Dürfen wir vorstellen: Dr. Ella Rabener, Partnerin von BCG Digital Ventures
Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Dr. Ella Rabener unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegnen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir in einer ganz eigenen Kategorie kurz porträtieren und vorstellen und haben dazu einen immer gleichen Fragenkatalog entworfen.
Diesmal beantwortet Dr. Ella Rabener unsere Fragen. Ella ist Partnerin beim Company Builder BCG Digital Ventures.
Wer bist Du, was machst Du?
Mein Name ist Ella Rabener, ich bin Partnerin beim Company Builder BCG Digital Ventures. Gemeinsam mit etablierten Unternehmen erfinde, baue und skaliere ich Startups und neue Geschäftsmodelle im Fintech- und Insurtech-Bereich und helfe ihnen so, ihre traditionellen Strukturen aufzubrechen. Zuvor war ich als Co-Gründerin und CMO beim Robo-Advisor Scalable Capital und habe als Co-Gründerin und CEO das Russland-Geschäft von Westwing aufgebaut.
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
Der Tag startet bei mir meistens mit einer Portion Sport, wenn ich joggend meine Töchter mit dem Renn-Double-Buggy zur Kita bringe. Den Rest des Tages über jagt dann meistens ein Zoom Call den nächsten. Trotzdem ist meine tägliche Arbeit sehr abwechslungsreich, denn die Ventures, in die ich involviert bin, befinden sich in unterschiedlichen Phasen:
In der frühen Validierungsphase neuer Geschäftsmodelle bewerten wir erste Ideen und Konzepte und untersuchen, ob es Sinn macht, sie tatsächlich zu bauen. Im nächsten Schritt entwickeln wir einen Plan, wie wir das gemeinsam mit unseren Unternehmenspartnern angehen. Darauf folgt die Inkubation – hier bauen wir bereits an konkreten Ventures oder digitalen Anwendungen und planen den Launch. In dieser Phase arbeite ich ganz eng mit den unterschiedlichen Kompetenzen bei BCG Digital Ventures zusammen: Software-Ingenieuren, Designern und Growth Marketing Spezialisten.
Außerdem untersuche ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen weltweit neue Möglichkeiten der digitalen Transformation mit Hilfe innovativer Technologie. Aktuell entwickeln wir zum Beispiel einen Report darüber, wie digitale Lösungen für Menschen älterer Generationen aussehen könnten, die ihnen dabei helfen, den Ruhestand finanziell besser zu planen. Aktuell gibt es noch keine richtig guten, holistischen Lösungen für diese Zielgruppe im Markt. Zwischendurch finde ich immer wieder Zeit, um mich über die neuesten Entwicklungen in der Fintech-Branche zu informieren und da gehört natürlich auch die Lektüre des Payment & Banking Newsletters dazu.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Meine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie habe ich während meines Wirtschaftsstudiums in Frankfurt gesammelt. Mein Studienschwerpunkt lag auf dem Bereich Finanzen und ich habe damals schon neben der Uni bei Goldman Sachs im Bereich Investmentbanking gearbeitet. Zum Ende meines Studiums habe ich eine Station bei Lehman Brothers im Bereich Aktienderivate in Frankfurt und London absolviert und meinen Abschluss mit Fokus auf Derivate & Finanzökonometrie gemacht.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Ich kann mich noch sehr gut und lebhaft daran erinnern: Das war im Jahr 2015 während eines Frühstücks mit Erik Podzuweit, bei dem er mir zum ersten Mal von seiner Startup-Idee für einen Robo-Advisor erzählt hat. Mittags stellte er mir dann im King‘s Head in Dalston in Ost-London seinen britischen Mitgründer Adam French vor. Ich werde nie vergessen, wie uns ausgestopfte Löwen und Eisbären (fake, nehme ich stark an) über die Schulter schauten, während mir die beiden von ihrer Geschäftsidee zu Scalable Capital erzählten. Bis zum Abendessen hatten die beiden mich überzeugt und ich kam als Co-Gründerin mit an Bord.
Wie definierst Du FinTech?
Für mich ist Fintech mehr als bloß die Nutzung von Technologie in der Bankenbranche, denn das gibt es schon lange. Unter dem Begriff Fintech verstehe ich Unternehmen, die über einen Digital-Native-Tech-Stack verfügen, also von Anfang an auf modernster Technologie aufgebaut wurden. Sie funktionieren auf API-Basis und ermöglichen so das Andocken weiterer Services an die eigene Infrastruktur und können wiederum in die Infrastruktur anderer Anbieter integriert werden.
