Während Jonas Groß und John Kiff im ersten Teil der Artikelserie auf die Definition und die Übersicht des CBDC-Marktes eingegangen sind, diskutieren sie in diesem Artikel aktuelle CBDC-Vorreiter. Eine hohe Aufmerksamkeit wird derzeit auf Retail CBDC (rCBDC)-Projekte in China, Europa und den Vereinigten Staaten gerichtet.

Neben China sind allerdings auch kleinere Länder in diesem Bereich führend. Während die People’s Bank of China ihr rCBDC-Pilotprojekt im April 2020 gestartet hat, hat die Banco Central del Uruguay ihr erstes Pilotprojekt bereits im April 2018 abgeschlossen. Die Zentralbank der Bahamas hat ihren Sand Dollar bereits im Oktober 2020 vollständig eingeführt, und die Ostkaribische Zentralbank hat im März 2021 ein Pilotprojekt gestartet. In diesem Beitrag gehen Jonas und John näher auf diese führenden rCBDC-Bemühungen ein. Mangels verfügbarer Open-Source-Informationen wird das jamaikanische CBDC-Projekt ausgeklammert.

Vergleich der rCBDC-Vorreiter

Jurisdiktion  (Projektname)Status Datum der EinführungZieleOffline- ZahlungenTechnologie- Anbieter (Technologie)
Die Bahamas (Sand DollarVollständig eingeführt2020  (Oktober)Effizienz der Zahlungssysteme und Resilienz, finanzielle Inklusion, Bekämpfung illegaler AktivitätenNZIA Limited (NZIA Cortex DLT)
Ostkaribische Währungsunion (DCash)Pilot eingeführt (in 4 der 8 Mitgliedsländern der Währungsunion)2021 (März)Reduktion der Kosten und Risiken von physischem Cash, finanzielle InklusionBitt (Hyperledger Fabric DLT)
China  (e-CNY)Pilot eingeführt (ausgewählte Teilnehmer)2020
(April)
Monetäre Souveränität, Resilienz, finanzielle Inklusion, grenzüberschreitende ZahlungenNicht öffentlich kommuniziet
Uruguay (e-Peso)Pilot durchgeführt (6 Monats-Pilot 2017-2018)2017 (November)Reduktion der Kosten von physischem Cash, Digitalisierung, Bekämpfung illegaler AktivitätenRoberto Giori Company

Sand Dollar: Die einzige vollständig eingeführte rCBDC der Welt

Überblick: Die Bahamas sind das erste und einzige Land weltweit, das eine rCBDC bereits vollständig eingeführt hat. Die CBDC ist im gesamten Hoheitsgebiet, d.h. auf allen 700 Inseln und damit für alle 380.000 Einwohner verfügbar. Die Zentralbank der Bahamas (CBoB) führte den Sand Dollar im Oktober 2020 ein, nachdem sie im Dezember 2019 auf den Inseln Exuma und im Februar 2020 auf Abaco mehrere Pilotprojekte durchgeführt hatte. Der Sand Dollar basiert auf einer Distributed-Ledger-Technologie (DLT), die vom Technologieunternehmen NZIA Limited bereitgestellt wird.

Zielsetzung: Die CBoB hat den Sand Dollar als Teil ihrer Initiative zur Modernisierung der Zahlungssysteme emittiert, um vor allem die folgenden vier Ziele zu erreichen: Erstens soll die Effizienz bahamaischer Zahlungssysteme durch sicherere Transaktionen und eine schnelleren Abwicklungsgeschwindigkeit erhöht werden. Heute ist die Wirtschaft der Bahamas in hohem Maße von Bargeld abhängig. Diese Abhängigkeit verursacht hohe Wartungs-, Verteilungs- und Transaktionskosten. Zudem erhöht sie die Abhängigkeit von Geldautomaten zum Abheben von Bargeld. Auf den Bahamas ist diese Abhängigkeit jedoch besonders problematisch, da die Zahl der verfügbaren Bankniederlassungen stark zurückgegangen ist.

