Digitale Assistenten

„Alexa, bestell‘ mir eine Pizza” – Es klingt wie Zukunftsmusik, ist jedoch längst Realität: Das Einkaufen per Sprachsteuerung macht Internet-Shopping leichter als je zuvor, birgt aber auch Risiken. Wie Voice Commerce unser Leben verändert - Digitale Assistenten Eine Kolumne von Miriam Wohlfarth . Zuerst erschienen auf welt.de Sie heißen Cortana, Siri, Google Assistant oder Alexa: Die digitalen Assistenten von Microsoft, Apple, Google und Amazon. Sie reagieren auf meine Stimme, ich kann sie alles fragen, was mir in den Sinn kommt. Als selbstlernende und mit dem Internet verbundene Maschinen erleichtern sie meinen Alltag. Während ich nach dem Wetter frage, habe ich die Hände frei, um das Abendessen zu kochen. So die Theorie. Noch hakelt es bei manchem Assistenten, noch ist bei Sprach- und vor allem Kontexterkennung Luft nach oben. Aber sicher ist: Die Sprachsteuerung wird unseren Umgang mit Computern fundamental verändern. Rafael Otero, der deutsche „Voice-Guru“, liefert die Begründung: „Seit es Computer gibt, warten wir darauf, dass sie uns verstehen und unser Leben einfacher machen. Bisher war es aber so, dass wir Menschen den Computer verstehen mussten. Sei es die Bedienung von Keyboard, Maus oder Touchscreen, sei es, wie man bei Google sucht – wir sind es gewöhnt, uns nach technischen Anforderungen richten zu müssen. Erst jetzt mit der Sprachsteuerung können wir zum allerersten Mal einen Computer intuitiv bedienen. Er lernt von uns, nicht umgekehrt.“ Von den neuen Home Assistant-Systemen ist in Deutschland bisher nur Amazons „Echo“ mit seiner digitalen Assistentin Alexa erhältlich. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: In der Alexa-App kann ich aus verschiedene „Skills“ wählen, ähnlich den Apps im Apple Store, nur eben konzipiert für die Sprachsteuerung. Mit den meisten Voice-Assistenten kann ich die Lampen im Wohnzimmer dimmen, mein Heizungsthermostat steuern oder das Garagentor schließen. Außerdem den Wetterbericht, das Fernsehprogramm, die Höhe des Mount Everest oder eine Rezeptidee fürs Abendessen abfragen, mich an Geburtstage erinnern lassen oder Musik abspielen. Wie Voice Commerce unser Leben verändert - Digitale Assistenten

