Instant-Payment-Verordnung aus Europa kommt. Anbieter wie PayPal können sich dennoch zurücklehnen, so lange die Echtzeitzahlung in Deutschland weiter nicht als Endkundenprodukt aufgesetzt wird, meint Jochen Siegert.

Man kann es den digital-native Jugendlichen eigentlich nicht wirklich erklären: Warum eine Überweisung in Europa mindestens. einen Werktag dauert, während man seit Jahren global Dateien, Kryptowährungen und auch PayPal-Zahlungen an 24 Stunden am Tag und an sieben Tagen die Woche „instant“ hin und her schickt. So gesehen bringt die neue EU-Verordnung zu Instant Payments nur eines: Sie überführt die klassische SEPA-Überweisungsinfrastruktur endlich in die „always-online“-Realität. Ein wichtiger Schritt, aber eben auch nicht mehr. 

PaymentandBanking-Autor Nils Wischmeyer schrieb in dieser Woche, dass „PayPal durch Instant gewaltig unter Druck geraten wird“. Das halte ich für falsch.  

Wieder einmal wird der grundlegende Fehler gemacht, dass Infrastruktur im Hintergrund (SEPA Instant Payment) mit einem Frontend und eigenständigen Produkt verwechselt wird. Weil dieser Fehler in der teutonischen Finanz-Community immer wieder gemacht wird, drehen sich Paypal und Co. bei diesem vermeintlichen Angriffchen entspannt um und genießen ungestört weiter ihre Wettbewerbssituation. 

Da ist zunächst der Marktanteil beim Online-Einkauf. Der lässt sich im Jahr 2023 anhand der letzten EHI-Payment-Studie erkennen. Paypal dominiert den deutschen Online-Payment-Markt souverän. Auch noch knapp 10 Jahre nach dem Start des selbsternannten Paypal-„Killers“ Paydirekt das, trotz Fusion mit Giropay, auf gerade einmal 0,4% Marktanteil kommt. Das zeigt: Selbst mit einem mäßigen Frontend ist es der deutschen Bankenindustrie nicht gelungen, PayPal beim Online-Einkauf überhaupt zu beeindrucken. Nun zu glauben, dass diese Dominanz allein durch eine schnelle Überweisung gebrochen wird, ist mehr als abwegig. 

Instant Payment: PayPal setzt das nicht unter Druck

Ein anderes Thema ist die Überweisung zwischen den Personen. Für den Endkunden ist eine Paypal-Zahlung als Person-to-Person (P2P)-Überweisung seit der Gründung im Jahr 1998 eine Instant-Zahlung und das global. Nur Zahlungsverkehrsexperten wissen, dass das Settlement dieser Zahlungen im Hintergrund zeitversetzt erfolgt. So gesehen ist die SEPA-Infrastruktur für Zahlungen in Europa (nicht global wie PayPal) mehr als 25 Jahre später endlich beim Produkt-Wertversprechen von PayPal angekommen.

Denn wichtig ist eine Unterscheidung: Weder SEPA noch die SEPA-Instant Infrastruktur sind ein Endkundenprodukt und besitzen ein kompetitives Frontend – weder für P2P-Zahlungen, noch für Händlerakzeptanz. Wie wichtig aber ein solche Frontendprodukt ist, möchte ich am Beispiel P2P-Zahlungen zeigen: Heute kann ich global an alle Paypal-Kunden, von denen ich nur Name oder E-Mail oder auch die Telefonnummer kenne, sofort Geld überweisen. App aufmachen, Name und Betrag eingeben und schon ist die Überweisung fertig. „Instant“ wird der Betrag dem Empfänger gutgeschrieben. Wie funktioniert das künftig über SEPA Instant Payment? Ich muss mein Gegenüber erst nach dessen IBAN fragen und eine 20+ stellige Zahlenkolonne auf dem Mäusekino-Display meines Smartphones hoffentlich korrekt abtippen. Wenn ich Glück habe und schon einmal eine Überweisung an die Person machte, bietet mir meine Banking-App eventuell an, eine Namenssuche zu tätigen. Bei jeder neuen Zahlung an eine neue, unbekannte Person ist PayPal deutlich überlegen. Über die bestehenden Netzwerkeffekte des globalen Ökosystems mit hunderten Millionen Kunden, das PayPal sich seit Jahrzehnten aufgebaut hat, mit entsprechenden Lock-In-Effekten, soll an dieser Stelle gar nicht gesprochen werden. Es klappt einfach. Also warum sollen die Nutzer ihr Verhalten umstellen, nur weil es jetzt SEPA Instant Payment gibt?

