Girocard – Guter Schritt, aber derzeit noch mehr Fragen als Antworten

Letzte Woche wurde auf der Profitcard 2019 von Seiten der, für die Girocard-Vermarktung Verantwortlichen, EURO Kartensysteme überraschende Neuigkeiten angekündigt. Die Deutsche Kreditwirtschaft hat sich offensichtlich entschieden einen neuen, dritten Anlauf zu nehmen, die Girocard für die Onlineakzeptanz auszustatten:

Was fällt auf im Kontext der Vorstellung? Es wurde explizit betont, daß die Girocard “nur” in-app onlinefähig sei. Wenn dies so besonders betont werden muß, zeigt sich, daß die Protagonisten hier durch das politische Minenfeld der Banken und Sparkassen Slalom fahren. Man sieht die Girocard z.B. nicht als “Konkurrenz” zu Paydirekt, da Paydirekt nicht im In-App-Payment aktiv sei. Wenn ich mir die 2017er Pressemitteilung “Paydirekt mit neuer Zahlfunktion für In-App-Käufe” durchlese, bin ich mir da nicht so sicher, ob es eine klare Abgrenzung geben kann.

So oder so ich fragte mich schon immer, warum die Girocard mit eingeführter Marke, 100 Millionen Karten im Feld und der größten deutschen Terminalbasis im Handel, nicht viel früher als Zahlverfahren online gebracht wurde und anderen Initiativen wie Paydirekt vorgezogen wurde?

Interessant ist aber der Kontext der Handelsakzeptanz. Zwar hat sich die Kreditwirtschaft in weiten Teilen von ihren Akzeptanztöchtern getrennt, aber die großen Händler in den Fußgängerzonen sind längst auch online mit Präsenzen vertreten. Es liegen also bestehende Akzepanzverträge vor, die nicht mehr neu verhandelt werden müssen. Lediglich der technische Netzbetrieb muß noch hinzugefügt werden und schon fluppen die ersten In-App-Payments durch die Systeme.

Angesichts des günstigen 0,2% Entgeltmodells für die Zahlungsgarantie wird nicht nur PayPal, sondern auch Paydirekt ein blasses Gesicht bezüglich der Gebührenstruktur bekommen. Laut Euro Kartensysteme sollen bis zum Jahresende die ersten Girocard-Transaktionen In-App abgewickelt werden. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Situation weiter entwickelt, denn es bleiben derzeit noch etliche Fragen offen. Daher im Stil der 100-Fragen-an-die-Paymentbranche des Hanno Benders hier die 10 Fragen zu Girocard In-App Payment, die es weiter zu beobachten gilt:

Girocard In-App Payment



  • Warum soll ein Anbieter überhaupt noch viel höhere Preise für Paydirekt bezahlen und komplett neue Verträge abschließen, wenn er von den gleichen Banken auf deren 100 Millionen Girocards zugreifen kann und das auf Basis der längst abgeschlossenen Verträge und Prozesse? Man denke hier z.B. an die Deutsche Bahn, die In-App viele Tickets verkauft und gerade Paydirekt promoted.
  • Welche Rolle spielt die parallele Ankündigung von Apple Pay? War die Girocard In-App-Lösung gar ein Kompromiss um die Girocard überhaupt in Apple Pay zu enablen? “Ende des Jahres” ist kurioserweise auch der Zeitraum des geplanten Apple Pay Launches durch VR-Banken und Sparkassen.
  • Die Kunden-Frage: “Guten Tag, ich möchte online bezahlen, welches Verfahren raten Sie mir” wird ab sofort noch komplexer: “Kreditkarte, Giropay, Paydirekt, Girocard In-App, Kwitt P2B…” Schöne komplexe neue Payment-Welt.
  • Ist das In-App Payment der Girocard nur die Vorstufe für Girocard online und somit der Sargnagel für Paydirekt?
  • Wie plant die Kreditwirtschaft die In-App-Cross-Border Girocard-Transaktion? Im stationären Handel heißt die Lösung Co-Badgeing mit Maestro und VPay. Gibt es ein digitales In-App Co-Badgeing überhaupt?
Girocard In-App Payment
  • Mobile- und In-App Payments ist aktuell der Hometurf von PayPal und Deutschland als Lastschriftland deren Profatibiliäts-Cash-Cow. Wie wird sich eine so niedrige Entgeltstruktur auf das Preismodell und den Marktanteil von PayPal in Deutschland auswirken?
  • Das Interesse des Handels an der Lösung sei sehr groß. Sehen wir hier nur eine weitere Ankündigung einer technischen Machbarkeitsstudie oder kommt hier ein richtiges Produkt?
  • Welchen Einfluß hat diese Lösung auf die Instant-Payment-Hoffnungen des Handels?
  • Seit ungefähr 2005 spricht die Industrie über SEPA (Single Euro Payments Area), dem Buzz-Word für die politisch gewollte Einheitlichkeit des Zahlungsverkehrs in Europa/Euroraum. Debitkarten sind 2019 immer noch nicht einheitlich. Wird dieser Ausnahmestatus noch mehr zementiert? Ein nationales Zahlverfahren im grenzenlosen Internet-Payment?
  • Werden Banken und Sparkassen weitere Präzendenzfälle für die Face/Finger-Authentifikationsverfahren von Apple, Google, Samsung und Co. mit der Girocard bauen, aus denen sie später kaum noch rauskommen?

Fragen über Fragen zu einem sehr spannenden Thema. Wir bleiben dran, beobachten die Entwicklungen hier im Blog und freuen uns, daß uns die Themen nicht auszugehen drohen :)


3 Kommentare

Klasse, wenn man mit der deutschen girocard beziehungsweise einer SEPA Lastschriftverbindung auch im Ausland kontaktlos zahlen könnte, ohne dass eine kreditkarte verknüpft sein muß. mit der Sparkassen App inkl. Digitaler girocard bin ich heute beim Bäcker in Paris gescheitert. die Debit Variante in der App ist wohl ohne Maestro Funktion. Schwach!
PayPal hinter GooglePay mit sourcing über das gleiche FraSpa-Konto funktionierte auf Anhieb im NFC Verfahren. Lecker!
Ich ließ mir das französische Ostergebäck trotzdem schmecken…

21. April 2019
tommyk

Warum wäre SEPA Lastschriftverfahren in Europa toll. Das Lastschriftverfahren ist niemals toll. Auch die Girocard ist nicht toll. Schauen Sie sich Österreich an. Diese stellen auf eine international ohne Einschränkungen funktionierend Karte um, die Debit Mastercard. Man kann lamentieren wie man will, das ist außerhalb Deutschlands der Standard. Europäische Banken haben es nicht geschafft eine „Keditkartengesellschaft“ zu schaffen. Die Girocard ist nur eine deutsche, minimalistische Lösung, die die Sparkassen bis aufs Blut verteidigen. Es gibt leider besseres!

3. Mai 2019
tommyk

ach würden wir doch endlich die Girocard abschaffen!

12. Juli 2019
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