 „Alexa, ich brauche Waschmittel und eine Flasche Wein!“

Als Gründerin eines Dienstleisters für Online-Bezahlung interessiert es mich natürlich ganz besonders, wie uns die neuen Voice-Systeme beim Einkaufen unterstützen können. Seit einigen Monaten habe ich den Echo Dot zuhause stehen und kommuniziere fleißig mit Alexa – sie startet meine Musik bei Amazon Music, weckt mich am Morgen und beantwortet meine Suchanfragen. Während der Google Assistant voraussichtlich bei Suchabfragen und Information die Nase vorn haben wird, ist es absehbar, dass sich Amazons Alexa besonders gut zum Shopping eignet. Bisher habe ich über Alexas „Bringmeister“-Skill schon Kaffeefilter und Klopapier bestellt, viel mehr ist aber noch nicht drin. Selbst die Info, dass ich mit Alexa bei Amazon einkaufen kann, ist in der Alexa-App noch recht gut versteckt. Über kurz oder lang wird sich Amazon die Chance natürlich nicht entgehen lassen, sein enormes Produktsortiment, das sowieso schon als riesige katalogisierte Datenmenge in der Cloud hängt, per Sprachsteuerung zugänglich zu machen. Aber nicht nur für Amazon, auch für uns Nutzer sehe ich großes Potential. Während mir die Frage nach dem Wetter gerade einmal 1-2 Klicks auf dem Smartphone abnimmt, erspart mir der Sprachbefehl „Alexa, bitte Zahnpasta mit Minzgeschmack kaufen“ eine enorme Menge an Arbeitsschritten: Gerät aktivieren, Browser aufrufen, Suchbegriff eingeben, Produkt nach Preis und Kundenbewertungen auswählen, in den Warenkorb legen, Lieferdaten eintippen, auf die Bezahlseite gehen, Einkauf abschließen. Rafael Otero vergleicht das neumodische Phänomen des Voice Commerce mit dem altmodischen Tante Emma-Laden: „Ich stehe an der Ladentheke, zähle die Waren auf, die ich brauche und bekomme sofort alles in die Hand gedrückt. Das umständliche Füllen eines Warenkorbs und der Gang zur Kasse fallen weg.“ Um den Alexa-Einkauf so sicher wie möglich zu machen, kann ich verschiedene Sicherheitsstufen aktivieren, die zum Beispiel versehentliche Mehrfachbestellungen verhindern. Gerade beim Einkauf von alltäglicher Verbrauchsware macht der Einsatz von Alexa Sinn. Denn sie lernt dazu und weiß irgendwann, dass ich jeden Monat zwölf Rollen Klopapier benötige oder Zahnpasta mit Minzgeschmack liebe, aber ungern mehr als einen Euro dafür ausgebe. Ob sie mich irgendwann daran erinnert, dass meine Tube bald leer ist und nachbestellt werden muss? Wahrscheinlich schon. Ein Shopping-Thema, bei dem mir Alexa schon heute helfen kann, sind Essensbestellungen. Im Alexa-Menü findet sich der „Lieferando“-Skill, über den ich per Sprachsteuerung Pizza oder Thai-Essen ordern kann – ganz so, als würde ich im Restaurant sitzen und beim Kellner bestellen. Völlig ohne Tippen geht es dann aber doch nicht, da ich vor der „Lieferando“-Bestellung meine Daten und Präferenzen in der App eingegeben muss. Ihr ganzes Shopping-Potential entfalten die Sprachassistenten sowieso erst, wenn sie nicht einfach nur eine Bestellung abwickeln, die ich auch im Browser hätte durchführen können. Wenn sie mich zu Essen, Wein oder Geschenken beraten, mir Dinge empfehlen, die ich noch nicht kenne und auf Angebote hinweisen. Wenn sie mir Rezepte vorschlagen, die ich für meine von Lebensmittelallergien geplagten Freunde kochen kann, um die Waren dann gleich zu bestellen und liefern zu lassen. Gerade hat Amazon die Erweiterung seines Echo-Systems durch Kamera und Display angekündigt, was durchaus Sinn macht. Waschmittel, Zahnpasta, ok, da bin ich recht leidenschaftslos. Aber ein Sommerkleid per Spracheingabe zu kaufen, ohne es vorher zu sehen? Außerdem kann mich die sehende Alexa irgendwann beraten, welches T-Shirt am besten zu meiner neuen Hose passt und es gleich bestellen. Schöne neue Shopping-Welt. Wie Voice Commerce unser Leben verändert - Digitale Assistenten

Wie bezahle ich mit meiner Stimme?

