Von Kristina Schmitz, Marketing Manager DACH mollie

Es lässt sich an allen Ecken und Enden feststellen: Die Corona-Krise sorgt in fast jedem Bereich des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens für Stillstand. So ist Destruktion eine der Haupteigenschaften, die man mit Covid-19 in Verbindung bringen dürfte.

Das Virus hat in mancher Hinsicht aber auch durchaus konstruktives Potenzial: Es forciert ein Umdenken im Bereich des digitalen Fortschritts in einer Dynamik, die zuvor nicht ansatzweise zu erahnen war. Ein Sinneswandel, der sich dieser Tagen feststellen lässt, betrifft beispielsweise etwas, das lange Zeit so unverrückbar war wie die zehn Gebote: der Hang der Deutschen zum Bargeld. Für den wurden sie im Ausland stets ähnlich belächelt wie für ihre Pünktlichkeit. Wer als deutscher Tourist schon einmal an der Kasse eines holländischen Supermarkts seine Euros hervorgekramt hat, weiß, wovon die Rede ist: Man wird mehr als verständnislos angeschaut und dann höflich darauf hingewiesen, dass nur mit Kreditkarte gezahlt werden kann.

Hartnäckigkeit wird in Grundfesten erschüttert

Zwar sind die Niederlande auch vergleichsweise weit in punkto Digitalisierung – selbst die öffentliche Verwaltung setzt dort auf Online-Lösungen, während deutsche Unternehmen etwa ihren Gewerbeschein immer noch persönlich auf dem Amt abholen müssen. Doch der Rückstand Deutschlands lässt sich am stoischen Festhalten am Bargeld besonders gut greifen. Eine Hartnäckigkeit, die aber jetzt in ihren Grundfesten erschüttert wird.

Warum Emotionen das Ende des Bargelds bedeuten

Auch wenn es etwas weit hergeholt klingen mag: Eigentlich beginnt diese Revolution an der Aldi-Kasse. Zwar betonen Virologen, eine Übertragung des Virus über Geldscheine sei unwahrscheinlich: Doch wenn Discounter in Zeiten von Corona ihre Kunden mit dem Hinweis auf die Ansteckungsgefahr darum bitten, vorzugsweise mit Karte zu zahlen, zählt die Meinung von Akademikern nicht – stattdessen wirft die Bitte bei den Menschen die Frage auf, ob Bargeld vielleicht doch nicht frei jeglichen Infektionsverdachts ist. Das mag eine gefühlte Realität sein – aber in Zeiten, in denen die Welt komplett auf den Kopf gestellt wird, tragen Emotionen einen nicht unwesentlichen Teil zur Meinungsmache bei.

Mit dem Bargeld ist es wie mit dem Handy

Dass es manchmal etwas länger dauert, bis sich Einstellungen ändern, hat nicht zuletzt das Beispiel Handy gezeigt. Mitte der Neunzigerjahre wurden Mobilfunknutzer in Deutschland noch schräg angeguckt. Nicht nur weil sie mit zumeist koffergroßen Geräten herumliefen. Sondern auch weil sich Leute fragten: „Ist der so wichtig, dass er immer erreichbar sein muss?

Kristina Schmitz

Warum nutzt er sonst nicht eine Telefonzelle?“ Wie sich die Zeiten ändern: Im Jahr 2020 ist es wahrscheinlicher im Supermarkt den Yeti zu treffen als auf der Straße jemanden ohne Handy. Oder eine Telefonzelle zu sichten. Irgendwann im Laufe der Jahre war einfach die Skepsis der Erkenntnis gewichen, dass die Vorteile der Neuerung praktischer Natur sind: Die neue Technologie geht nicht nur mit einer besseren Erreichbarkeit einher, sondern auch mit einer neuen Flexibilität, das immer teurer werdende Gut Zeit besser nutzen zu können. Beim Thema Bezahlen sind die Deutschen offenbar gerade in einem Stadium davor: Sie erkennen in einer Extremsituation wie der Corona-Krise plötzlich, dass bargeldloses Zahlen eine bequeme, praktische Angelegenheit ist:

Kein Abwägen mehr vor dem Einkauf, wie viele Scheine man mit sich herumtragen will, kein mühsames Herumkramen nach passenden Münzen im Portemonnaie, stattdessen eine bessere Nachverfolgung dessen, was wann und wo gekauft wurde. Effizienz wird wie beim Handy auch beim Bezahlen die Hauptmotivation für einen Paradigmenwechsel sein.

In H.G. Wells‘ Klassiker „Krieg der Welten“ schaffen es übrigens erst winzige Bakterien, was allen irdischen Waffen nicht gelingt: die Besatzer vom Mars niederzustrecken. Möglicherweise spielt das ebenfalls sehr kleine Coronavirus – ein Virion hat einen Durchmesser von ungefähr 150 Nanometern – eine vergleichbare Rolle. 2020 könnte als Jahr in die Geschichte eingehen, das nicht nur die große Ära des Homeoffice einläutet – sondern zugleich das Ende der Bargeld-Ära besiegelt.

Zur Autorin

Kristina Schmitz ist seit 2019 Marketing-Managerin für die DACH-Region bei Mollie, einem europäischen Payment Service Provider mit Hauptsitz Amsterdam. Kristina weiß, wovon sie im Bezug auf kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede zwischen Deutschland und anderen Ländern spricht: So ist ihre Berufserfahrung in den Bereichen Marketing und E-Commerce von Aktivitäten bei internationalen Start-ups und Scale-ups dominiert, die nach Deutschland expandieren. In Deutschland aufgewachsen, hat sie danach nur noch im Ausland gelebt (Australien, Spanien und Lettland) – seit rund sieben Jahren ist sie in den Niederlanden wohnhaft. 

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