Instant Payment über die Banking-App der Hausbank im Vergleich zu PayPal ist ein wenig vergleichbar wie der VW eGolf mit einem Tesla. Beim Produkt Golf wurde der Motor (Infrastruktur) ausgetauscht, aber das restliche Auto war weiter ein Verbrenner-Golf. Ein signifikanter Produktnachteil des eGolfs gegenüber Tesla, dessen Auto größer ist, schneller lädt, eine deutlich größere Reichweite bietet und über ein riesiges Display verfügt. Beides sind Elektroautos und mit beiden Automobilen kann man von A nach B fahren. Aber nur ein Elektromotor alleine macht das Produkt noch nicht wettbewerbsfähig. Das musste auch VW erkennen und stellte den eGolf nach drei Jahren mangels Nachfrage wieder ein.

Instant Payments: Schlüssel für Erfolg ist ein Frontendprodukt

Lange vor der Einführung von Instant Payments gab es bereits Erfolgsgeschichten, die PayPal im Bereich P2P herausgefordert und teilweise sogar massiv überholt haben. Und das auch noch von Banken. Ein Beispiel dafür ist Twint in der Schweiz (die wir schon zweimal ausführlich im Podcast von PaymentandBanking beleuchtet haben, einmal hier und einmal hier). Twint fokussierte sich nicht auf die Infrastruktur der Zahlung, sondern auf ein bankübergreifendes, wettbewerbsfähiges Frontend als Produkt. Dadurch wurde Twint mit dem Corona-Rückenwind zum unangefochtenen Marktführer in der Schweiz – ganz ohne Instant Payment. Gleiches kennen wir aus Spanien (Bizum), Skandinavien (Swish) und den USA (Zelle). In all den Ländern waren Banken erfolgreicher als PayPal und überholten den Marktriesen lange vor lokalen Instant Payment-Initiativen. Somit ist die These widerlegt, es bräuchte Echtzeitzahlungen um PayPal ein Schnippchen zu schlagen.

In Deutschland waren ähnliche Versuche in einem ersten Anlauf nicht erfolgreich. Statt sich auf ein einheitliches Verfahren zu fokussieren, machten sich die Bankengruppen mit unterschiedlichen, miteinander inkompatiblen Verfahren jeweils unnötig Konkurrenz. Die genossenschaftlichen Banken und Sparkassen brachten jeweils getrennte P2P-Apps heraus und vermarkteten gleichzeitig noch die P2P-Funktion in der Paydirekt-App. Dass man so keinen Blumentopf gegen eine P2P-App mit starken globalen Netzwerkeffekten gewinnen kann, versteht sich von selbst.

Instant Payment ist eine lobenswerte Erweiterung des SEPA-Zahlungsverkehrs. Klassische Überweisungen kommen im „New Normal“ an und werden schneller. Ein Angriff auf PayPal und Co. lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, nicht mal ein Strohfeuerchen. Dazu müssen erst, wie im Ausland vorgemacht, bankenübergreifende, wettbewerbsfähige Produkte mit Frontends entwickelt werden. Ob, wann und von wem dies in Deutschland umgesetzt wird, werden wir sehen. 

Newsletter
open close

Der beste Newsletter ever.

Wir versorgen dich täglich mit News, ausgewählten Artikeln und Kommentaren zu aktuellen Themen, die die Finanz-Branche bewegen. Jetzt anmelden!