Zweitens sollte der Sand Dollar die finanzielle Inklusion verbessern, da es nach Angaben der CBoB große Lücken beim Zugang zu Finanzdienstleistungen gibt. Daher könnte eine leicht zugängliche rCBDC die finanzielle Inklusion verbessern. Drittens sollte das rCBDC-System einen Zugang zu Zahlungssystemen ohne Diskriminierung von Alter, Nationalität oder Aufenthaltsstatus ermöglichen. Viertens soll die rCBDC zur Bekämpfung von Geldwäsche, Geldfälschung und anderen illegalen Aktivitäten eingesetzt werden, die hauptsächlich auf den hohen Marktanteil von Bargeld zurückzuführen sind. Daher verwendet der Sand Dollar verschiedene Limits für Nutzer und Unternehmen, die an dem Zahlungssystem teilnehmen möchten.

Finanzielle Inklusion

Offline-Zahlungen, Zugang und internationale Nutzung. Nutzer können den Sand Dollar kostenlos sowohl digital über Smartphones (iOS und Android) als auch über eine physische Prepaid-Karte nutzen. Mit dieser Prepaid-Karte kann an jeder Verkaufsstelle, an der Mastercard-Zahlungen akzeptiert werden, bezahlt werden. Derzeit ist es nicht möglich, Offline-Transaktionen durchzuführen, da das Geld nicht lokal auf dem Smartphone oder der Prepaid-Karte gespeichert ist, sondern online synchronisiert werden muss. Für den Empfang des Geldes ist eine von der Zentralbank zugelassene e-Wallet erforderlich.

In der Regel dürfen Nutzer mit einem Bankkonto und einem von der Regierung ausgestellten Ausweis monatlich 10.000 B$ an Sand Dollars transferieren und 5.000 B$ halten. Für Ausländer und Nutzer, die ihre Identität nicht angeben wollen (oder können) und/oder kein Bankkonto einrichten wollen (oder können), gilt ein Transaktionslimit von 1.500 B$ pro Monat und ein Guthabenlimit von 500 B$, um illegale Nutzung zu begrenzen. Für geschäftliche Nutzer gelten je nach Jahresumsatz höhere Transaktions- und Guthabenlimits. Derzeit ist es nicht möglich, mit dem Sand Dollar außerhalb der Bahamas Transaktionen durchzuführen.

Quellen: Whitepaper und Homepage

DCash: Erstes rCBDC-Pilotprojekt in einer Währungsunion

Überblick: DCash, das rCBDC-Projekt in der Ostkaribischen Währungsunion (ECCU), ist das erste rCBDC-Pilotprojekt weltweit, das in einer Währungsunion durchgeführt wird. Die Union besteht aus acht karibischen Ländern mit rund 1,4 Millionen Einwohnern, nämlich Anguilla, Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Montserrat, St. Kitts und Nevis, St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen. Die Entwicklungs- und Testphase des Pilotprojekts begann im März 2019, die Einführung und Umsetzung in den Mitgliedsländern Antigua und Barbuda, Grenada, St. Lucia und St. Christoph (St. Kitts) sowie Nevis im März 2021. DCash basiert auf einer vom Technologieanbieter Bitt entwickelten DLT.

Zielsetzungen: Die Zentralbank der Ostkaribischen Währungsunion möchte mit DCash die folgenden Ziele erreichen. Wie beim Sand Dollar soll die Zahlungseffizienz erhöht werden. Heute ist Bargeld das am häufigsten verwendete Zahlungsmittel in der ECCU, was zu hohen wirtschaftlichen Kosten führt. Außerdem sind die derzeitigen digitalen Zahlungsmethoden und Bankdienstleistungen äußerst ineffizient. Die Zahlungsdienstleister verlangen in der Regel hohe Transaktionsgebühren und es gibt einen relativ hohen Mindestbetrag für Transaktionen. Auch Abwicklung von Transaktionen mit Schecks sind nach wie vor langsam und unterstützen den zunehmend digitalisierten Handel nicht vollständig. Zu den weiteren allgemeinen Zielen gehört die Verbesserung der finanziellen Inklusion, des Wachstums, der Wettbewerbsfähigkeit und der Resilienz der Bürger in der ECCU.

Reduktion der Kosten

Offline-Zahlungen, Zugang und internationale Nutzung. Offline-Transaktionen sind mit DCash derzeit nicht möglich. Um eine Zahlung zu veranlassen, ist eine Internetverbindung erforderlich. Wenn die Verbindung unterbrochen wird, wird die Zahlung zwar trotzdem verarbeitet, aber der angepasste Saldo ist nicht sofort sichtbar, sondern erst, wenn die Internet-Verbindung wiederhergestellt ist. Internationale Transaktionen sowohl für Touristen in der ECCU als auch für sich im Ausland befindende Ausländer sind, im Gegensatz zu den Bahamas, möglich, so dass Transaktionen unabhängig vom physischen Standort funktionieren. Transaktionen können über eine mobile App, die für alle iOS- und Android-Nutzer verfügbar ist, kostenlos durchgeführt werden, und es ist kein Mindestzahlungsbetrag erforderlich.