“Fintechs sind für mich Unternehmen, die über einen Digital-Native-Tech-Stack verfügen, also von Anfang an auf modernster Technologie aufgebaut wurden.”
Fintechs zeichnet aus, dass sie immer aus der Perspektive von Kunden denken und entlang mehrerer Dimensionen einen Mehrwert für sie schaffen: Sie sind transparenter, kosteneffizienter und ermöglichen es ihren Kunden, bessere Entscheidungen für ihr finanzielles Leben zu treffen, als traditionelle Player.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Nicht nur im Fintech-Bereich habe ich bei vielen Startups das Gefühl, dass sie ihren Fokus nur auf Wachstum legen und dabei die Profitabilität komplett außer Acht lassen. Sie verrennen sich in Zukunftsphantasien, anstatt sich von Anfang an zu fragen, wie und wann sie profitabel werden. Sie beschäftigen sich erst viel zu spät mit dem Thema Product-Market-Fit. Reifere Unternehmen hingegen fragen sich bei neuen Projekten stets, ob diese sich auch tragen. Sie starten viel früher mit aufwendigem User-Testing und räumen mehr Zeit dafür ein: Welche Features wollen Kunden wirklich, wofür sind sie bereit zu zahlen – und wie viel?
Man darf nicht vergessen, dass Startups in der Regel nicht das Kapital haben, um viel Zeit und Ressourcen in die Arbeit am Product-Market-Fit zu stecken – sie agieren üblicherweise auf Basis des Bauchgefühls der Gründer, dass es da eine Marktlücke gibt. Daher gilt: Wenn etablierte Unternehmen das Geld in die Hand nehmen, den richtigen Product-Market-Fit zu finden und diesen dann auch intelligent umsetzen, haben sie mit ihrer bereits bekannten Marke sowie Hunderttausenden oder gar Millionen bestehender Kunden einen Vorteil gegenüber jungen Startups.
Was kann man von FinTechs lernen?
Auch wenn Startups nicht das Budget für aufwendiges User-Testing haben, unterscheiden sie sich von etablierten Organisationen durch ihren starken Kundenfokus. Startups entstehen ja üblicherweise durch das Entdecken einer Marktlücke, durch das Erkennen eines noch nicht abgedeckten Bedarfs einer bestimmten Kundengruppe bzw. deren Unzufriedenheit mit bestehenden Lösungen und Angeboten. Zu oft sind etablierte Unternehmen zu träge, um sich aus der Kundenperspektive heraus weiter zu entwickeln und ihre eingefahrenen Strukturen bestimmen, was sie bauen.
Innovative Ideen werden nicht umgesetzt, weil dadurch einer Abteilung womöglich das Wasser abgegraben werden könnte. Anstatt ihren Kunden das zu bieten, was diese wirklich wollen, bleiben viele Unternehmen zu lange an dem hängen, was sie an Produkten bereits entwickelt haben – auch wenn Kundenpräferenzen sich längst geändert haben. Gegen diese strukturelle Trägheit großer Organisationen anzukommen ist für das Top-Management üblicherweise nicht trivial – trotzdem sollte man öfter mal durchspielen, was wäre, wenn man heute komplett neu anfangen würde, statt mit der Brille des Bestehenden auf den Aktionsspielraum zu schauen. Der Erkenntnisgewinn wäre enorm.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Wie gerade schon angedeutet, stellen bereits existierende Strukturen das größte Hemmnis in Sachen Digitalisierung und Innovation dar. Es ist oft schwer, Unterstützung innerhalb der Organisation zu finden, da auf dem Weg zur Digitalisierung in der Praxis oft eigene Geschäftseinheiten kannibalisiert werden müssen.
