Scans keine weite Verbreitung, sieht es auch mit dem Erfolg des Worldcoins nicht gut aus. Seine Zukunft hängt also im Wesentlichen von den Entscheidungen der Regulierer ab – ob in der EU oder in anderen Ländern.

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