Teilnehmende Finanzinstitute und zugelassene Dienstleister verwalten den Zugang zum DCash-System über die Umwandlung von Bankeinlagen in rCBDC. Für Nutzer ohne Bankkonto gibt es außerdem sogenannte wertbasierte (value-based) Wallets, die bei teilnehmenden Händlern und zugelassenen Dienstleistern aufgeladen werden können und physisches Bargeld in DCash umwandeln. Während diese Geldbörsen geringe Anforderungen an die Kundenidentifikation (KYC) stellen und keine Verbindung zu einem Bankkonto erfordern, haben sie niedrige monatliche Transaktionslimits, um eine mögliche illegale Nutzung einzuschränken (EC$1.000 bis EC$2.700, je nach Risikoprofil des Nutzers). Zudem gibt es registrierungsbasierte (register-based) Wallets mit höheren Limits, die eine Bankverbindung erfordern. Limits liegen hier zwischen 3.000 EC$ und 10.000 EC$ pro Tag.

Quellen: Homepage

e-CNY: Erstes CBDC-Pilotprojekt in einem Industrieland

Überblick: China war eines der ersten Industrieländer, das bereits 2014 mit der Erforschung von rCBDCs begonnen und sein rCBDC-System e-CNY bereits konzipiert und entwickelt hat. Seit April 2020 wird diese Infrastruktur im Rahmen eines groß angelegten Pilotprojekts ausgiebig getestet. Im Gegensatz zu DCash ist der Pilot nicht landesweit für die rund 1,4 Milliarden chinesischen Bürger verfügbar, sondern steht lediglich ausgewählten Institutionen im ganzen Land zur Verfügung. Das Pilotprogramm wird kontinuierlich ausgeweitet, so dass bereits Haushalte, Banken, Unternehmen, Händler etc. die Infrastruktur testen konnten. Möglicherweise könnte e-CNY bereits zu den Olympischen Winterspielen 2022 vollständig eingeführt werden. Im Gegensatz zum Sand Dollar und DCash basiert e-CYN nicht auf einer DLT, sondern bietet die Möglichkeit, DLT-Anwendungen auf der zentralisierten Infrastruktur aufzubauen. Einzelheiten über die verwendete Technologie wurden von der People’s Bank of China (PBoC) jedoch nicht bekannt gegeben.

Zielsetzung: Mu Changchun, Generaldirektor des Instituts für digitale Währungen der PBoC, sagte auf der BIS Innovation Summit 2021, dass die PBoC die folgenden drei Ziele anstrebe. Erstens soll die finanzielle Inklusion durch die Bereitstellung einer leicht zugänglichen rCBDC erhöht werden. Zweitens soll das rCBDC-System die Resilienz, Effizienz und Sicherheit der Zahlungssysteme erhöhen und den „fairen Wettbewerb“ unterstützen. In China sind mobile Zahlungen weit verbreitet, was die chinesischen Bürger von den digitalen Infrastrukturen des Privatsektors abhängig macht. Die PBoC möchte eine öffentliche Zahlungsinfrastruktur schaffen, die vom privaten Sektor unabhängig ist und auch dann Transaktionen ermöglicht, wenn solche Zahlungsinfrastrukturen in Extremsituation nicht verfügbar sind. Drittens möchte die PBoC ihre geldpolitische Souveränität stärken, indem sie ihre Rolle manifestiert und die Verwendung von nicht fiat-denominiertem Geld, wie Kryptowährungen, und ausländischen Währungen verringert. In dem kürzlich erschienenen Whitepaper zum e-CNY heißt es weiter, dass der e-CNY die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs erkunden soll. Auch wenn der e-CNY derzeit hauptsächlich für inländische Zahlungen gedacht ist, könnte er in Zukunft auch grenzüberschreitend genutzt werden.