Zudem erschweren es hohe Umsätze und Gewinne bestehender Geschäftseinheiten, Innovationsprojekte als relevant erscheinen zu lassen, weil deren finanzielles Potenzial in den kommenden zwei bis drei Jahren in aller Regel nicht mit dem des bestehenden Geschäfts vergleichbar ist. Das gleicht dann etwas dem Dilemma der Politik: Was in der aktuellen Legislaturperiode keinen deutlich sichtbaren Nutzen mehr bringt, wird gerne mal verschoben. Trotzdem müssen gerade CEOs aber noch öfter den Mut haben, sich die Frage zu stellen: “How do we disrupt ourselves?” – und es dann auch durchziehen. Denn wenn sie es nicht selbst machen, macht es früher oder später jemand anders.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich bin ein sehr visueller Mensch und privat schlägt mein Herz für Kunst und Design. Wäre ich nicht in der Payment- und Banking-Industrie, würde ich mich wahrscheinlich mit der Restaurierung und Modernisierung alter Immobilien beschäftigen – bis hin zur Planung der Inneneinrichtung. Daran reizt mich besonders der Vorher-Nachher-Effekt: Sehen, wie aus etwas Bestehendem etwas Neues wird.
Worauf bist du stolz?
Ich bin stolz darauf, meinen zwei kleinen Töchtern Unabhängigkeit, Neugierde und einen hohen Anspruch an sich selbst vorzuleben. Mich macht es auch stolz, ihnen den Mut mitgeben zu können, sich selbstbewusst in unterschiedlichen Geographien zu bewegen und dort zu leben: Ich habe mehrfach an neuen Orten weit weg von der Heimat neu angefangen, bin allein nach New York, Moskau und Dubai gegangen und habe mir dort immer wieder neu mein privates und berufliches Umfeld aufgebaut. Es ist schön, meinen Töchtern zeigen zu können, dass es keinen Grund gibt, sich so etwas nicht zuzutrauen.
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Um einen größeren Frauenanteil in der Tech-Branche zu erzielen, müssen wir bereits in den frühen Kindheitsjahren anfangen und mehr Mädchen für Mathe, Physik, Technologie und Chemie begeistern. Dann werden sie auch die Studienfächer wählen, die für Berufe in der Tech-Branche relevant sind. Die Vorurteile darüber, was Mädchen und Jungs gut können, existieren nach wie vor. Mädchen wird es noch immer eher nachgesehen, wenn sie in Fächern wie Mathe oder Physik keine guten Leistungen erbringen, während man bei Jungs eher eine höhere Messlatte anlegt. Das mag ja gut gemeint sein, aber man tut Mädchen damit keinen Gefallen, denn Berufe in analytischen Themenfeldern gehören ja faktisch auch zu den besser bezahlten.
Dabei gibt es ja heutzutage viele Möglichkeiten, Jungen wie Mädchen für Technologie zu begeistern, zum Beispiel in Form von Apps, mit denen Kinder spielerisch programmieren lernen können und schnell etwas “bauen”, das sie dann auch visuell erleben können. Im Vergleich zu den eher drögen, schwarz-grünen Bildschirmen am Commodore 64 meiner beiden älteren Brüder, kommt man heutzutage ja viel schneller zu einem spannenden Output. Leider werden diese Möglichkeiten scheinbar noch nicht ausreichend genutzt.
Mentorship-Programme für Frauen in Tech-Unternehmen sind gut, aber sie kratzen nur an der Oberfläche. Damit der Anteil an Frauen in der Tech-Branche wächst, müssen wir bereits in den Familien und Schulen damit anfangen, den Reiz für verwandte Themen zu schaffen.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Ganz klar: SpaceX. Im Alltag haben wir mit dem Thema Raumfahrt noch kaum Berührungspunkte, vielleicht finde ich diesen Bereich gerade deshalb so spannend. Ich möchte besser verstehen, welche technologischen und wirtschaftlichen Komponenten die Raumfahrt birgt, inklusive der vielfältigen Möglichkeiten, die sie für die Zukunft des Tourismus bringt – Sommerurlaub auf dem Mars. Und natürlich fände ich ein Meeting mit Elon Musk aus rein unternehmenskultureller Sicht unheimlich spannend.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Mit Angela Merkel – idealerweise gleich drei bis vier Gläser, denn mich würde ihre ungefilterte Meinung zu all den Themen aus der Zeit ihrer Kanzlerschaft sehr interessieren. Sie musste und muss noch immer unglaublich viele schwierige Fragen und Themenkomplexe bearbeiten und dabei immer wieder Kompromisse eingehen. Ich bin mir sicher, dass das auch viel Frust mit sich bringt und würde gerne von ihr hören, wie sie das wegsteckt.