Um Voice Commerce erfolgreich zu machen, müssen noch einige Hürden genommen werden. Eine davon ist das Thema Bezahlung. Wie kann der Bezahlprozess sicher ablaufen, wenn ich nur mit meiner Stimme ordere? Alexa greift auf mein Amazon-Konto und die dort hinterlegten Bankdaten zu, allerdings kann ich mich bei der Voice-Bestellung nirgends einloggen. Im Moment könnte also jeder, der bei mir Zuhause ist, Waren über mein Amazon-Konto bestellen. Die auf dem Massenmarkt erhältlichen Stimmerkennungs-Systeme verstehen zwar schon ganz gut, was gesprochen wird, aber nicht, wer da spricht. Voice-Experte Rafael Otero hält für die nähere Zukunft und je nach Sicherheitsbedürfnis eine Zwei-Faktor-Authentifizierung für wahrscheinlich, bei der ich meine Bankdaten einmalig hinterlege, aber bei jedem Einkauf einen Pin aufs Handy oder den Computer geschickt bekomme, die ich aufsagen muss und die nach einmaliger Nutzung verfällt. Nicht nur beim Voice Commerce, sondern ganz grundsätzlich wird der Zahlungsvorgang immer mehr aus dem Sichtfeld des Kunden verschwinden. Ich nenne es die „Uberisierung“ des Bezahlens. Beim Bestellen eines Uber-Fahrzeugs zahle ich automatisch über die von mir hinterlegten Kreditkarten-Daten; weder wird mir der Zahlungsvorgang bei jeder Fahrt gesondert angezeigt, noch muss ich dem Uber-Fahrer Geld in die Hand drücken. Ist der Zahlungsvorgang erst mal unsichtbar, spielt es für mich als Kunde keine Rolle mehr, welches Zahlungsmittel ich bei einem Shop oder Lieferdienst hinterlegt habe. EC-Karte, Kreditkarte, Apple Pay oder Rechnungskauf – egal. Anbieter von Voice Commerce-Anwendungen müssen ihren Kunden allerdings so viele verschiedene Zahlungsarten zur Verfügung stellen wie möglich. Denn sonst passiert, was in den Bewertungen von Alexas „Lieferando“-Skill nachzulesen ist: Ich bestelle per Sprachsteuerung und freue mich, dass 30 Minuten später tatsächlich der Pizzamann klingelt. Wenn ich dann aber nur mit Bargeld bezahlen kann, ist das alles andere als eine reibungslose Shopping-Erfahrung, und beim nächsten Mal bestelle ich doch wieder über die App, in der ich PayPal als Zahlungsart auswählen kann. Wie Voice Commerce unser Leben verändert - Digitale Assistenten

Unendliche Möglichkeiten, aber noch viele offene Fragen

Die Möglichkeiten, die mir ein intelligenter Assistent bietet, der mich immer besser kennenlernt und mit mir spricht, sind nahezu grenzenlos. Aber natürlich gibt es noch viele offene Fragen. Wie sieht Werbung im Voice Commerce aus? Wie kann verhindert werden, dass Amazon oder Google noch stärker zu „Gatekeepern“ werden, die mir nur noch drei Suchergebnisse vorlesen, weil ich mir den Rest unmöglich merken kann? Wie werden meine Sprachdaten archiviert und vor allem, wem gehören diese Daten? Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Waren wir vor einigen Jahren noch entsetzt über Google-Autos, die unsere Häuser fotografierten, zahlen wir heute Geld dafür, einen digitalen Assistenten mit ins Haus zu holen, der theoretisch alles mithören kann. Zwar haben die Hersteller Sicherheitsstufen eingebaut, die mich vor dem großen Lauschangriff schützen sollen. Wenn ich meine Unterhaltung mit Alexa beendet habe, kann ich meinen Echo aus- oder stummschalten. Ich muss mir aber nur einmal die – im Vergleich zur Zukunft wohl armselige – Auswahl von Alexa-Skills ansehen, um mir auszumalen, wie oft ich Alexa künftig zum Schweigen bringe. Ein digitaler Assistent, der mir nach dem Aufstehen Komplimente macht und mir danach „Deine Mudder“-Witze vorträgt (ja, dafür gibt es einen eigenen Skill), der darf gerne bei mir wohnen.   Zur Autorin: Miriam Wohlfahrt Miriam Wohlfarth ist ein festes Mitglied bei paymentandbanking. Als Gründerin und Geschäftsführerin von RatePay mischt sie seit einigen Jahren die FinTech-Szene auf, und ist mittlerweile ein festes Gesicht in der Branche, dabei engagiert sich gerade für die weibliche Riege in ihrem Arbeitsumfeld. Sie ist Autorin, Rednerin sowie Ideengeberin und Initatorin der Payment-Exchange. Seit geraumer Zeit auch BILANZ-Kolumnistin für die WELT. Die Kolumne werden wir hier künftig regelmäßig abbilden.
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