Offline-Zahlungen, Zugang und internationale Nutzung. Das aktuelle e-CNY-Pilotprojekt ermöglicht Offline-Zahlungen, da digitale e-CNY-Token auf dem Telefon gespeichert werden und auch offline von Telefon zu Telefon übertragen werden können. Derzeit ist noch unklar, in welcher Form Ausländer bzw. Touristen den e-CNY nutzen dürfen. Da die PBoC betont, dass der e-CNY wohl nicht unbegrenzt für Ausländer zur Verfügung stehen wird, liegt die Vermutung nahe, dass der e-CNY hauptsächlich für chinesische Bürger, Besucher, z.B. für die Olympischen Winterspiele, und Touristen aus China im Ausland zur Verfügung stehen wird. Das genaue Design wurde jedoch noch nicht bekannt gegeben. Auch beim e-CNY gibt es Guthaben- und Umsatzlimits, die vom Registrierungsprozess abhängen. Für Nutzer, die nur ihre SIM-Karten registrieren, gelten sehr niedrige Limits (maximal ¥2.000 pro Transaktion und ¥5.000 pro Tag sowie ein Höchstguthaben von ¥10.000), während für Nutzer, die sich den vollständigen Anforderungen zur Kundenidentifizierung unterziehen und ein Bankkonto verknüpfen, Limits von ¥50.000 pro Transaktion, ¥100.000 pro Tag und ¥500.000 Guthaben gelten.

Quellen: Whitepaper

e-Peso: Erstes CBDC-Pilotprojekt der jüngeren Zeit

Überblick. Die Banco Central del Uruguay (BCU) führte das erste rCBDC-Pilotprojekt der jüngeren Zeit durch. Die erste rCBDC war das Avant-System, das von der Bank of Finland von 1993 bis 2006 betrieben wurde. Zwar argumentieren einige, dass das Banco Central del Ecuador Dinero Electrónico, die zwischen 2014 und 2018 in Betrieb war, eine rCBDC war. Allerdings war das Zahlungssystem wohl eher eine synthetische rCBDC, d. h. E-Geld, das vollständig durch Zentralbankgeld gedeckt war. In jedem Fall wurde die BCU 2014 von der  Roberto Giori Company, einem auf Geldsicherheit spezialisierten Unternehmen, mit einem konkreten rCBDC-Vorschlag kontaktiert, und nach drei Jahren der Planung und Risikoanalyse wurde im November 2017 ein sechsmonatiges landesweites e-Peso-Pilotprojekt gestartet. Die BCU hält das Pilotprogramm für erfolgreich und die Technologie funktionierte ohne Zwischenfälle. Die BCU analysiert und untersucht weiterhin die Möglichkeit der Ausgabe einer rCBDC.

Zielsetzungen. Das Hauptmotiv der BCU für die Prüfung der Ausgabe einer rCBDC ist die Senkung der Kosten für die Verwaltung von physischem Bargeld. Außerdem könnte eine rCBDC die Digitalisierung des Finanzwesens erleichtern, indem sie eine Plattform für Start-ups bietet, die neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, und etablierte Finanzinstitute dabei hilft bessere Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Darüber hinaus hofft die BCU aufgrund empirischer Studien, dass die Verbreitung elektronischer Zahlungsmittel die Kriminalitätsrate senken wird. Schließlich könnte die CBU auf granulare Echtzeit-Zahlungsdaten zurückgreifen, die bei physischem Bargeld nicht verfügbar sind, um die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen zu verbessern.

Offline-Zahlungen, Zugang und internationale Nutzung. Die Offline-Zahlungsfunktionalität wurde während des Pilotprojekts nicht getestet, und es wurde nicht erwähnt, dass Offline-Zahlungen in zukünftigen Pilotprojekten oder bei einer möglichen finalen Einführung angeboten werden. Das e-Peso-Pilotprojekt war nur auf die Nutzung im Inland ausgerichtet, und es wurde ebenfalls nicht erwähnt, ob grenzüberschreitende Zahlungen in Zukunft möglich sein sollen. Im Rahmen des e-Peso-Pilotprojekts gab es keine gestaffelten Benutzerobergrenzen wie bei den oben genannten Projekten. Es gab keine täglichen Transaktionslimits, aber die Guthaben der einzelnen Geldbörsen waren auf 30.000 UYU und die Geldbörsen der Händler auf 200.000 UYU begrenzt.

Quellen: Zusammenfassung des Pilotprojekts und Forschungspapier


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